Herr Lütjens, nach der Rücktrittsankündigung von Bildungssenatorin Sascha Aulepp hat sich jetzt erstmals ihr designierter Nachfolger zu Wort gemeldet, Mark Rackles. Er will mit allen Akteuren ins Gespräch kommen und gibt sich allgemein sehr zuversichtlich.
Jörn Lütjens: Alles andere wäre auch bedenklich. Vielleicht hat er unseren offenen Brief gelesen. Wir möchten mit ihm so bald wie möglich ins Gespräch kommen. Es gibt gigantischen Handlungsspielraum in der Zusammenarbeit mit uns.
Inwiefern?
Ich erhoffe mir erst mal einen direkteren Kontakt. Wir hatten kaum direkte Gespräche mit Frau Aulepp. Einen regelmäßigen Termin hat sie immer abgelehnt. Da erhoffe ich mir wieder eine direkte Gesprächsebene mit dem zukünftigen Senator, weil es mit ihm auch möglich ist, als Fachmann sehr inhaltlich zu diskutieren. Bei Frau Aulepp ging es eher um Rahmenbedingungen.
Ein großes Thema wird der Streit um die Erfassung der Arbeitszeit sein. Der Personalrat geht mit seiner Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht juristisch gegen den Senat vor.
Ich habe große Hoffnung, auf einer sehr inhaltlichen Ebene sachlich mit Herrn Rackles ins Gespräch zu kommen. Er kommt schließlich als ausgewiesener Bildungsexperte, der sich auch schon speziell mit dem Thema Arbeitszeit von Lehrkräften und Arbeitszeiterfassung wissenschaftlich auseinandergesetzt und geäußert hat. Insofern steht er ein bisschen in der Pflicht, da anzuknüpfen.
Grundsätzlich hat Frau Aulepp ja nichts gegen Arbeitszeiterfassung. Dabei steht das klassische Deputatsmodell auf der Kippe, also die Orientierung an den Unterrichtsstunden.
Das sieht Rackles ähnlich. Aber er sagt auch, wir müssen erst mal messen, um zu gucken, was ist, bevor wir neue Arbeitszeitmodelle in Kraft setzen. Und das ist ein etwas anderer Weg als zuletzt von Frau Aulepp angekündigt. Da hieß es, wir denken uns erst mal ein Arbeitszeitmodell aus und gucken dann, wie wir das mit der Arbeitszeiterfassung irgendwie übereinbringen können. Und diese Reihenfolge gehört umgedreht.
Meinen Sie wirklich, dass der neue Bildungssenator frei von finanziellen Zwängen agieren kann? Akkurate Arbeitszeiterfassung könnte dem System Schule arg zusetzen.
Ich hoffe sehr, dass Herr Rackles nicht auf einmal auf eine ähnliche Linie umschwenkt, sondern dass er bei dem bleibt, was er selbst empfohlen hat.
Erhoffen Sie sich da eine schnellere Umsetzung? Das einjährige Pilotprojekt soll erst im Schuljahr 2026/27 starten, dann ausgewertet werden und dann mal sehen.
Ich könnte mir vorstellen, dass auch er da so ein bisschen auf die Bremse tritt. Es ist ja auch nicht so, dass jetzt noch gar nichts läuft. Es gibt durchaus schon erste, vorsichtige Schritte, die anbahnen sollen, was dann in einem Jahr laut Plan beginnen soll, nämlich das Pilotprojekt. Und auf dieser Schiene müssen wir jetzt beteiligt werden.
Bremen will bei der Arbeitszeiterfassung gern Vorreiter sein, setzt aber gleichzeitig auf ein gemeinsames Vorgehen der Länder.
Bremen macht was Eigenes, und das ist auch richtig so. Gewisse Standards sind für alle Beschäftigten in der Bundesrepublik gleich, aber die konkrete Umsetzung in den verschiedenen Schulformen muss nicht identisch sein. Aber man kann natürlich auch von den anderen Bundesländern lernen. Von Sachsen und Berlin, wo ja auch schon gemessen wurde im Rahmen von Studien.
Aber alles halt gemessenen Schrittes. Ich könnte mir vorstellen, dass das manchem etwas zu lange dauert.
Wichtig ist, dass es überhaupt vorangeht. Wir haben die Beschäftigten aufgefordert, bereits ab diesem Jahr die Arbeitszeit eigenständig zu erfassen. Für die meisten ist es ein Augenöffner, dass sie dann sagen, okay, ich mache schon genug. Ich muss nicht noch eine Aufgabe übernehmen.
Also jetzt mit dem neuen Senator ein Neustart?
