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Bahnwerkstatt in Oslebshausen Droht Plänen für die Bahnwerkstatt das Aus?

Wurden bei dem Lärmgutachten für die an der Reitbrake geplante Bahnwerkstatt womöglich Fehler gemacht? Ein zweites Gutachten legt dies nahe. Doch welche Konsequenzen ergeben sich daraus?
20.11.2023, 06:00 Uhr
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Droht Plänen für die Bahnwerkstatt das Aus?
Von Anne Gerling

Fast alle der mehr als 140 Stühle im Bürgerhaus Oslebshausen waren besetzt bei der Sitzung des Gröpelinger Beirats am Mittwochabend: Das Interesse am Haupt-Tagesordnungspunkt –  dem laufenden Planfeststellungsverfahren für die an der Reitbrake geplante Bahnwerkstatt  – war wie erwartet riesengroß. Unter den Zuhörern waren auch mehrere Bürgerschaftsabgeordnete zu entdecken. Und die Bürgerinitiative (BI) Oslebshausen und umzu machte mit Plakaten, Transparenten und Rasseln vor Beginn der Sitzung deutlich, was sie von dem Vorhaben hält: nichts.

Eine halbe Stunde lang hatte dann Peter Gebhardt das Wort. Der Diplom-Ingenieur betreibt seit mehr als 30  Jahren ein kleines Ingenieur-Büro in der Nähe von Gießen und berät Bürgerinitiativen, Umweltverbände und Kommunen zu Themen wie Schadstoffe, Anlagensicherheit oder Lärm. Im Auftrag des Gröpelinger Beirats hat er das Lärmgutachten untersucht, das im Zuge des Genehmigungsverfahrens für die Bahnwerkstatt erstellt wurde. Und Gebhardt kommt in seiner gutachterlichen Stellungnahme zu einem eindeutigen Fazit: „Das Vorhaben ist (…) in der geplanten Form nicht genehmigungsfähig.“

Wer hat das Lärmgutachten erstellt?

Erstellt wurde das Gutachten im Auftrag der Firma Alstom von der in Bayern ansässigen Firma Müller BBM. „Ein sehr renommiertes Büro“, wie Gebhardt sagt: „Ich kenne es gut und habe auch schon viele Gutachten von ihm gelesen.“ Umso überraschter sei er von den Fehlern und Schwachstellen, die er in dem Papier nun gefunden habe. „Ich habe schon Hunderte von Lärmgutachten durchgeführt“, sagt er, „aber sowas habe ich noch nicht erlebt.“

Um welche Fehler geht es?

Unter anderem geht es um die gesetzlichen Regelungen für Lärmgutachten, die nach Einschätzung des von den Ortspolitikern beauftragten Sachverständigen massiv missachtet wurden. So seien zum Beispiel die bereits hohen Vorbelastungen an den Straßen Wohlers Eichen und An der Finkenau –  also der Lärm, den verschiedene Gewerbebetriebe vor Ort bereits heute verursachen  – nicht korrekt berücksichtigt worden. Denn anstelle der üblicherweise verwendeten Beurteilungswerte, die unter anderem auch der Tüv Nord im Genehmigungsverfahren für die neue Klärschlammverbrennungsanlage vor drei Jahren angesetzt habe, habe das Unternehmen, offenbar in Absprache mit Auftraggeber Alstom und der Genehmigungsbehörde, einfach eigene Kriterien –  etwa eine Zumutbarkeitsschwelle und einen Immissionswert  – verwendet. Diese Begrifflichkeiten seien im Lärmschutz allerdings nicht bekannt, unterstreicht Gebhardt. Somit entspreche das Gutachten nicht den Anforderungen der "Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm", kurz TA Lärm, die als Bewertungsgrundlage für Gewerbegebiete gelte. Gebhardt: „Die bestehenden Belastungen durch Gewerbebetriebe liegen schon jetzt –  insbesondere in der Nachtzeit  – weit über den Immissionsrichtwerten der TA Lärm.“

Ein zweiter Punkt, den er ausdrücklich bemängelt: Dass der auf dem Bahngelände selbst zu erwartende Geräuschpegel nach der TA Lärm  und nicht, wie im Gutachten geschehen, nach der sogenannten Verkehrslärmschutzverordnung hätte bewertet werden müssen. Hierdurch seien die von der Bahnwerkstatt ausgehenden Geräusche massiv unterschätzt worden.

Stehen die Fehler einer Genehmigung entgegen?

Trotz des fehlerhaften Lärmgutachtens wäre eine Genehmigung für die Bahnwerkstatt an der Reitbrake allerdings seiner Ansicht nach nicht grundsätzlich ausgeschlossen, unterstreicht Gebhardt: „Bei Lärm kann man natürlich nachbessern.“ Allerdings kämen dann „wesentlich strengere Auflagen“ als bislang vorgesehen ins Spiel. So müsse die von Alstom geplante Lärmschutzwand womöglich in der Länge komplett durchgezogen werden und „zehn oder 15 Meter statt vier Meter Höhe“ haben.

Wie geht der Beirat mit dem Gutachten um?

Der Beirat soll als Träger öffentlicher Belange im Zuge des Planfeststellungsverfahrens bis zum 24. November eine Stellungnahme abgeben. Aufgrund des Gutachtens hat sich das Gremium nun darauf geeinigt, das Vorhaben in der geplanten Weise abzulehnen. Von der Firma Alstom, die die Bahnwerkstatt bauen will, fordern die Ortspolitiker, einen alternativen Standort zu suchen beziehungsweise –  falls keiner gefunden werde  – „den Lärmschutz so nachzubessern, dass die TA Lärm vollumfänglich eingehalten wird.“

Darüber hinaus hat der Beirat fünf Fragen ans Bauressort. Unter anderem will er wissen, weshalb das Stadtteilparlament beim Planfeststellungsverfahren ungewöhnlich spät und erst auf Nachfrage des Ortsamtes als Träger öffentlicher Belange eingebunden wurde. Dieter Winge, Fraktionssprecher der Linksfraktion und Sprecher der BI, sagt: „Geltendes Recht und gültige Verordnungen, die dem Schutz der Gesundheit von Menschen und der Bewahrung des Wertes ihres Eigentums dienen, sollen in Bremen mit Zustimmung des Bau- und Verkehrs- sowie des Umweltressorts wissentlich unterlaufen werden. Die Genehmigungsfähigkeit wird an Grenzwerten festgemacht, die es nicht gibt und die frei erfunden sind und im Rahmen eines Vorgesprächs zwischen Alstom und der  Genehmigungsbehörde vereinbart wurden. Wir nehmen diese Form der Rechtsbeugung hier in Bremen nicht hin.“

Was sagen Alstom und die Gewerbeaufsicht?

Das Ortsamt hatte zu der Sitzung auch Vertreter der Firma Alstom und der Gewerbeaufsicht eingeladen, die für das Genehmigungsverfahren zuständig ist. Diese hatten allerdings mit Verweis auf das laufende Verfahren abgesagt. „Ich finde es schon sehr erstaunlich, dass sich niemand von Alstom, dem Gutachterbüro oder der Genehmigungsbehörde hierher bewegt“, kommentierte Beiratssprecher Martin Reinekehr (SPD) unter dem Applaus der Zuhörer.

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