- Um welches Gebiet geht es?
- Wie sieht der Zeitplan aus?
- Wie steht es um die Werkstatt?
- Wie könnte ein Provisorium aussehen?
Gut anderthalb Jahre vor dem geplanten Neustart des Bahn-Regionalverkehrs im Nordwesten ist nach wie vor unklar, wie ein wesentlicher Teil der technischen Infrastruktur rechtzeitig bereitgestellt werden soll. Weder gibt es einen halbwegs gesicherten Fertigstellungstermin für die geplante Bahnwerkstatt in Oslebshausen, noch existiert ein belastbarer "Plan B" für den Fall, dass dieser Wartungskomplex erst in einigen Jahren zur Verfügung steht und die Instandhaltung der Züge deshalb anders geregelt muss. In einer Antwort auf eine entsprechende Anfrage der FDP-Bürgerschaftsfraktion weist die Verkehrsbehörde die Verantwortung komplett dem Bahntechnikhersteller Alstom zu. Der französische Konzern stellt die Züge für das sogenannte Expresskreuz Bremen/Niedersachsen (EBN) bereit.
Um welches Gebiet geht es?
Das Expresskreuz Bremen/Niedersachsen ist eine Bezeichnung für den Regionalverkehr auf den Linien zwischen Osnabrück, Hannover und der Küste. Knapp 40.000 Pendler sind dort täglich unterwegs. Bremen bildet den Knotenpunkt der Schienenstränge. Nicht berührt ist der schienengebundene Nahverkehr der Nordwestbahn. Bisher wird das EBN von der Deutschen Bahn AG mit den bekannten roten Doppelstockwagen betrieben. Aktuell läuft eine Neuausschreibung der Personentransportdienstleistung. Ob dabei wieder die Deutsche Bahn AG oder ein anderes Bahnunternehmen den Auftrag erhält, ist noch offen. Eine technische Vorentscheidung fiel aber Anfang 2021: Die Firma Alstom erhielt den Zuschlag für die Lieferung von 34 neuen Doppelstockzügen, die künftig im EBN unterwegs sein sollen.
Wie sieht der Zeitplan aus?
Eigentlich war geplant, dass der Neustart des EBN zum Fahrplanwechsel im Dezember 2024 erfolgt. Schon jetzt ist klar: Alstom wird bis dahin nur einen kleinen Teil der 34 Zuggespanne ausliefern können. Der Hersteller macht Lieferkettenprobleme geltend. Einstweilen soll der Betrieb im Expresskreuz mit den alten roten DB-Zügen aufrechterhalten werden. Wie lange diese einsatzbereit bleiben, darauf kann die Bremer Verkehrsbehörde keine konkrete Antwort geben. "Sondierende Gespräche mit der DB Regio AG wurden geführt", heißt es in der Antwort auf die FDP-Anfrage.
Wie steht es um die Werkstatt?
Hier liegt der eigentliche Knackpunkt. Bestandteil der Ausschreibung für die Lieferung der Fahrzeuge war, dass der Auftragnehmer einen Wartungsstützpunkt gewissermaßen mitbringt. Es gab keine örtlichen Vorgaben der federführenden Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen oder des Bremer Verkehrsressorts. Alstom benannte ein derzeit ungenutztes Oslebshauser Bahngrundstück mit Gleisanschluss im Bereich der Straße Reitbrake. Doch gegen diesen Standort entwickelte sich in Oslebshausen massiver Widerstand, getragen von einer Bürgerinitiative. Auch der Fund von Gräbern sowjetischer Soldaten aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs stellte die Eignung des Geländes infrage. Die Firma Alstom hat bisher auch noch keinen Antrag auf Planfeststellung gestellt, also auf einen verwaltungsrechtlichen Akt, der für die Zulassung größerer Infrastrukturprojekte erforderlich ist. Gegenüber dem WESER-KURIER erklärte ein Alstom-Sprecher am Dienstag, der Antrag solle noch in dieser Woche gestellt werden. Laut Verkehrsbehörde werden für die Bearbeitung mindestens zehn Monate gebraucht. Ein dann gefasster Planfeststellungsbeschluss könnte anschließend vor Gericht beklagt werden. Nach allem, was bisher von den Oslebshauser Projektgegnern zu hören war, ist ein Rechtsstreit sehr wahrscheinlich. Aus der Verkehrsbehörde heißt es dazu, man veranschlage anhand von Erfahrungswerten bis zu zwei Jahre für einen möglichen Rechtsstreit. Vor Ende 2025 wird es also vermutlich keine rechtliche Klarheit geben. Und dann ist noch nichts gebaut. Wirklich betriebsbereit wäre die Werkstatt als Dreh- und Angelpunkt der EBN-Logistik also kaum vor Anfang 2027.
Wie könnte ein Provisorium aussehen?
Wo sollen also die neuen Züge zwischenzeitlich gewartet werden? Schließlich will Alstom bis Ende 2024 die ersten zehn geliefert haben, den Rest etappenweise bis Ende 2025. Die Verkehrsbehörde sieht Alstom in der Pflicht, eine alternative Wartungsstruktur bereitzustellen. "Steht die Werkstatt nicht zur Verfügung, hat Alstom eine Ersatzlösung zu schaffen", bekräftigt das Haus von Senatorin Maike Schaefer (Grüne). Aber wo könnte sie entstehen? Der Alstom-Sprecher nennt keinen Ort. Sein Unternehmen werde "dafür Sorge tragen, dass die gelieferten Züge vertragskonform instand gehalten werden", versichert er. Nur wo – das bleibt einstweilen offen.