Ungewohnte Gäste werden an diesem Dienstag im Rathaus erwartet. Spitzenvertreter der CDU sind für den Nachmittag zu einem Sondierungsgespräch über Auswege aus der Haushaltskrise eingeladen. Es geht um Probleme, die sich größtenteils aus dem Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts zur Finanzpolitik ergeben haben – aber nicht ausschließlich. Die Karlsruher Richter hatten im November klargestellt: Mehrjährige Kredittöpfe, aus denen beispielsweise Maßnahmen gegen den Klimawandel finanziert werden, sind unzulässig. Solche "Schulden auf Vorrat" verstoßen gegen das Budgetrecht des Parlaments.
Der 2,5 Milliarden Euro umfassende, schuldenfinanzierte Klimafonds, den die Bürgerschaft im Frühjahr 2023 mit rot-grün-roter Mehrheit beschlossen hatte, war damit hinfällig. Er hatte einen zeitlichen Rahmen bis 2027, verstieß also gegen das Gebot der Jährlichkeit von Haushalten. Der Fonds wurde deshalb noch Ende 2023 von der Bürgerschaft eilig zurückgezogen.
Woher soll aber nun das Geld für Klimaprojekte kommen, über deren Notwendigkeit im Grundsatz ja Einigkeit besteht? Schließlich hatte auch die CDU 2021 an der Klima-Enquetekommission der Bürgerschaft mitgewirkt und gemeinsam mit Rot-Grün-Rot den Weg in Richtung Bremer Klimaneutralität beschritten. Klar ist gegenwärtig nur, dass die notwendigen Milliarden für die energetische Sanierung öffentlicher Gebäude, den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs und die klimaneutrale Umrüstung emissionsstarker Industriebetriebe nicht aus dem normalen Bremer Haushalt bezahlt werden können. Dazu sind die Spielräume in diesem Zahlenwerk viel zu eng.
Auch ohne die zusätzlichen Kosten für Klimaschutzprojekte hat Finanzsenator Björn Fecker (Grüne) erhebliche Probleme, einen verfassungskonformen Haushalt für 2024/25 vorzulegen. Stichworte sind die weiter steigenden Sozialausgaben, das übliche Defizit des städtischen Klinikkonzerns Gesundheit Nord und die tiefroten Zahlen der BSAG. Das Haushaltsloch summiert sich auf deutlich dreistellige Millionenbeträge.
Koalition will Klage vorbeugen
Die rot-grün-rote Regierung könnte versuchen, das Problem so zu lösen, wie sie es seit Beginn der Corona-Krise jedes Jahr getan hat – indem sie nämlich mit einfacher Parlamentsmehrheit eine außergewöhnliche Notlage ausruft. Dies würde ihr gestatten, trotz Schuldenbremse Kredite aufzunehmen. Angedacht ist das auch. Die inhaltliche Begründung könnte wie schon 2023 auf eine Mischung aus Klimakrise und Folgen der Ukraine- und Energiekrise hinauslaufen. Allerdings gibt es rechtliche Risiken. Die CDU könnte vor dem Staatsgerichtshof gegen einen weiteren Notlagenhaushalt vorgehen. Sie hat in der Bürgerschaft genügend Mandate, um dort klageberechtigt zu sein.
Ein weiteres finanzpolitisches Debakel wie bei der Rückabwicklung des Klimafonds möchte die Koalition natürlich vermeiden. Um einer CDU-Klage vorzubeugen, macht ein Dialog aus Sicht des Rathauses also Sinn. Die grundsätzliche Fragestellung des bevorstehenden Finanzgipfels lautet: Welche gemeinsamen Schritte sind möglich, um sowohl Geld für aktive Klimapolitik als auch zur Bewältigung der aktuellen Haushaltsprobleme locker zu machen?
