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True Crime Im Angesicht des Täters

Wie Phantombildzeichner Skizzen anfertigen, und wieso Zeugen diese möglichst nicht sehen sollten. Für unser True-Crime-Magazin und unsere Verbrechen-Serie haben wir mit Phantomzeichner Buchholz gesprochen.
29.12.2021, 07:00 Uhr
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Im Angesicht des Täters
Von Gesa Below

Die Phantomzeichnung, die den Kaufhauserpresser Dagobert zeigte, hat damals nicht zum Erfolg geführt: Zu unterschiedlich und zu ungenau waren die Zeugenaussagen. Auf dem Bild ist deshalb nahezu keine Ähnlichkeit mit dem Erpresser zu entdecken. „Ja, das war ein Desaster“, so der da-malige „Soko Dagobert“-Ermittler Ulrich Tille. Der Hamburger Kriminalrat erinnert sich noch gut daran: „Wir hatten zwar viele Zeugen, die ihn angeblich gesehen haben, aber deren Beschreibungen waren sehr unterschiedlich.“ Letztendlich, so Tille, habe man „sehr, sehr viel Arbeit gehabt“ mit den Befragungen, eine Ähnlichkeit mit Dagobert gab es jedoch nicht.

Die Vorgehensweise der einzelnen Bundesländer beim Erstellen eines Phantombildes ist unterschiedlich. In Bremen werden die Bilder mit einer speziellen Software digital hergestellt. Die Zeugen geben an, wie die einzelnen Gesichtsmerkmale aussehen; diese werden dann digital zu einem Phantombild zusammengesetzt. Auch in Niedersachsen wird der Zeuge als erstes zu seinen Erinnerungen befragt. Polizeihauptkommissar Peter Buchholz, der seit zehn Jahren beim Landeskriminalamt (LKA) Niedersachsen als einer von zwei hauptamtlichen Polizeizeichnern arbeitet, kennt die Problematik des schnellen Vergessens: Die Erinnerung an das Aussehen einer Person verschwinde jeden Tag ein bisschen mehr, sagt er. Anhand einer Liste werden circa 20 verschiedene Merkmale abgefragt: Gesichtsform, Frisur, die gesamte Statur, Hautfarbe und -beschaffenheit, Augenform und -farbe soll der Zeuge möglichst genau beschreiben. „Dadurch haben wir dann schon eine Vorstellung, die wir in Umrissstrichen zeichnen“, sagt Buchholz. Das geschieht zwar nicht mehr mit Stift und Papier, sondern digital, aber eben von Hand. „Tablet oder Laptop – das ist heutzutage unser Blatt Papier.“

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Im LKA Niedersachsen zeichnen beide Polizeizeichner digital von Hand. Die Ausbildung in den verschiedenen Computerprogrammen, so Nevin Ayyildiz von der Polizeipressestelle in Hannover, erfolge derzeit direkt im Haus durch die erfahrenen Polizeizeichner – aber das Zeichnen selber wird nicht gelehrt: „Das Talent müssen die Bewerberinnen und Bewerber schon mitbringen“. Die unfertige Rohfassung wird dem Zeugen gezeigt und dann wieder verdeckt, denn „wir wollen, dass er so wenig wie möglich auf das Bild schaut – das könnte seine Erinnerung beeinflussen“, erklärt Buchholz.

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Erst danach arbeiten Zeichner und Zeuge gemeinsam an den Feinheiten. Dabei kommt Buchholz seine Erfahrung zugute, denn „es passiert schon mal, dass Zeugen sich anatomisch täuschen, wenn sie ein Gesicht beschreiben“. So würden Kinder oftmals die Augen zu hoch im Gesicht ansetzen – „und das kann ich dann durch anatomische Erklärungen zusammen mit dem Zeugen korrigieren“.

Wie identisch ein Phantombild letztlich wird, hängt stark von der Genauigkeit der Erinnerungen der Zeugen ab. „Sie sollten sich möglichst zeitnah nach dem Geschehen die Details zu der Person auf-schreiben“, so der Appell von Peter Buchholz. Er ist zudem überzeugt davon, dass ein Handzeichner flexibler sein kann als einige der PC-Programme, die in anderen Bundesländern benutzt werden, da diese beispielsweise keine Schrägansichten der Person erstellen können. Einzig die Verwendung 3D-basierter Programme sieht Buchholz als ebenso flexibel an wie eine Handzeichnung.

Aber unabhängig davon, wie genau ein Bild den Täter wiedergeben kann: An die Öffentlichkeit gelangen die meisten Phantomzeichnungen nicht; dafür braucht es einen richterlichen Beschluss. Die Bilder werden vorher aus-schließlich intern verwendet – in Streifenwagen, Polizei-wachen und im Intranet der Dienststellen.

Der Text stammt aus dem Magazin der Reihe WK|Geschichte-Extra „Giftmischer, Bombenleger, Messerstecher. Verbrechen in Bremen und der Region“.

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