50 Meter, an denen es hängt. 50 Meter mehr zwischen der einen Straßenbahnhaltestelle auf der Domsheide und der anderen. Das ist Teil des Umbauplans für den großen Verkehrsknotenpunkt in der Bremer Innenstadt. Die Behindertenverbände laufen Sturm dagegen. Der Senat muss sich auf Klagen gefasst machen. Er sucht deshalb händeringend nach einem Kompromiss, zumal es auch in der Regierungskoalition starke Bedenken gibt. Im kommenden Monat beginnen die Verhandlungen, wie der WESER-KURIER erfahren hat. Muss der Senat seinen Beschluss wieder aufheben? Bleibt bei der Domsheide auf viele Jahre hinaus alles beim Alten? Oder wird der Plan durchgezogen?
Zuletzt hatte es die Arbeitsgemeinschaft "Selbst Aktiv" in der Bremer SPD unmissverständlich klargemacht: "Inhalt und Vorgehensweise dessen, was von Senatsseite vorgestellt wurde, bedeuten einen Rückschritt, wie wir ihn nie für möglich gehalten hätten", formulierte die Interessenvertretung für Menschen mit Behinderung im November in einem Antrag für den Landesparteitag. Die SPD-geführte Verkehrsbehörde habe bei der Domsheide die Städtebauqualität der rechtlich verbrieften Barrierefreiheit vorgezogen: "Das ist schockierend und trifft auf unseren Widerstand." In dem Antrag wird angekündigt, vor Gericht zu ziehen, sollte es bei der Planung bleiben – so wie es auch die Behindertenverbände und der Landesbehindertenbeauftragte androhen.
Seit Jahren wogt die Angelegenheit hin und her. Etliche Varianten für den Umbau der Domsheide wurden geprüft und wieder verworfen. Übrig blieben zwei: eine zentrale Straßenbahnhaltestelle vor dem Konzerthaus Glocke, wofür sich die Grünen starkmachten, und der Beibehalt von getrennten Haltepunkten vor der ehemaligen Post und in der Balgebrückstraße, dort allerdings rund 50 Meter weiter zur Weser hin. Die Gründe für die Verlegung liegen nach Angaben der Bremer Straßenbahn AG (BSAG) zum einen darin, dass zwischen Markstraße und Dechanatstraße ein sicherer Übergang für Fußgänger und Radfahrer geschaffen werden soll. Zum anderen könne nur auf diese Weise die neue Haltestelle so gebaut werden, dass sie komplett barrierefrei ist.
Der rot-grün-rote Senat entschied sich schließlich für Post und Balgebrückstraße – mit entsprechenden Reaktionen der Behindertenorganisationen. Begonnen wurde mit der Planung noch nicht. Das Verfahren würde erfahrungsgemäß zwei bis drei Jahre in Anspruch nehmen und mit dem Risiko behaftet sein, angefochten zu werden, verbunden mit einem weiteren Zeitverlust.
Für den 11. März hat die Bau- und Mobilitätsbehörde zur ersten Sitzung des neu einberufenen Gestaltungsgremiums für die Domsheide eingeladen. Dabei soll es unter anderem um die architektonischen Einbauten und technischen Anlagen gehen, konkret zum Beispiel um die Überdachungen, Sitzgelegenheiten und Beleuchtung. Aber eben nicht nur: "Besondere Sorgfalt wird auf die vom Landesbehindertenbeauftragten vertretenen Interessen gelegt", heißt es in der Einladung.
"Meiner Verabredung mit dem Mobilitätsressort nach sollen in diesem Gremium ernsthafte Verbesserungen der Barrierefreiheit diskutiert werden. Ob ich diesen dann zustimmen kann, hängt davon ab, ob es sich um Ergebniskosmetik handelt oder substanzielle Verbesserungen erreicht werden können", erklärt Landesbehindertenbeauftragter Arne Frankenstein auf Anfrage des WESER-KURIER. Wie diese Änderungen aussehen könnten, bleibt bei Frankenstein vorerst offen. Eines steht für ihn aber fest: "Eine geteilte Haltstelle mit den geplanten Entfernungen widerspricht den Vorgaben der Barrierefreiheit."
Frankenstein versteht sich als Ombudsmann, als Vermittler, und will die juristische Karte erst dann ziehen, wenn es anders nicht mehr geht. Entschlossener in dieser Hinsicht ist neben der SPD-AG "Selbst Aktiv" auch der Bremer Behindertenverein "Selbstbestimmt leben". Dort sitzt der promovierte Jurist und ehemalige Landesbehindertenbeauftragte Joachim Steinbrück im Vorstand. "Wir warten die Gespräche ab", sagt Steinbrück. Ziel sei nicht unbedingt, doch noch zu einer Bündelung der Haltestellen vor der Glocke zu kommen, sondern zu verhindern, dass die Wege beim Umsteigen nicht weiter werden. Gelinge dies nicht, werde sein Verein auf Basis des Behindertengleichstellungsgesetzes im ersten Schritt ein Schlichtungsverfahren in Gang bringen. Danach könne es zur Klage kommen.
Unabhängig vom weiteren Verlauf der Umbaupläne müssen auf der Domsheide im Sommer Weichen ausgetauscht werden. Sie sind nach mehr als 20 Jahren Gebrauch verschlissen. Die Kosten für Material und Arbeit beziffert die BSAG mit rund drei Millionen Euro – eine Investition mit geringer Halbwertzeit, sollte der Verkehrsknotenpunkt irgendwann im Ganzen saniert und die neuen Weichen wieder entfernt werden.