Herr Dubbers-Albrecht, Herr Weiss, Herr Beckh, Sie sind Vertreter der bremischen Wirtschaft. Dass sich Bremens Unternehmen und Betriebe heftig gegen die geplante Ausbildungsabgabe sträuben, ist bekannt. Sie wollen es aber nicht bei Stellungnahmen belassen, sondern Sie wollen, wenn man es so sagen darf, richtig Rabatz machen.
Julian Beckh: So kann man das ausdrücken. Ich vertrete als Sprecher der Wirtschaftsjunioren 120 Führungskräfte und Unternehmen in Bremen. Wir haben uns vorgenommen, noch einmal ganz entschieden gegen die Ausbildungsumlage vorzugehen. Wir sind der Meinung, sie geht vollkommen an der Realität in den Unternehmen vorbei und wird nicht im Entferntesten der Ursache des Problems gerecht.
Wenn Sie von Wir reden, wen meinen Sie?
Christoph Weiss: Mehr als 20 Wirtschaftsverbände, von Apothekern, Ärzten und Rechtsanwälten bis hin zu Handwerkern und zur Hafenvertretung. Das hat es so noch nie gegeben.
Eduard Dubbers-Albrecht: Die Bereitschaft, an dieser Aktion teilzunehmen, ist ungeheuer groß. Das hat es in dieser Form meines Wissens in Bremen noch nicht gegeben.
Ist nicht alles von allen in dieser Angelegenheit gesagt, sogar mehrfach?
Weiss: Wir hätten tatsächlich nicht damit gerechnet, dass die Landesregierung das Gesetz noch vor der Wahl beschließen will. Die Umlage wird die Lage für Schulabgänger nicht verbessern, aber sie wird die Lage für Unternehmen verschlechtern. Unser Problem ist doch, dass wir gerne noch mehr ausbilden würden, aber keine geeigneten Auszubildenden finden. Was uns dazu treibt, Rabatz zu machen, ist, dass wir für einen Missstand verantwortlich gemacht werden, dessen Ursachen viel tiefer liegen: Das Problem ist nicht der Mangel an Ausbildungsplätzen. Das Problem ist mangelnde Ausbildungsreife als Folge einer unzureichenden Bildungspolitik.
Dubbers-Albrecht: Wir sehen Tag für Tag, dass sich kleinere Unternehmen aus der aktiven Suche nach Azubis zurückziehen, weil ihre Bemühungen nicht dazu führen, geeignete Bewerber zu finden. Der Aufwand, der betrieben wird, um geeignete Kandidaten zu finden, ist oft hoch, finanziell und zeitlich. Dabei darf nicht vergessen werden, dass die Hürden für Bewerber über die Jahre schon deutlich gesenkt worden sind. Dass Betriebe, die auf eigene Kosten alles versucht haben, um Nachwuchs zu finden, dafür auch noch bestraft werden sollen, führt zu großer Verärgerung.
Beckh: Auch das Thema berufliche Bildung und Berufsvorbereitung kommt an Bremens Schulen deutlich zu kurz. Wir gehen mit dem Projekt „Schule, und dann?“ schon seit Jahren in die Schulen, um berufliche Wege in unseren Unternehmen aufzuzeigen. Dabei zeigt sich oft, dass die duale Ausbildung bei Schülerinnen und Schülern keinen hohen Stellenwert genießt, weil viele gar nicht wissen, welche exzellenten Möglichkeiten ihnen damit offenstehen. Wir veranstalten auch jedes Jahr mit „Weser-Jobs“ eine der größten Bremer Bildungsmessen, um Nachwuchs zu finden. Firmen investieren also schon von sich aus Zeit und Geld, um fähige Talente zu finden.
Ist die Idee der Abgabe an sich nicht ehrenwert? Jeder junge Bremer, jede junge Bremerin soll sich beruflich qualifizieren. Die Abgabe soll die Wirtschaft dazu zwingen, auch Bewerber aufzunehmen, die nicht auf Anhieb von sich überzeugen oder gewisse Defizite haben.
Weiss: Wir haben momentan etwa 1000 Plätze mehr als Bewerber, und es gibt junge Menschen ohne Ausbildungsplatz, weil sie nicht ausbildungsreif sind. Die Jugendberufsagentur wurde gegründet, um den Schulabgängern zu helfen, die der besonderen Unterstützung bedürfen, um einen Ausbildungsplatz zu finden. Vieles von dem, was mit der Ausbildungsabgabe finanziert werden soll, gibt es dort schon längst. Parallelstrukturen aufzubauen, hilft nicht weiter.
Es sollen Ergänzungen sein ...
Dubbers-Albrecht: Ein großer Teil der Abgabe wird in zusätzliche Bürokratie und weitere Stellen fließen. Aus der Abgabe sollen zwar Zuschüsse an ausbildende Unternehmen fließen, aber bei den meisten entsteht ein negativer Saldo. Es wird auch Firmen geben, die Geld erhalten. Aber ein Zuschuss in Höhe von 1000 Euro motiviert kein Unternehmen, einen zweiten Azubi einzustellen.