Was die Klimapolitik angeht, hatten die Christdemokraten bereits im Mai 2022 einen Vorschlag auf den Tisch gelegt. Ihnen schwebt eine von der landeseigenen Bremer Aufbau-Bank ausgegebene Klima-Anleihe vor. Gegen eine entsprechende Rendite könnte sie von Bremer Bürgern und später auch von Großanlegern gezeichnet werden. Das eingenommene Kapital stünde dann für Klimaschutzprojekte zur Verfügung. Die Koalitionsparteien hatten dieses Modell vor zwei Jahren als untauglich verworfen. Inzwischen gilt allerdings als ausgemacht: Sollte die CDU auf anderen Gebieten der Finanzpolitik Zugeständnisse machen, würde man ihr die Klimaanleihe wohl zugestehen.
Die CDU ihrerseits ist sich darüber im Klaren, dass sie sich keine komplette Verweigerungshaltung leisten kann. Das betrifft zumindest die Finanzierung der rund 300 Millionen Euro, die Bremen zur umweltgerechten Umrüstung der Stahlwerke als öffentlichen Zuschuss beisteuern muss. Auch dieser Betrag ist zu groß, um aus dem regulären Haushalt gestemmt zu werden. Irgendein alternatives Finanzierungsinstrument wird man finden müssen. Falls nicht, wäre aus Sicht der Koalition ein Schuldiger schnell gefunden: die CDU. Sie hätte die Stahlwerke vor die Hunde gehen lassen.
Es ist also eine komplizierte Gemengelage, die am Dienstag im Rathaus sortiert werden muss. Erschwert werden die Gespräche durch das belastete Verhältnis zwischen der CDU und Teilen der Koalition. Für das Regierungsbündnis werden neben Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) auch Finanzsenator Fecker sowie Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Linke) am Tisch sitzen. Mit Fecker und auch Vogt kommen die CDU-Häuptlinge einigermaßen klar. Mit Bovenschulte und der SPD kaum. Die Christdemokraten trauen dem Bürgermeister nicht über den Weg. Man kann von einem regelrechten Trauma sprechen, das noch aus der Zeit der Sondierungsgespräche nach der Bürgerschaftswahl im Mai 2023 herrührt.
Kette von Enttäuschungen
Es gibt da eine schöne Anekdote, die verbürgt ist. Spitzenvertreter von Sozial- und Christdemokraten trafen sich damals, um hinter verschlossenen Türen Möglichkeiten einer Zusammenarbeit auszuloten. Die eingeladenen CDU-Leute fanden schon den Rahmen der Zusammenkunft befremdlich. Die SPD-Verhandlungsdelegation hatte in einem Nebenraum ein Büffet aufgebaut, an dem sich ihre Mitglieder zwischendurch labten. Für die CDU gab's nur Getränke. Beim eigentlichen Gespräch schlugen die Sozialdemokraten dann einen unangemessenen Tribunalton an – so empfanden es wenigstens die Christdemokraten. Nach dem Treffen dachten die CDU-Leute: Okay, wir sind raus. Die Sozis planen sowieso nicht mit uns, sie wollen die rot-grün-rote Koalition um jeden Preis weiterführen. Umso überraschter waren sie, als sie dann wenige Tage später plötzlich ins Rathaus gerufen wurden. Bovenschulte und zwei weitere Spitzengenossen befragten die Christdemokraten in kleiner Runde, wie sie sich eine Regierungsbeteiligung vorstellen würden. Auch von konkreten Ressortzuschnitten war dabei die Rede. Die CDU-Leute verließen das Rathaus in der Erwartung, schon bald Teil einer großen Koalition zu sein – nur um wenige Tage später zu erfahren, dass Bovenschulte letztlich zu Rot-Grün-Rot zurückgeschwenkt war.
Die Erfahrungen aus dem Frühjahr 2023 haben das Verhältnis der Bremer CDU-Spitzen zum Bürgermeister nachhaltig geprägt. Sie sehen in Andreas Bovenschulte jemanden, der sie über den Tisch ziehen will. Ob das der Realität entspricht oder nicht, kann dahingestellt bleiben – es ist jedenfalls die subjektive Wahrnehmung, die das Gesprächsklima an diesem Dienstag beeinflussen dürfte. Was auf solchem Boden gedeihen kann, wird sich zeigen.