Nirgendwo in Deutschland erreichen durchschnittlich so wenige Kinder am Ende von Klasse 4 die Mindeststandards im Lesen, Schreiben und Rechnen wie in Bremen. Im Vergleich zum Bundesland mit dem höchsten Mittelwert bedeutet das im Durchschnitt einen Kompetenzunterschied von bis zu einem Schuljahr beim Lesen und Zuhören, circa zwei Drittel eines Schuljahres Abstand bei der Orthografie und in Mathematik etwa drei Viertel eines Schuljahres – wohlgemerkt: bei Zehnjährigen.
Nun sind die Ergebnisse von Vergleichsstudien sicher nicht das Maß aller Dinge. Sie sind jedoch ein deutlicher, und wahrscheinlich der am besten erforschte Indikator dafür, ob und inwieweit es gelingt, Kindern und Jugendlichen gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen.
Umgekehrt bedeutet das: Wenn dieser Zugang nicht verpflichtend gefordert und gefördert wird, bleibt einem wachsenden Anteil Kinder – die sehr schnell zu Jugendlichen und Erwachsenen heranreifen – der Zugang zur Gesellschaft verwehrt. Das ist nicht nur ungerecht, das ist auch gefährlich. Es ist in einer Zeit des Fachkräftemangels zudem wenig vorausschauend: Diese Jugendlichen und Erwachsenen werden nämlich dringend in der Mitte der Gesellschaft gebraucht.
In Bremen sind wichtige Weichen inzwischen gestellt, die eine Kehrtwende in der Bildungspolitik aktuell begünstigen: Das IQHB mit einer fähigen Leitung, eine klare und richtige Zielvorgabe (nämlich die Erhöhung von Bildungsgerechtigkeit) im aktuellen Koalitionsvertrag, der Beginn des Startchancen-Programms von Bund und Ländern zur Förderung von Schulen in herausfordernder Lage und die flächendeckende Ausstattung mit iPads sind einige Beispiele dafür. Von den vielen engagierten Lehrkräften ganz zu schweigen. Die verhindern übrigens Schlimmeres – ohne sie wäre die Lage für viele Kinder an Bremer Schulen noch weitaus dramatischer, als sie schon ist.
Wo bleibt die Kehrtwende? Die Bildungspolitik in Bremen scheint überfordert von der Logistik eines Schulumzugs oder eines Haushalts, verschwendet Kapazitäten auf Misstrauensanträge und Positionspapiere, ihre Vertreter wirken wie erstarrt in der Scham über eine erneute Ohrfeige bei den jüngsten Vergleichsstudien. „Traut euch, mit vereinten Kräften, und zwar gerade jetzt!“, möchte man den Volksvertretern in der Bildungspolitik ungeachtet ihrer politischen Couleur zurufen.
Gebt euch einen Ruck! Beschäftigt euch mit vereinten Kräften statt mit euch selbst mit denjenigen, für die euch Verantwortung übertragen ist: Die Kinder und Jugendlichen, die die Zukunft unserer Gesellschaft gestalten werden.