Beckh: Zu unserem Verband gehören diverse kleine Unternehmen, die finanziell von der Abgabe profitieren würden. Aber selbst sie sagen klar, dass ihre Azubis für sie keine Belastung sind, die finanziell kompensiert werden muss.
Es gibt Betriebe, die nicht ausbilden, selbst wenn sie es könnten.
Beckh: Das bestreiten wir nicht, aber wir bestreiten die Zahlen, die dazu verbreitet werden. Die Rede ist von 70 Prozent aller Unternehmen in Bremen, dazu zählen aber auch Soloselbstständige und Kleinstunternehmen, die nicht ausbilden können. Die Ausbildungsquote in Bremen ist sogar besser als die anderer Stadtstaaten.
Was bezweckt der Senat Ihrer Meinung nach mit der Abgabe?
Weiss: Für mich ist das ein großes Ablenkungsmanöver. Es geht darum, von der verfehlten Bildungspolitik abzulenken. Unternehmen in Bremen müssen erwarten können, dass Jugendliche mit einem Schulabschluss ausbildungsfähig sind. Davon kann zurzeit aber nicht die Rede sein. Es fehlen nach Aussage des Zentralelternbeirats Hunderte Lehrer und Lehrerinnen, es fehlt an Sprachförderung, an rund 1500 Kitaplätzen, aber auch an zehn bis 15 neuen Schulbauten. Manche Gebäude sind in einem fürchterlichen Zustand, es gibt einen Sanierungsstau in Höhe von mindestens 700 Millionen Euro.
Haben Sie den Bürgermeister, der die Ausbildungsabgabe eisern verteidigt, persönlich angesprochen?
Weiss: Selbstverständlich. Wir haben mit Andreas Bovenschulte gesprochen und mit unserer Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt. Aber wir dringen offenbar nicht durch. Das Gesetz ist eine Provokation für die Wirtschaft und wird sich als Bumerang erweisen, weil die Defizite in der Bildungspolitik offenbar werden.
Dubbers-Albrecht: Wir haben unzählige Gespräche mit dem Bürgermeister, Senatorinnen und Senatoren, Staatsräten, Abgeordneten und Gewerkschaftsvertretern geführt. Keiner konnte uns Gründe darlegen, wie durch die Ausbildungsabgabe das formulierte Ziel „Reduktion des Fachkräftemangels“ erreicht werden soll. Zudem sollte man auch nicht unterschätzen, welche Außenwirkung dieses Vorhaben hat. Mir ist bekannt, dass in Stuttgart darüber geredet wird, dass Mercedes in Bremen eine höhere sechs- oder gar siebenstellige Summe per saldo wird zahlen müssen. Das ruiniert das Unternehmen selbstverständlich nicht. Aber die Mercedes-Standorte stehen untereinander in einem harten Wettbewerb. Jeder Standortfaktor zählt. Die Ausbildungsabgabe kann für den Standort Bremen nur ein Minuspunkt sein.
Die Handelskammer hat angekündigt, das Gesetz zu überprüfen – wegen möglicher handwerklicher Fehler und möglicher Verfassungswidrigkeit – und gegebenenfalls zu klagen. Warum dann noch diese Aktion?
Weiss: Es ist schon erstaunlich, dass von einem juristisch ausgebildeten Bürgermeister ein handwerklich so schlampiger Gesetzestext vertreten wird. Aber klagen kann man erst, wenn das Gesetz verabschiedet ist. Wir werden auch klagen wie etliche andere Unternehmen, sobald wir einen entsprechenden Abgabenbescheid bekommen. Unsere Aktion dient dazu, aktiv zu werden, bevor das Gesetz in der Bürgerschaft beschlossen wird.
Sie werden eine Petition starten ...
Weiss: Ganz genau, nächste Woche starten wir eine umfangreiche Kampagne, um Unterschriften gegen die Ausbildungsabgabe zu sammeln. Es wird Plakate geben, Anzeigen, Social-Media-Aktionen, eine eigene Website. Alle Unternehmen, die sich beteiligen, werden die Aktion bekannt machen. Es handelt sich nicht um eine Petition, die im entsprechenden Ausschuss der Bürgerschaft behandelt werden soll, sondern um einen symbolischen Akt.
Sie sprechen auch von einer "Präsenz vor der Bürgerschaft". Nennt man das nicht Demo?
Dubbers-Albrecht: Wir werden vor der Bürgerschaft Gespräche mit den Abgeordneten führen, ihnen die Sinnlosigkeit des Vorhabens darlegen und dazu schriftliches Informationsmaterial verteilen, weil wir immer noch Hoffnung haben, dass die Abgeordneten und Regierungsmitglieder feststellen, dass etwas in Bewegung geraten ist.
Weiss: Ich glaube, die Verärgerung in den Unternehmen ist unterschätzt worden. Unsere – im Übrigen überparteiliche – konzertierte Aktion wird zeigen, wie groß der Frust ist. Unsere Hoffnung ist, dass erkannt wird, wo die eigentlichen Ursachen des Fachkräftemangels liegen, und eine neue, ernsthafte Debatte über die künftige Bildungspolitik in Bremen angestoßen wird. Wir brauchen endlich ein Alle-Mann-Manöver für Bildung.