Die neue rot-grün-rote Landesregierung ist noch gar nicht im Amt, sieht sich aber schon vielen Erwartungen ausgesetzt. Zahlreiche Verbände und Institutionen haben vor und seit Beginn der Koalitionsverhandlungen Positionspapiere an SPD, Grüne und Linke geschickt. Was die Verfasser sich erhoffen, ist klar: Berücksichtigung ihrer Standpunkte in den laufenden Gesprächen, besser noch im Koalitionsvertrag, der bis Ende des Monats ausgearbeitet sein soll.
Ob und in welcher Form auf die Appelle eingegangen wird, lässt SPD-Landeschef Reinhold Wetjen offen. SPD, Grüne und Linke haben zu insgesamt zehn politischen Themenfeldern Facharbeitskreise eingerichtet. Diese Gremien erarbeiten gerade die Grundlagen für den Koalitionsvertrag. "Wir geben die Schreiben, die uns erreichen, an die Obleute in den Arbeitskreisen weiter", so Wetjen. Hier eine kleine Auswahl der Forderungen, mit denen die Spitzen von Rot-Grün-Rot konfrontiert sind:
Handwerkskammer:
Die Interessenvertretung der gut 5500 Handwerksbetriebe im Land Bremen erwartet vom Senat vor allem konkrete Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel. Dazu müssten schon in den Schulen konkrete Maßnahmen ergriffen werden. Genannt wird unter anderem ein Ausbau der Berufsorientierung, etwa in Form betrieblicher Schülerpraktika in den beiden Jahrgängen vor dem jeweiligen Abschlussjahr. Erforderlich ist aus Sicht der Kammer auch die Unterstützung leistungsschwächerer Azubis, unter anderem durch fachbezogenen Sprachunterricht und sozialpädagogische Unterstützung. Die Kammer erneuert in ihrer Stellungnahme auch ihr Nein zum bereits beschlossenen umlagefinanzierten Ausbildungsfonds. Er werde von den Betrieben "fast einhellig abgelehnt".
Zentralelternbeirat:
Angesichts des Zustands des Bremer Bildungssystems blicke man "mit größter Sorge auf die gegenwärtigen Koalitionsverhandlungen", heißt es in einer Stellungnahme des Zentralelternbeirates (ZEB). Aus seiner Sicht müssen die Pro-Kopf-Ausgaben für die Schüler im Land Bremen auf das Niveau Berlins und Hamburgs angehoben werden, was jährliche Mehrausgaben im dreistelligen Millionenbereich verursachen würde. Sofortmaßnahmen sind für den ZEB bei der Personalausstattung an den Schulen erforderlich. "Hierzu gehört, dass im Rahmen des beamtenrechtlich Möglichen und Zulässigen Personal an Schulen in besonders prekärer Lage abgeordnet wird, um die größte Not dort zu bekämpfen", fordern die Elternvertreter.
Gewerkschaft Verdi:
Der wohl umfangreichste Forderungskatalog an Rot-Grün-Rot stammt von der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi. Sie hat Papiere zu einem ganzen Strauß von Themen erarbeitet, vom Kliniksektor über den Wissenschaftsstandort bis zur Kita-Versorgung. So verlangt Verdi unter anderem eine vollständige Umsetzung des Wissenschaftsplans 2025. Er steht für einen ehrgeizigen Ausbau der Hochschullandschaft in Bremen und Bremerhaven. Bei der Neuordnung der Kliniklandschaft mahnt Verdi einen "Diskussionsprozess mit Interessenvertretungen und Gewerkschaften" an. "Auf dieser Grundlage muss ein neuer Plan für die Gesundheitsversorgung in Bremen geschaffen werden, bevor durch Schließungen vollendete und eventuell unumkehrbare Tatsachen geschaffen werden", heißt es in dem Papier.
IG Airportstadt:
Auch Lobby-Organisationen wie die Interessengemeinschaft Airportstadt melden sich zu Wort. Sie vertritt die Belange von rund 500 Firmen aus dem Umfeld des Flughafens und plädiert dafür, "die Erfolgsgeschichte des zukunftsweisenden Wirtschafts- und Wissenschaftsstandorts zu einem Modellquartier 'Airportstadt 2.0' weiterzuentwickeln". Gefragt sei unter anderem ein Konzept für die Energieinfrastruktur des Gebietes. Die Interessengemeinschaft fordert zudem eine gesicherte langfristige Perspektive für den Verkehrsflughafen Bremen.
Entwicklungspolitisches Netzwerk:
Die Verhandlungsgruppen von Rot-Grün-Rot erreicht auch Post von Gruppierungen, die selbst unter politischen Insidern nicht jedem bekannt sind. Ein Beispiel ist das "Bremer entwicklungspolitische Netzwerk", eine Art Dachverband von rund 30 Vereinen und Initiativen, die sich für globale Gerechtigkeit einsetzen. Eine der Anregungen des Netzwerks: Bremen soll prüfen, ob klimapolitische Investitionen des Bundeslandes nicht auch in den globalen Süden fließen könnten, wo sie möglicherweise größere Wirkung entfalten. Begründung: "Dem Klimawandel ist es egal, wo auf der Welt CO2-Einsparungen vorgenommen werden."