Es liegt in der Natur von Baustellen, dass sie bei Anwohnern selten Jubel auslösen. Besonders hart trifft es aktuell die Bewohner von 20 Mehrfamilienhäusern an der Neuenlander Straße in Bremen. Für voraussichtlich vier Monate können sie die Einfahrten zu ihren Grundstücken nicht nutzen, weil Hansewasser einen Abwasserkanal sanieren muss. Auf Höhe der Abbiegerspur in Richtung Autobahn 281 stehen auf einer Länge von mehr als 400 Metern rot-weiße Absperrbaken vor den Zufahrten. Diese nach Bedarf zu öffnen, ist verboten. Und alternative Parkmöglichkeiten sind kaum zu finden.
Zwei Wochen vor Beginn der Arbeiten informierte Hansewasser die Anwohner per Post. "Im Schreiben war von Beeinträchtigungen und Sperrungen die Rede. Dass wir unsere Einfahrten überhaupt nicht mehr nutzen können, stand da nicht", kritisiert Pinar Cakir. So war sie sehr überrascht, als sie eines Abends mit ihrem schlafenden Kleinkind auf dem Rücksitz nicht mehr zu ihrer Wohnung fahren konnte. Das war Anfang Februar. Hansewasser baut bis Ende Juni, einen Monat zuvor sollen die Einfahrten wieder nutzbar sein.
Die Grundstücke sind nur von der Neuenlander Straße befahrbar. Sie grenzen rückseitig allerdings an die Theodor-Storm-Straße, die über einen Stichweg zu erreichen ist. Mit Glück ist dort ein Parkplatz am Straßenrand zu finden. Danach müssen die betroffenen Anwohner aber noch immer mehrere Hundert Meter zu Fuß zurücklegen. Für Seniorin Renate Klinker, die einen Gehstock nutzt, ist das ein großes Problem: "Mit Einkaufstüte schaffe ich das nicht."

Auf einer Strecke von mehr als 400 Metern versperrt die Baustelle die Zufahrten.
Weniger attraktiv sind die Parkmöglichkeiten im Gewerbegebiet an der gegenüberliegenden Seite der Neuenlander Straße. Die Anwohner bezeichnen diese Gegend als unsicher. Es seien häufig Autos aufgebrochen worden. "Hinzu kommt, dass die Fußgängerampel an der Abbiegerspur zur Autobahn bei Baubeginn verschwunden ist", sagt Ruth Cremer. Ein sicheres Überqueren der Hauptverkehrsstraße sei deshalb nur noch mit langen Umwegen möglich.
"Die Grenze des Zumutbaren ist überschritten", sagt Cremer. Für einige Wochen hätte man sich vielleicht arrangieren können, aber nicht für mehrere Monate. Mit Thomas Appeldorn ist auch ein Gewerbetreibender betroffen. Der Rohrreiniger ist nach eigenen Angaben auf die Zufahrt angewiesen, um möglichst zügig zum Briefkasten und seinem Lager für Kleinteile zu kommen.
Die Anwohner haben sich deshalb mehrfach beschwert: bei Hansewasser, der Verkehrsbehörde, die die Baustelle genehmigt hat, und dem ausführenden Bauunternehmen vor Ort. Immer ging es darum, die Einfahrten doch irgendwie nutzen zu können. Die Reaktionen fielen den Angaben der Anwohner zufolge sehr unterschiedlich aus. Mal hieß es, dies sei grundsätzlich verboten. Dann sollten bei Bedarf die Bauarbeiter vor Ort helfen und kurzzeitig die Absperrung für die Durchfahrt öffnen. Zuletzt soll dann gesagt worden sein, dass die Anwohner die rot-weißen Baken selbst öffnen und schließen können. Dies sei zwar nicht erlaubt, die Polizei wisse aber Bescheid und würde es dulden.
Oliver Ladeur, Sprecher von Hansewasser, stellt klar: "Eine Baustelle zu öffnen, ist rechtlich verboten." Hansewasser nehme die Beschwerden aber ernst. Manchmal zeigten sich Probleme erst nach Beginn der Bauarbeiten. "Aufgrund der Beschwerden und Anregungen haben wir uns die Situation vor Ort angeschaut und werden gemeinsam mit den Verantwortlichen prüfen, ob es eine schonendere Maßnahme gibt", sagt Ladeur. Dies gehe aber nicht von heute auf morgen.
Der Sprecher verweist darauf, dass vorgeschriebene Sicherheitsregeln gesetzlich zwingend einzuhalten seien. Bauarbeiter, Verkehrsteilnehmer und Anwohner dürften nicht zu Schaden kommen. "Es ist der Sicherheit des Straßenverkehrs in der hochfrequentierten Neuenlander Straße geschuldet, dass die Anwohner ihre Einfahrten nicht nutzen können", betont Ladeur.
Hansewasser sei bemüht, die häufig störenden Kanalbaustellen so schonend wie möglich zu gestalten. "Im vorliegenden Fall brauchen wir allein durch das Schlauchlinerverfahren nur ein Drittel der Zeit wie für eine offene Sanierung", sagt der Sprecher. Bei dieser geschlossenen Bauweise entstehe oft der Eindruck, es würde nichts geschehen. "Aber das sind dynamische Baustellen, die unterirdisch stattfinden und täglich an verschiedenen Stellen bearbeitet werden müssen", erklärt Ladeuer. Und er sagt: "Wir stören zwar, aber in der Regel kommen wir nur einmal im Leben. Unsere Kanäle sind für 80 Jahre ausgelegt."