Monatelang stand sie als Ankündigung im Raum, jetzt kommt sie: die Klage der CDU-Bürgerschaftsfraktion gegen den Bremer Haushalt 2024. Voraussichtlich am kommenden Montag werden die Christdemokraten das Normenkontrollverfahren – wie es im Juristendeutsch heißt – vor dem Staatsgerichtshof der Freien Hansestadt Bremen in Gang setzen. Die Richter müssen dann darüber entscheiden, ob das von der Bürgerschaft im Juni beschlossene Haushaltsgesetz verfassungskonform ist oder ob es wegen Verstößen gegen die Schuldenbremse in der Landesverfassung für nichtig erklärt wird. Die Klageschrift, die von Professor Christoph Gröpl von der Universität des Saarlandes verfasst wurde, liegt dem WESER-KURIER vor.
Was kennzeichnet den Haushalt 2024?
Die von der Bürgerschaft beschlossenen Haushalte für Land und Stadt sehen im Land Ausgaben von rund 6,3 Milliarden, in der Stadt von circa 4,3 Milliarden Euro vor. Insgesamt rund 1,3 Milliarden Euro sind kreditfinanziert. Gut die Hälfte dieser Schulden wurde durch eine Notlagenerklärung des Parlaments ermöglicht. Dies ist ein Instrument, um von der Schuldenbremse in der Landesverfassung (Artikel 131a) abzuweichen. Sie untersagt im Grundsatz, Haushaltsdefizite mit Krediten abzudecken. Denn eigentlich müssen Einnahmen und Ausgaben des Budgets ausgeglichen sein.
Was moniert die CDU?
In der Klageschrift bringt der Prozessvertreter der CDU zweierlei vor. Zum einen bestreitet er, dass die von Senat und Bürgerschaftsmehrheit behauptete "außergewöhnliche Notsituation" im Sinne der Landesverfassung vorgelegen hat. Konkret argumentierte der Senat im Frühjahr, es bestünden "ineinander verschränkte Krisenentwicklungen", die zu einer solchen Notlage geführt hätten und nun schuldenfinanzierte Gegenmaßnahmen erforderten. Genannt wurden die Folgen des Ukraine-Krieges, Nachwirkungen der Corona-Pandemie, der Klimawandel und die Energiekrise.
In allen vier Punkten verneint Professor Gröpl die "außergewöhnliche Notsituation". Beispiel: Energiekrise. Unter Berufung auf Daten des Statistischen Bundesamtes argumentiert Gröpl, dass die nach dem Ausbruch des Ukrainekriegs zunächst stark angestiegenen Energiepreise im laufenden Jahr "weitgehend wieder auf ein vertretbares Niveau zurückgegangen" seien. "Daher kann im Jahr 2024 keine Rede mehr von deutlich übersteigerten Energiepreisen für Strom und Gas sein, die zu erheblichen Mehrbelastungen für Bürger, für Unternehmen sowie für die öffentlichen Haushalte führen", liest man in der Klageschrift.
Weiteres Beispiel: der Klimawandel. Dieser sei keineswegs ein kurzfristig eingetretenes, schockartiges Ereignis. Christoph Gröpl: "Stattdessen wird der Klimawandel als ,gewöhnliche' Situation anzusehen sein, mit der die Gesellschaft und die (Haushalts-)Politik in den kommenden Jahrzehnten umgehen müssen." Nach Einschätzung des CDU-Prozessvertreters haben Senat und Bürgerschaftsmehrheit außerdem versäumt, den "sachlichen Veranlassungszusammenhang" zwischen der behaupteten Notsituation und der Kreditaufnahme im Einzelfall darzulegen. Eine ganze Reihe kreditfinanzierter Maßnahmen hätten mit der Überwindung "außergewöhnlicher Notsituationen" schlicht nichts zu tun – etwa der Verlustausgleich für den Klinikverbund Geno und die Bremer Straßenbahn AG, die Beschaffung neuer Gefangenentransporter für die JVA Oslebshausen sowie energetische Gebäudesanierungen.
Welche Rolle spielt das Stahlwerk?
Bestandteil des Haushaltes 2024 ist auch ein kreditfinanzierter Sondertopf für Maßnahmen zur klimagerechten Transformation der Wirtschaft. Der Löwenanteil – rund 250 Millionen Euro – soll Bundeshilfen für die CO2-neutrale Umstellung der Produktion im Stahlwerk von Arcelor-Mittal ergänzen. Dieses Thema spart die Klageschrift ausdrücklich aus. Tatsächlich hatte sich die CDU im März mit der rot-grün-roten Koalition darauf geeinigt, dass eine Kreditaufnahme zugunsten der Stahlwerke in Ordnung sei, um den Stahl-Standort Bremen langfristig zu sichern. Seit die CDU im Sommer Professor Gröpl mit der rechtlichen Prüfung des Haushalts 2024 beauftragt hat, betont sie, dass eine mögliche Klage die Arcelor-Hilfen nicht infrage stelle. Die Koalition sieht das anders.
Wie geht es jetzt weiter?
CDU-Fraktionschef Frank Imhoff wollte sich am Freitag gegenüber dem WESER-KURIER noch nicht zu dem Vorgang äußern. Er verwies auf die Fraktionssitzung am kommenden Montag. Sollten die Christdemokraten die Klage dann beschließen und einreichen, woran niemand zweifelt, würde der Staatsgerichtshof das Normenkontrollverfahren starten. An Bremens höchstem Gericht sind aktuell mehrere andere Klagen anhängig. Es ist stark ausgelastet. Mit einem Beschluss wäre sicher nicht vor Herbst 2025 zu rechnen. Ein Erfolg der CDU hätte zu diesem Zeitpunkt kaum noch praktische Folgen, weil der Haushalt 2024 dann längst vollzogen sein wird. Ausgegebene Mittel sind nicht rückholbar. Gäbe der Staatsgerichtshof der CDU-Klage statt, hätte das eher politische Folgen. Es wäre ein Scherbengericht über die Haushaltspolitik der Koalition.