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Bremer Koalitionsverhandlungen Rot-Grün-Rot setzt auf Abschottung

Die Berliner Ampelparteien haben es 2021 vorgemacht: Auch in Bremen finden die Koalitionsgespräche seit dieser Woche unter völligem Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Keine gute Idee, meint Jürgen Theiner.
02.06.2023, 20:23 Uhr
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Rot-Grün-Rot setzt auf Abschottung
Von Jürgen Theiner

Wie viel darf die Öffentlichkeit über die am Dienstag gestarteten Bremer Koalitionsgespräche erfahren? Gar nichts, wenn es nach den Parteistrategen geht, vor allem den sozialdemokratischen. Schon im Februar – also Monate vor der Bürgerschaftswahl – schwärmte SPD-Landesgeschäftsführer Roland Pahl von der Aussicht, die Verhandlungen diesmal so zu führen, wie es 2021 im Bund von den Ampel-Parteien vorexerziert wurde, nämlich unter völligem Ausschluss der Medien. Über Inhalte drang seinerzeit für Berliner Verhältnisse erstaunlich wenig nach draußen.

So soll es nun also auch in Bremen laufen. Als in dieser Woche die Gespräche in großer Runde begannen, hatte die SPD noch zu "Auftaktbildern" eingeladen. Journalistisch gab es dort nichts zu holen. Das Aufregendste war noch die Eingangsbemerkung des SPD-Landesvorsitzenden Reinhold Wetjen, er bedauere, dass die Tischreihen für die Vertreter von SPD, Grünen und Linken nicht dreieckig angeordnet werden konnten. Nun ja.

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In den nächsten Tagen werden erst einmal kleine Facharbeitsgruppen zu einzelnen Themen wie Wirtschaft, Verkehr oder Bildung tagen. Sie sollen den gemeinsamen Kurs für die nächsten vier Jahre abstecken und entsprechende Arbeitspapiere an die große Runde der drei Verhandlungsdelegationen liefern. Dort werden die Ergebnisse dann entweder absegnet, oder man sucht nach Kompromissen. 2019, als die gleichen drei Parteien erstmals über ein Regierungsbündnis verhandelten, war die Struktur die gleiche. Der Unterschied: Nach den großen Runden gab es immer wieder Pressegespräche, bei denen über den Gang der Dinge berichtet wurde. So wurde für die Öffentlichkeit deutlich, wo es flutscht und wo es hakt. Ein Mindestmaß an Transparenz war gewährleistet.

Das ist nun ausdrücklich unerwünscht. Nicht einmal die Zeitpläne für die einzelnen Tagungsrunden mochten die Parteizentralen herausrücken. Erst wenn der Koalitionsvertrag fix und fertig ausformuliert ist, die Senatsressorts neu zurechtgeschneidert und alle Posten vergeben sind, wollen Sozialdemokraten, Grüne und Linke vor die Mikrofone treten und sich für das große Werk feiern. Was davor passiert ist, so ihre  Überzeugung, gehe niemanden etwas an.

Doch, das tut es. Bis Ende Juni sollen die Weichen gestellt werden für die Entwicklung Bremens und Bremerhavens in den kommenden vier Jahren. Was jetzt in den Koalitionsvertrag hineingeschrieben wird, ist konkretes Regierungsprogramm für den nächsten Senat. Das betrifft die komplette politische Palette und nicht zuletzt diejenigen Themen, über die es in der alten Koalition immer wieder Streit gab. Etwa das Tempo der Verkehrswende samt aufgesetztem Parken oder den Komplex Innere Sicherheit. Da wäre es für die Wähler, die SPD, Grüne und Linke am 14. Mai mit einem Mandat ausgestattet haben, schon interessant zu erfahren, wie sich die Bemühungen um gemeinsame Positionen gestalten.

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Natürlich können Koalitionsverhandlungen nicht durchgängig im Scheinwerferlicht der Medien stattfinden. Das erwartet auch niemand. Politik braucht gelegentlich Rückzugsräume, in denen Kompromisse ausgelotet werden können, ohne dass ungesicherte Zwischenstände sofort öffentlich seziert und damit möglicherweise zunichtegemacht werden. Auf der anderen Seite besteht ein berechtigtes Interesse der Öffentlichkeit und der Medien als Informationsvermittler, zumindest über erreichte Etappenziele ins Bild gesetzt zu werden, über Klima und Tempo der Verhandlungen. Es geht also letztlich um Balance zwischen  widerstreitenden Ansprüchen. Doch in Bremen haben die politischen Akteure – wie schon in Berlin 2021 – dieser Balance eine entschiedene Absage erteilt. Das zeugt von Hochmut.

Vielleicht sollten sich SPD, Grüne und Linke in Bremen die Frage stellen, ob die Geheimniskrämerei der Ampel-Parteien im Bund wenigstens zu besseren Ergebnissen geführt hat. Zu einem soliden Koalitionsvertrag, der Verbindlichkeit schafft und späteren Streitereien im Regierungsalltag den Boden entzieht. Hat das in Berlin geklappt? Falls nein: Man kann daraus lernen. Abschottung ist kein Erfolgsrezept.

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