Die neue rot-grün-rote Regierung in Bremen hat laut Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) bei den Koalitionsverhandlungen eine sachgerechte Aufteilung der Ressorts in den Mittelpunkt gestellt. Das sagte Bovenschulte am Montagvormittag bei einer Pressekonferenz im Kwadrat der Werkstatt Bremen zum Koalitionsvertrag. Kernstücke der Regierungskoalition sind ihm zufolge die Themen Arbeit und Soziales. Vor dem Hintergrund, dass sich in Zeiten enormen Wandels viele Menschen überfordert fühlten, komme es darauf an, "den Wandel sicher, ökologisch und sozialverträglich zu gestalten".
Wie berichtet, wird künftig etwa der Fachbereich Wissenschaft zu Klima und Umwelt gezählt, Pflege gehört künftig zum Gesundheitsressort und dem Wirtschaftsressort sollen die Häfen zugeschlagen werden. Zur personellen Verteilung der Ressorts hielt sich Bovenschulte noch bedeckt – und verwies darauf, dass die SPD diese am Donnerstag verkünden werde. Wer den Fachbereich Bau, Stadtentwicklung und Verkehr besetzen wird, ist noch unklar.
"Der Koalitionsvertrag atmet den Geist pragmatischer Politik", sagte die Grüne Landesvorstandssprecherin Alexandra Werwath, die demnach gemeinsame Ziele vor allem bei den Themen Kindertagesstätten und Klimaschutz sieht. In Sachen Klimaneutralität bis 2038 rückt die neue Koalition offenbar vom bisherigen Vorgehen ab. "An der Verkehrswende werden wir festhalten, uns dabei aber am Machbaren orientieren", sagte Werwath. Mit Björn Fecker werde ein erfahrener Haushaltspolitiker zum Finanzsenator. Kathrin Moosdorf als neue Senatorin für Umwelt, Klima und Wissenschaft sei eine Personalie mit Führungserfahrung und gutem Netzwerk.
Von "echtem Teamgeist" sprach die alte und neue Linke Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt. Den Strukturwandel in der Gesellschaft gelte es bei politischen Entscheidungen zu berücksichtigen, etwa in Sachen Digitalisierung und Energiewende. Bei der Wärmewende müssten sozialverträgliche Antworten gefunden werden, etwa durch den Einsatz von Nah- und Fernwärme.
Bremerhaven profitiere in der nächsten Legislaturperiode enorm, sagte Oberbürgermeister Melf Grantz (SPD). Er lobte die Investition in die Sanierung der Hafeninfrastruktur, Projekte zur Energiewende wie den Energy Port sowie Pläne zum Ausbau des Werftquartiers.
Reaktionen der Opposition
Einen "mutlosen und realitätsfernen Wunschzettel" nannte der Vorsitzende der CDU-Bürgerschaftsfraktion, Frank Imhoff, den Koalitionsvertrag. Statt den Bürgern Versprechungen zu machen und neue Schulden aufzunehmen, wäre ihm zufolge ein Aufbruch in der Bildungspolitik notwendig gewesen, etwa durch verpflichtende Sprachförderung in einer Vorschule. Die neue Koalition habe es zudem versäumt, ein Digitalressort einzurichten, ergänzte die CDU-Vizefraktionsvorsitzende Wiebke Winter.
Die Vereinbarung sei "unkonkret und in vielen Punkten realitätsfern", sagte Jan Timke, Vorsitzender der Bürgerschaftsfraktion von Bündnis Deutschland. So sei die personelle Aufstockung bei der Polizei und beim Lehrpersonal an Schulen wegen des Fachkräftemangels nicht umsetzbar. Zudem sei unklar, wie das "chronisch klamme Bremen" dies finanzieren solle.
Ins gleiche Horn stieß der FDP-Fraktionsvorsitzenden Thore Schäck, der die Aussetzung der Schuldenbremse als "finanzpolitisches Hara-Kiri" bezeichnete: "Dass Bremen ein Haushaltsnotlageland ist, wird einfach ignoriert."
Azad Kour von der Grünen Jugend begrüßte die Ankündigung, über Kredite mehr Investitionen zu ermöglichen sowie das Festhalten an den Klimazielen. "Bei der Verkehrswende bleibt der Vertrag zu unkonkret", so Kour.
Der Präses der Handelskammer Bremen, Eduard Dubbers-Albrecht, begrüßte eine "stärker auf die ökonomische Entwicklung angelegte Politik", was sich etwa in einem Sofortprogramm für Gewerbeflächen zeige. Er kritisierte die Ausweitung des öffentlichen Eigentums an städtebaulich zentralen Flächen und Immobilien als "wachsende staatliche Einflussnahme". In der Bildungspolitik ist ihm zufolge der Leistungsgedanke gefragt – und keine Ausbildungsumlage.
Auch der Verein der Familienunternehmer zeigte sich enttäuscht über das Festhalten an der Ausbildungsabgabe. Die Übernahme des Verkehrsressorts durch die SPD lasse auf mehr Pragmatismus hoffen. Gebraucht werde eine "Anti-Staupolitik, die Pendler und den Wirtschaftsverkehr in den Blick nimmt", so der Landesvorsitzende Peter Bollhagen.
Positiv hob der Bremer DGB-Vorsitzende Ernesto Harder den Ausbau der Kinderbetreuung in unterversorgten Stadtteilen hervor. Nicht so glücklich ist Harder zufolge die Zusammenlegung der beiden zentralen Ressorts Soziales und Arbeit.
Die Chance, den Taser-Einsatz für Streifenpolizisten zuzulassen und somit bedrohliche Situationen unblutig zu beenden, habe die Politik verpasst, hieß es vom Landesverband der Deutschen Polizeigewerkschaft. Den Einsatz von Tasern zusätzlich zum SEK auf die Unterstützungs- und Eingreifgruppe auszuweiten, wie es der Koalitionsvertrag vorsieht, sei ein "fauler Kompromiss".
+++Hinweis: Dieser Artikel wurde am 26. Juni 2023 um 17.58 Uhr aktualisiert.+++