Dass sich gegen große Bauprojekte Widerstand regt, ist nicht ungewöhnlich. Der Streit um die geplante Bahnwerkstatt in Oslebshausen hat jedoch eine besondere Note, weil er inhaltlich in zwei grundverschiedene Richtungen führt. Der Umgang mit dem sogenannten Russenfriedhof an der Reitbrake, wo die Werkstatt entstehen soll, beschäftigt Historiker und Archäologen. Es geht um Krieg und Gedenken, um Anstand und historische Verpflichtungen. Auf einer zweiten Ebene sind die Fragen hochtechnisch und die Experten Ingenieure. Gestritten wird über Dezibelwerte, Schallschutzverordnungen und Lärmgutachten.
Noch mehr Lärm will im ohnehin lauten Oslebshausen wohl niemand. Neben dem Stahlwerk ist es vor allem die geplante Bahnwerkstatt, die Anwohnern Zukunftssorgen bereitet. Im aktuell laufenden Planfeststellungsverfahren für das Projekt hat sich ein Konflikt entsponnen, für den sich bislang keine Lösung abzeichnet. Die Fronten sind auch deshalb verhärtet, weil der Vorhabenträger auf massive Kritik der Ortspolitik bislang kaum reagiert beziehungsweise diese knapp zurückweist. Zur Erinnerung: Der Bahntechnikhersteller Alstom will in der Werkstatt zukünftig die neuen Züge warten lassen, die er für das sogenannte Expresskreuz Bremen/Niedersachsen (EBN) bereitstellt. Fast sicher ist bereits jetzt, dass die Züge geliefert werden, bevor es eine neue Werkstatt gibt – Alstom hat angekündigt, bei Bedarf eine Übergangslösung für die Instandhaltung der Züge zu schaffen.
Viele Anwohner hoffen allerdings nicht auf eine Verzögerung, sondern auf eine gänzliche Abkehr vom Standort in Oslebshausen. Sie sehen sich durch Alstom getäuscht. Ein Lärmgutachten, das die Firma Müller BBM im Auftrag von Alstom vorgelegt hat, sorgt für Unmut. In einer vom Gröpelinger Beirat beauftragten Stellungnahme attestiert der Diplomingenieur Peter Gebhardt dem Erstgutachten "eine Vielzahl von Mängeln und Fehlern". Gesetzliche Regelungen für Lärmgutachten seien missachtet und falsche Grenzwerte angesetzt worden.
Gebhardt prognostiziert für verschiedene Bereiche eine höhere Lärmbelastung. "Das Vorhaben ist damit in der geplanten Form nicht genehmigungsfähig", heißt es in dem Alternativgutachten. Die wesentlichen Ergebnisse hatte Gebhardt bereits im November im Gröpelinger Beirat vorgestellt, der daraufhin einstimmig gegen das Vorhaben stimmte. Der Beirat fordert Alstom auf, einen alternativen Standort zu prüfen oder den Lärmschutz umfänglich nachzubessern.
Planer sieht keinen Alternativstandort
Ende November erfolgte eine knappe Erwiderung der von Alstom beauftragten Planungsgesellschaft. Im Wesentlichen wird darin die Kritik an dem Erstgutachten zurückgewiesen. Die Annahmen seien konservativ angesetzt, heißt es. Einen geeigneten Alternativstandort gebe es nicht. Eine Nachbesserung der Lärmschutzmaßnahmen wird jedoch als Option genannt: "Sollten sich wiedererwartend höhere Anforderungen an das Schutzziel ergeben, sind die Schallschutzmaßnahmen entsprechend anzupassen." Viel passiert ist seitdem nicht. Dem WESER-KURIER hat Alstom im Februar auf Anfrage mitgeteilt, sich zu dem Lärmgutachten konkret zu äußern, "wenn der für Stellungnahmen und Einwendungen vorgesehene Zeitpunkt im Planfeststellungsverfahren gekommen ist".
Grundsätzlich sieht man in Oslebshausen beim Thema Lärm auch den Bremer Senat stärker in der Pflicht. In der vergangenen Woche hat der Gröpelinger Beirat einen Beschluss gefasst, der ein Lärmkataster und, im weiteren Verlauf, ein Lärmschutzkonzept für Oslebshausen fordert. Der Antrag liegt nun beim Umweltressort.