Die Lücke an Pflegefachkräften in Krankenhäusern wird immer größer: Auch in Bremen setzen Kliniken daher zunehmend auf Personal aus dem Ausland. Die Zahl der Bewerber steigt, allerdings müssen alle Beteiligten einen langen Atem haben. Ausländische Pflegekräfte brauchen in Deutschland die Anerkennung ihres Berufsabschlusses.
Eine von ihnen ist Mirsad Bajramovic, der Krankenpfleger ist 2016 aus Bosnien-Herzegowina nach Bremen gekommen. Mehr als zwei Jahre hat es vom Erstkontakt bis zur Anerkennung gedauert. Keine Seltenheit, sondern die Regel, beklagen Kliniken. „Das Verfahren ist schon ziemlich kompliziert und aufwendig, schließlich lohnt es sich aber“, sagt Bajramovic, der heute als Pflegebereichsleiter im Diako-Krankenhaus arbeitet.
Wie viele Pflegekräfte aus dem Ausland bewerben sich in Bremen?
„Die Zahl der Anträge ist stark gestiegen“, berichtet Diana Schlee, Pressereferentin im Gesundheitsressort. Von 2019 bis 2023 hat sich die Zahl fast vervierfacht – von 83 auf 232 Anträge. Bis Anfang März dieses Jahres seien fast 50 Anträge eingegangen. Die Anträge stammen fast zu 100 Prozent aus Drittländern, aus Tunesien und Indien, gefolgt von Libanon, Philippinen und Vietnam.
Wie ist der Weg der Anerkennung?
Das Verfahren wird im Herkunftsland gestartet: Es beginnt mit dem Antrag auf das Visum, für das ein Arbeitsvertrag sowie ein Bescheid der deutschen Anerkennungsbehörde vorliegen müssen. Dieser vergleicht die deutsche Pflegeausbildung mit der im Herkunftsland und legt fest, welche Anteile in Deutschland in Kursen nachgeholt werden müssen. Erforderlich sind zudem beglaubigte und übersetzte Unterlagen sowie ein Sprachzertifikat, das im Herkunftsland erlangt werden muss. Abschlüsse von Pflegekräften aus dem EU-Ausland werden in der Regel ohne Gleichwertigkeitsprüfung anerkannt.
Wie lange dauert es?
441 Tage waren es im Jahr 2020 im Schnitt, bis eine Pflegefachkraft den endgültigen Bescheid bekommen hat. Dies hat eine Analyse des Bundesinstituts für Berufsausbildung ergeben. Mit Rekrutierung und Anerkennung seien mehrere Behörden in den Herkunftsländern und in Deutschland befasst. „Man ist also davon abhängig, wann Anträge, Visa, Bescheide vorliegen oder wann später auch ein Platz im Anerkennungsverfahren frei ist“, erklärt Timo Sczuplinski, Sprecher des Klinikverbundes Gesundheit Nord. Der Aufwand sei hoch. „Vom Erstkontakt bis zu Beantragung der deutschen Berufsurkunde dauert es im Mittel etwa 24 Monate.“ Bis zur Anerkennung würden die Bewerber als Pflegehelfer zusätzlich auf den Stationen eingesetzt und eingearbeitet.
Wie groß ist die Personalnot in den Kliniken?
„Für die nahe Zukunft sehen die Kliniken schwarz“, heißt es in einer aktuellen Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BDO und des Deutschen Krankenhausinstituts. Demnach fehlen in fast jedem Krankenhaus (94 Prozent) Pflegekräfte auf Allgemeinstationen, etwa acht Prozent der Vollkraftstellen seien unbesetzt. Auf Intensivstationen hätten fast drei Viertel der Häuser Probleme, offene Pflegestellen zu besetzen, mehr als jede zehnte Stelle (zwölf Prozent) bleibe unbesetzt.
Wie ist die Lage in Bremen?
Der Personalmangel führe schon jetzt dazu, dass Kliniken und Pflegeeinrichtungen ihr Leistungsangebot reduzieren müssten, ist in einer Anfrage von SPD, Grünen und Linken von Anfang März zu lesen. Die Lage werde sich verschärfen, da die Zahl pflegebedürftiger Menschen zunehme, gleichzeitig viele Pflegekräfte altersbedingt ausscheiden. Von 2019 bis 2030 steige der Bedarf im Land Bremen um etwa 700 Personen, dies sei ein Anstieg um sieben Prozent. „Diese Annahmen sind noch optimistisch, denn die derzeit bereits bestehende Personallücke ist in den Bedarfsprognosen nicht berücksichtigt“, heißt es in dem Papier. Große Sorgen bereitet die Situation in der Pflege-Ausbildung.
Werden genug Pflegekräfte ausgebildet?
Deutschlandweit haben im Jahr 2022 laut Statistischem Bundesamt 4100 Menschen weniger als im Vorjahr einen Pflege-Ausbildungsvertrag abgeschlossen – ein Rückgang um sieben Prozent. In Bremen fällt das Minus mit neun Prozent deutlicher aus, die Zahl ist von 513 auf 456 neu abgeschlossene Ausbildungsverträge gesunken. In Niedersachsen beträgt das Minus acht Prozent, ein Rückgang von 5643 auf 5199 Neuabschlüsse. Und: Fast jede dritte angehende Pflegefachkraft (30 Prozent) in Bremen hat zuletzt die Ausbildung abgebrochen.
Können die Engpässe mit Fachkräften aus dem Ausland aufgegangen werden?
"Ausländische Fachkräfte sind ein Baustein, der dabei hilft, diesen Fachkräftemangel auszugleichen, allerdings lässt er sich damit nicht beseitigen", betont Behördenreferentin Schlee mit.