Wir müssen ganz schnell in das Gespräch darüber gehen, was jetzt alles angedacht ist an Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen. In der Personalversammlung wird es darum gehen, dagegen ein Zeichen zu setzen und zu sagen, so geht es nicht. Ihr habt jetzt das Maß überschritten. So wie bei der Erhöhung der Arbeitszeit auf 41 Stunden für Beamte und Beamtinnen mit der Übertragung auf tariflich angestellte Lehrkräfte.
Wobei man natürlich immer argumentieren kann, die arbeiten sowieso zu viel. Da ist das nur eine Formalie.
Das ist richtig. Wo nicht gemessen und mutmaßlich zu viel gearbeitet wird, da wird das zunächst nicht zu irgendwelchen Änderungen führen. Das Bildungsressort spart so aber später den Ausgleich von einem Teil der Mehrarbeit.
Darum auch die Erhöhung der Präsenzzeit für Lehrkräfte an den Schulen?
In meinen Augen bringt das nur Schwierigkeiten für alle mit sich, die Präsenzzeit zu erhöhen. Und damit auch in das das individuelle Arbeitsgeschehen einzugreifen. Ein wesentlicher Teil der Arbeit von Lehrkräften findet nun mal zu Hause statt. In der Schule kann man nur sehr schlecht diese Arbeiten durchführen wegen der fehlenden Möglichkeiten.
Weil an den Schulen Büros und Material fehlen?
Genau. Wäre das anders, wäre ich durchaus dafür, dass Lehrkräfte ihre gesamte Arbeit an der Schule erledigen. Dann hätte man nicht mehr das Problem, wie man die Arbeit misst. Die ganzen arbeitsrechtlichen Vorgaben würden sofort eingehalten, weil man einfach weiß, sobald ich den Arbeitsplatz verlasse, endet auch meine Arbeitszeit.
Immerhin macht der Bildungsetat einen beachtlichen Teil des Haushalts aus. Ist das nichts?
Meine Sichtweise ist eher, wie viel fehlt eigentlich noch zu einer auskömmlichen Finanzierung des Bildungssystems? Und da fehlt eine ganze Menge. Frau Aulepp lobt sich dafür, dass sie mehr Lehrkräfte eingestellt und damit die Unterrichtsversorgung verbessert habe. Aber zu welchem Preis? Sie hat die Sollstunden gekürzt, hat also gesagt, ihr kommt jetzt auch mit weniger Förderstunden aus. Das heißt, hier wird Unterricht zu Lasten von Fördermaßnahmen zur Verfügung gestellt. Also, das sind Rechentricks. Und letzten Endes sehe ich nicht die große Verbesserung.
Sondern?
Letzten Endes haben wir eine Situation, dass Bildung in Bremen unterausgestattet ist, und zwar so massiv, dass es jetzt richtig knallt. Die Anfragen beim Personalrat schießen in die Höhe. Diese Personalversammlung hätten wir normalerweise nicht zu diesem frühen Zeitpunkt im Jahr gemacht. Aber wir haben keine andere Möglichkeit gesehen, damit alle die Gelegenheit haben, hier informiert zu werden und ihrem Unmut auszudrücken.
Es soll aber nicht beim Meckern bleiben?
Wir planen einige Beschlüsse auf der Personalversammlung, die wir auch an den Senat und Herrn Bovenschulte weiterreichen wollen. Die Kernforderung bleibt natürlich, dass Bremen für die Aufgaben, die jetzt nun mal da sind, die nötigen Ressourcen zur Verfügung stellt und das kann nicht das Bildungsressort allein erreichen, das kann auch ein Herr Rackles allein nicht erreichen. Da braucht es den gesamten Senat und den Bürgermeister.
Herr Rackles hat ja angekündigt, viel mit den Akteuren reden zu wollen.
Ja, und hoffentlich bleibt es nicht beim Reden, sondern kommt auch zum Handeln. Natürlich wird er erst mal gucken, inwieweit er Einfluss nehmen kann und wo seine Grenzen sind, aber es geht mir auch um eine langfristige Strategie. Selbst wenn jetzt aktuell der Haushalt schwierig ist, kann es ja nicht dabei bleiben. Bremen muss eine Strategie entwickeln, wie die Aufgaben, die das Gemeinwesen zu finanzieren hat, auch ausgestattet werden können. Es ist vielleicht auch eine Debatte über das Steueraufkommen in Bremen nötig. Die Aufgaben sind ja da und der Widerspruch, das mit zu wenig Geldmitteln lösen zu wollen, der lässt sich nicht auflösen, auch von einem Herrn Rackles nicht.
Das Gespräch führte Frank Hethey.