Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Angebot für Senioren Führerschein gegen Fahrkarte: Warum das in Bremen noch nicht klappt

Seit Jahren ist es beschlossen: das Seniorenticket im Tausch gegen den Führerschein. Bis heute kommt das Modell in Bremen nicht in Fahrt – während Bremerhaven längst erfolgreich durchgestartet ist.
27.01.2025, 10:09 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Führerschein gegen Fahrkarte: Warum das in Bremen noch nicht klappt
Von Justus Randt

Die Klimaschutzstrategie der Enquête-Kommission sieht es vor, die Koalitionsvereinbarung ebenso: Bremen soll ein Tauschmodell Führerschein gegen Fahrkarte bekommen. Der CDU-Abgeordnete Michael Jonitz hatte eigentlich in der Januar-Sitzung der Stadtbürgerschaft mit der Behandlung des Themas gerechnet – nachdem seine Fraktion zuletzt im Oktober 2023 beantragt hatte, "endlich" ein Tausch-Ticket zu ermöglichen. Jetzt hofft er auf Februar.

Möglicherweise vergebens, denn die rot-grün-roten Koalitionäre haben trotz grundsätzlicher Zustimmung Vorbehalte dagegen, das in der Schwesterstadt Bremerhaven längst praktizierte Modell zu übernehmen. Angesichts der Millionendefizite der Bremer Straßenbahn AG (BSAG) sei ein Angebot wie das Senioren-Tauschticket "haushaltsmäßig nicht machbar", sagt Anja Schiemann, die verkehrspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion. Außerdem gehe es um den Gleichheitsgrundsatz.

"Es wäre wünschenswert, wenn das 59-Euro-Ticket größere Nachfrage auslösen würde als eine begrenzte Aktion. Man müsste das Angebot auch anderen Gruppen machen", sagt sie. In der Tat sind mehrere Varianten erwogen worden, etwa die Befristung der Fahrkarte auf ein oder zwei Jahre nach dem endgültigen Abgeben des Führerscheins. In Bremerhaven gilt das Tauschticket lebenslang. Würden, wie dort, nur ab 70-Jährige bedacht, entspräche das "tradierten Altersvorstellungen", gibt Anja Schiemann zu bedenken – das könne als positive Diskriminierung aufgefasst werden.

Dem widerspricht nicht nur Michael Jonitz, der den in der Seestadt eingeschlagenen Weg für "genau richtig" hält, weil es für Senioren eine attraktive Alternative zum Autofahren sei. Michael Breidbach, der Vorsitzende der Seniorenvertretung in der Stadtgemeinde Bremen, hält die Forderung nach der Umsetzung des Seestadtmodells in Bremen hoch. "Die Ausweitung auf andere Altersgruppen sehe ich als nachrangig an. Hier geht es doch um den Einstieg in den Umstieg vom Auto in Bus und Bahn."

Soziale Staffelung vermisst

Auch Olaf Zimmer, der seniorenpolitische Sprecher der Links-Fraktion, vermisst am Seniorenticket eine "soziale Staffelung" und die Einbeziehung anderer Gruppen. "Man kann das irgendwie machen, aber das löst nicht das Problem", sagt er. "Prinzipiell sind wir für einen kostenfreien öffentlichen Personennahverkehr." Eine Forderung, die Anja Schiemann teilt. Auch der verkehrspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Ralph Saxe, vermisst die "soziale Komponente", wie er sagt: "Was, wenn auch 50-Jährige gerne eine Belohnung hätten, wenn sie ihren Führerschein beispielsweise aus Umweltgründen abgeben würden?"

Zimmer, Schiemann und Saxe sind sich einig, dass es derzeit keinen finanziellen Spielraum für "ein Projekt zur Abgabe des Führerscheins gegen ein ÖPNV-Ticket auch in Bremen" gibt, wie es im Koalitionsvertrag vorgesehen ist. Saxe: "Da ist uns das Minus bei der BSAG dazwischen geplatzt." Er sei "ein großer Anhänger des Tausch-Modells", sagt er. "Das ist verschoben, aber weiter auf der politischen Agenda."

Hannover hat die Aktion eingestellt

Aus Geldmangel ist zur Jahreswende auch die Aktion "Fahrschein gegen Führerschein" in Hannover nach knapp drei Jahren zu Ende gegangen – sozusagen verschwunden im Haushaltsloch. Von den rund 1,2 Millionen Menschen in der Region Hannover, einschließlich der 548.200 Einwohnerinnen und Einwohner der Hauptstadt, hatten 6600 ihre Fahrlizenz gegen ein Jahresticket für den Verkehrsverbund GVH getauscht. Voraussetzung: Sie mussten mindestens 60 Jahre alt und Ruheständler sein.

Ein Sprecher der Verkehrsbetriebe Üstra hatte 2024, kurz vor dem Aus, noch festgestellt, dass fast die Hälfte der Senioren nach Ablauf der Freifahrkarte Bus und Bahn treu geblieben seien. Diese Spielart des Tauschtickets könnte sich der Grüne Ralph Saxe auch in der 577.026 Einwohner großen Stadt Bremen vorstellen: "Das wäre aber ein unbekannter Mehrertrag", mit dem gerechnet werden müsse.

Kosten stehen in den Sternen

Zunächst aber wäre jährlich "ein hoher sechsstelliger Betrag" an Kosten auf die Stadt zugekommen, sagt Saxe. "Die Verkehrsbehörde hat das errechnet." Zum Ergebnis der Kalkulation war auf Nachfrage keine Auskunft beim Fachressort zu bekommen. Der CDU-Abgeordnete Michael Jonitz schätzt die Summe sogar grob auf 4,5 Millionen Euro pro Jahr, "wenn man das 59-Euro-Ticket als Äquivalent nimmt und von rund 6500 Leuten ausgeht", die den Tausch mitmachen.

Was wirklich an Kosten auf die Stadt zukäme, lässt sich nur raten: Mit Stand von Ende 2022 sind laut Statistischem Bundesamt 21 Prozent der Bremer und 21,8 Prozent der Bremerhavener Bevölkerung älter als 65 Jahre. Laut zentralem Fahrerlaubnisregister des Kraftfahrtbundesamtes haben 293.709 Bremerinnen und Bremer und 63.245 Bremerhavener einen Führerschein. Ihr Alter lässt sich nicht regional aufschlüsseln. Seit die Aktion im April 2023 als Teil des kommunalen Klimapaketes startete, haben laut Magistrat der Stadt 1280 Menschen in Bremerhaven ihren Führerschein eingetauscht. Pro Jahr liegen die Kosten bei etwa 500.000 Euro.

Senioren wollen Bedarf ermitteln

Eine Petition für die "sofortige" Umsetzung eines Führerscheintauschmodells in der Stadt hatte kürzlich nur 20 statt der mindestens 50 Unterzeichner, die es braucht, um ausreichend öffentliches Interesse für eine Anhörung im Petitionsausschuss nachzuweisen, wie dessen Vorsitzender Claas Rohmeyer (CDU) sagt. Nun will die Seniorenvertretung versuchen, den Bedarf zu ermitteln.

Lesen Sie auch

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)