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Neuer Träger gesucht Pflegeheim in Bremer Neustadt im Insolvenzverfahren

Rund 90 Beschäftigte und 100 Bewohner sind von der wirtschaftlichen Schieflage des Hauses am Kirchweg betroffen. Zu den Ursachen gehört auch ein zeitweiser Belegungsstopp aufgrund eines Corona-Ausbruchs.
25.11.2022, 05:00 Uhr
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Pflegeheim in Bremer Neustadt im Insolvenzverfahren
Von Timo Thalmann

Die Pflegeeinrichtung "Haus am Kirchweg" in der Bremer Neustadt ist seit Anfang November in einem Insolvenzverfahren. Betroffen sind gut 90 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen und rund 100 pflegebedürftige Bewohner. Träger der Einrichtung ist die Gemeinnützige Leben im Alter gGmbH, deren alleiniger Gesellschafter seit April vorigen Jahres der Diakonieverein Berlin-Zehlendorf ist. Zuvor war das über Jahrzehnte die Innere Mission in Bremen.

Der Diakonieverein sah nach Angaben von Oberin Constanze Schlecht zuletzt keine Alternative mehr zum Insolvenzverfahren. "Wir bedauern diesen Schritt außerordentlich, sehen in dem Verfahren aber eine gute Chance, den Weiterbetrieb der Einrichtung zu sichern", sagt die Vorsitzende des Vereins und Leiterin der Schwesternschaft. Man setze dabei auf die starken rechtlichen Mittel, die das Insolvenzrecht biete. So wolle man sicherstellen, dass kein Bewohner umziehen müsse.

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Dem Vernehmen nach hatten die Versuche des Diakonievereins keinen Erfolg, die schon seit Längerem schwierige wirtschaftliche Situation des Hauses zu verbessern. Dem Gang zum Insolvenzgericht vorangegangen waren demnach verschiedene Verhandlungen, um die Einnahmenseite zu verbessern und die Kosten zu senken. "Diese hätten nicht rechtzeitig zum Ziel geführt", heißt es in einer Presseerklärung.

Eine einzige zentrale Ursache für die Insolvenz ist nicht auszumachen. Offenbar summierten sich mehrere, eher ungünstige Rahmenbedingungen zu der wirtschaftlichen Schieflage. So gibt es beispielsweise keinen Küchenbetrieb in Eigenregie, sondern einen relativ teuren Catering-Dienstleiter. Um Personalengpässe in der Pflege zu vermeiden, war man nach Angaben von Schlecht immer wieder auf Leiharbeitnehmer angewiesen. Deren Kosten seien aus Arbeitgebersicht drei bis viermal so hoch, wie reguläre eigene Angestelltenverhältnisse. Auch der Mietvertrag für das Haus am Kirchweg enthält wohl zahlreiche Detailregelungen, die Instandhaltungskosten des Siebziger-Jahre-Baus vor allem beim Betreiber der Pflegeeinrichtung abladen.

Eigentümer des Gebäudes ist weiterhin die Innere Mission Bremens. Den Vorwurf, als Vermieter im Vorfeld einer möglichen Insolvenz bei Verhandlungen keine Zugeständnisse gemacht zu haben, weist Pastor Hans-Christoph Ketelhut als Vorstandssprecher zurück. "Wir sind äußerst unglücklich über diese Entwicklung, sahen uns aber nie in der alleinigen Verantwortung", sagt er. Man hätte seinen Beitrag geleistet, wenn sich auch andere Verantwortliche und insbesondere die Kostenträger wie Pflegekassen und Sozialbehörde bewegt hätten, um die Einnahmenseite zu verbessern.

Hier hat sich laut Oberin Schlecht vor allem die Pflicht der Pflegeeinrichtungen zur jährlichen Gesamtkalkulation negativ ausgewirkt. Die Pflegesätze seien im Mai 2022 für die kommenden zwölf Monate verbindlich verhandelt worden. Sie gelten auch dann weiter, wenn es zu unvorhergesehenen Veränderungen kommt. Erst im September hatte Oliver Schulz vom Diakonischen Werk Bremen daher vor möglichen Insolvenzen gewarnt. „Weil wir als Wohlfahrtsverband keine großen Rücklagen bilden dürfen, kommen unsere Häuser ganz schnell in Existenznot, wenn wir zum Beispiel plötzlich steigende Energiekosten nicht zeitnah weitergeben können."

Im Fall des Hauses im Kirchweg kam zu den grundsätzlich zu hohen Kostenstrukturen im Juli und August dieses Jahres ein Corona-Ausbruch hinzu, der zu einem Aufnahme- und Belegungsstopp führte. Wirtschaftlich bedeutete das den Ausfall fest kalkulierter Einnahmen, weil vor allem Plätze aus der Kurzzeitpflege über Wochen nicht angeboten werden konnten. Kurz zuvor waren zum 30. Juni die Hilfen des Bundes für Pflegeeinrichtungen ausgelaufen, um pandemiebedingte Mehrkosten oder Einnahmeverluste zu kompensieren.

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Im September forderte Schlecht daher die Kostenträger wie auch ihre Dienstleister und den Gebäudeeigentümer zu Nachverhandlungen auf, die aber ohne Ergebnis blieben. So blieb nur der Gang zum Insolvenzverwalter, um Gläubiger und Pflegekassen zu Zugeständnissen zu bewegen.

Klar ist schon jetzt, dass der Diakonieverein Zehlendorf seine Trägerschaft wieder abgeben wird, auch wenn es jetzt zu besseren Rahmenbedingungen für einen Weiterbetrieb kommt. Grund sind Verzögerungen bei einem geplanten Umzug der Einrichtung in einen von der Specht-Gruppe errichteten Neubau unweit des jetzigen Standortes auf dem Areal der ehemaligen Silberwarenmanufaktur Koch & Bergfeld. Ursprünglich sollte dort spätestens Ende 2024 der Einzug stattfinden.

Um die Einrichtung innerhalb der Diakonie zu halten, laufen derzeit Gespräche mit der Stiftung Lobetal als möglichem neuen Betreiber. Die von Friedrich von Bodelschwingh gegründete Stiftung ist bereits Mitglied des Diakonischen Werkes in Bremen und betreibt eine Pflegeeinrichtung am Doventorssteinweg. Zum aktuellen Zeitpunkt ist aber auch ein privater Investor nicht ausgeschlossen. So gibt es Überlegungen, dass die Specht-Gruppe mit dem Umzug in ihr Gebäude die Einrichtung übernimmt.

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