Nach zwei schweren Unfällen innerhalb weniger Tage wird über die Sicherheit im Busreiseverkehr diskutiert. Zunächst war am Mittwoch vor Ostern ein Reisebus des Anbieters Flixbus auf der A 9 bei Leipzig von der Fahrbahn abgekommen. Bei dem Unfall starben vier Menschen, mehr als 30 wurden verletzt. In der Nacht zum Karfreitag kam dann ein doppelstöckiger Reisebus bei Werl von der A 44 ab, nach Polizeiangaben gab es mehr als 20 Verletzte. Ermittlungen zu den Unfällen dauern an. Dabei geht es unter anderem um die Frage, ob die Passagiere angeschnallt waren. Dieses Thema beschäftigt Busunternehmer aus Bremen und Niedersachsen seit vielen Jahren. Sie verweisen auf gesetzliche Vorschriften, appellieren aber auch an die Eigenverantwortung.
Muss man sich im Reisebus anschnallen?
Ja. Seit 1999 gilt in Reisebussen eine Gurt- und Anschnallpflicht. Busse mit älterer Erstzulassung müssen theoretisch nicht nachgerüstet werden – Fahrzeuge dieses Alters und ohne Nachrüstung seien in Deutschland aber so gut wie gar nicht mehr unterwegs, sagt der Bremer Busreiseunternehmer Jörn Frenzel. Obwohl die Anschnallpflicht seit 25 Jahren gilt, ist sie Frenzel zufolge immer noch nicht allen Fahrgästen bekannt. Erlaubt ist es, den Gurt kurzzeitig zu lösen – zum Beispiel für einen Gang zur Toilette.
Was gilt in Linienbussen?
In Bussen, in denen Fahrgäste auch stehend befördert werden dürfen, gilt keine Anschnallpflicht. Das betrifft typischerweise Linienbusse. Diese sind mit geringerer Geschwindigkeit und vornehmlich im Stadtverkehr unterwegs. Auch außerorts gilt laut Kaiser eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 60 Kilometern pro Stunde, wenn stehende Fahrgäste befördert werden.
Wie wird über die Anschnallpflicht informiert?
In Schulungen für die Busfahrer ist die Anschnallpflicht laut Michael Kaiser regelmäßig Thema. "Es wird immer wieder gepredigt, diesen Hinweis zu geben", sagt der Landesgeschäftsführer der Fachvereinigung Omnibus und Touristik, die beim Gesamtverband Verkehrsgewerbe Niedersachsen angesiedelt ist. Seiner Erfahrung nach nehmen die Fahrer diese Pflicht sehr ernst. Auch Frenzel betont, dass mindestens zu Beginn jeder Fahrt über die Anschnallpflicht informiert werde. Teilweise gebe es an den Sitzen auch Kärtchen, die darauf hinwiesen. In Flixbussen sind die Fahrer laut Unternehmenssprecher Sebastian Meyer angewiesen, vor der Abfahrt an jeder Haltestelle auf die Anschnallpflicht hinzuweisen.
Wie wird die Einhaltung kontrolliert?
Die Busunternehmer betonen übereinstimmend, dass eine durchgehende Kontrolle nicht möglich sei. "Man muss auch auf den gesunden Menschenverstand bauen", sagt Frenzel. Bei "schwierigeren Gruppen" weise der Fahrer mitunter wiederholt auf die Anschnallpflicht hin; bei Schulklassen bitte man die Lehrer, darauf zu achten. Grundsätzlich könne der Fahrer aber nicht jeden einzelnen Fahrgast im Auge behalten. Technische Lösungen wie im Pkw seien schwierig umzusetzen beziehungsweise nicht praxistauglich. "Dann kriegt der Fahrer jedes Mal ein Warnsignal, wenn jemand den Gurt löst und zur Toilette geht", sagt Kaiser.
Gibt es externe Kontrollen?
Dass die Polizei die Anschnallpflicht kontrolliert, kommt nach Aussage der Busunternehmer kaum vor – vor allem wegen geringer Erfolgsaussichten. Von außen lässt sich demnach kaum einsehen, ob die Beckengurte angelegt sind. Bis die Polizei den Bus betrete, habe jeder Fahrgast schnell seinen Gurt angelegt.
Wer haftet bei einem Unfall?
Fahrgäste, die nicht angeschnallt sind und sich bei einem Unfall verletzen, müssen unter Umständen mithaften. Ein entsprechendes Urteil hat das Oberlandesgericht Hamm 2012 gefällt. Eine Frau hatte sich einen Lendenwirbel gebrochen, als der Reisebus zu schnell über einen Bahnübergang gefahren war – zwar sprach ihr das Gericht 100.000 Euro Schmerzensgeld zu, kürzte den Schadensersatz aber um 30 Prozent, weil die Frau nicht angeschnallt war.
Wie sicher sind Reisebusse?
Der Unfallstatistik zufolge sind Busse vergleichsweise selten in Verkehrsunfälle mit Personenschaden involviert. Das betonen auch die Busunternehmer aus Bremen und Niedersachsen. Unfälle ließen sich nie ganz ausschließen und "wenn was passiert, dann ist es meistens schlimmer", sagt Frenzel – statistisch sei man im Reisebus jedoch sehr sicher unterwegs. In Deutschland gebe es höchste Sicherheitsstandards, die Fahrzeuge seien mit modernster Technik ausgestattet. Einen schlimmen Unfall habe es bei Frenzel Reisen in 56 Jahren glücklicherweise noch nicht gegeben.