Mohammed K. könnte theoretisch das sein, was man vor Gericht einen Hauptbelastungszeugen nennt. Der Iraner ist der Mann, der bei einer Messerattacke auf der "Persischen Nacht" im Dezember 2016 schwer verletzt wurde. Von einer sieben Zentimeter langen Schnittwunde im Gesicht ist in der Anklageschrift die Rede.
Mohammed U. war demnach einer der Türsteher, mit dem die vier Angeklagten in Streit geraten sein sollen, nachdem man ihnen den Zutritt zu der Veranstaltung im Weserstadion verwehrt hatte. Soweit die Theorie. Doch in der Praxis hat Mohammed K. keine Lust auszusagen. Das sagt er am Mittwoch selbst, als ihn der Richter danach fragt, warum er denn am 2. Mai unentschuldigt nicht zur Verhandlung gekommen war.
"Ich bin krank, deshalb habe ich keine Lust auf sowas", übersetzt die Dolmetscherin die Antwort des Zeugen. Zum Termin am Mittwoch wurde er deshalb polizeilich am Amtsgericht vorgeführt. Doch schon bei der Feststellung seiner Personalien gibt es die nächsten Probleme. Wie alt er sei, fragt der Richter. 33, antwortet der Zeuge.
Laut Akte müsste er aber schon 34 Jahre alt sein. Und als ob das alleine noch nicht ausreicht, findet sich in der Akte auch gleich noch ein zweites Geburtsdatum. "Wann haben Sie denn nun Geburtstag", erkundigt sich der Richter. "Weiß ich nicht", lautet die Antwort. "Ich habe noch nie Geburtstag gefeiert."
Eine Vorlage, die sich die Verteidigung nicht entgehen lässt. "Wer ist der Mann?", fragt einer der Anwälte und meldet grundsätzliche Zweifel an, ob es sich bei Mohammed K. überhaupt um die Person handelt, die man als Zeugen vernehmen will. Das kann dann zwar doch geklärt werden, doch schon wartet die nächste Hürde: Muss er überhaupt aussagen?
Könnte nämlich sein, dass er sich dadurch selbst belastet, führen die Verteidiger ins Feld. In seinen Papieren steht etwas von Residenzpflicht des mit einer Duldung in Hamburg lebenden Mannes. Und davon, dass er in Deutschland nicht arbeiten darf. Beides schwer vereinbar mit einem Job als Türsteher in Bremen, argumentieren die Anwälte.
Mit seiner Aussage könnte er sich deshalb selbst um Kopf und Kragen reden. Die Strategie der Verteidiger ist klar: Macht der Iraner von seinem Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch – was ihm zusteht, niemand muss sich vor Gericht selbst belasten –, könnte er auch nicht die Angeklagten belasten. Doch dieser Plan schlägt fehl.
Die Residenzpflicht bezieht sich nicht auf Hamburg, sondern allgemein auf Deutschland. Und gearbeitet hat Mohammed K. an dem Abend auch nicht, sagt er. Einer der Türsteher aus Hamburg sei sein Freund, den habe er lediglich zu der Veranstaltung begleitet. Sorge vor der Aussage des Iraners müssen sich die Verteidiger trotzdem nicht machen.
Denn der sagt, dass er sich an nichts erinnern kann. Weder, wer ihm die Kopfverletzung zugefügt hat, noch wie oder womit der Schlag ausgeführt wurde. Könnte auch durch eine Flasche passiert sein, die von oben auf ihn herabgefallen sei. Ohnehin sei er total betrunken gewesen und habe den Streit zwischen Türstehern und Angeklagten nicht gesehen, sondern nur gehört. Da aber nichts verstanden, weil er ja kein Deutsch könne.
Als ihn der Staatsanwalt fragt, wie die Kopfwunde ausgesehen hat, will er nicht einmal das wissen. Habe er nicht hingeschaut. Außerdem hätte er ohnehin so viele Haare, dass er dies nicht habe erkennen können. Ungefragt beteuert er dann noch zweimal, dass er die vier Angeklagten, die mit ihm im Gerichtssaal sitzen, nicht kenne, dann ist der Spuk vorbei und der Zeuge wird entlassen.
Vor der Tür wartet schon der Nächste. Einer der Türsteher aus Hamburg, auch er zwangsvorgeführt, weil er beim letzten Mal nicht gekommen war. Der 49-Jährige lässt keinen Zweifel daran, wie sehr ihn das ganze Verfahren nervt. "Er hat keine Lust auszusagen, weil er wegen des Ramadan fastet. Außerdem ist er krank", übersetzt die Dolmetscherin.
Und damit kommt er durch. Nicht wegen der von ihm vorgebrachten Gründe, sondern weil ihm tatsächlich ein Auskunftsverweigerungsrecht zusteht. Er soll selbst einer von denen gewesen sein, die bei der Auseinandersetzung im Dezember 2016 handgreiflich geworden sind. Der Prozess wird am 12. Juni fortgesetzt.