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Koalitionsvertrag steht Was Rot-Grün-Rot mit Bremen vorhat

In Bremen haben sich die Spitzen von SPD, Grünen und Linken auf den Entwurf eines Koalitionsvertrages verständigt. Parteitage müssen noch zustimmen. Hier sind die Kernaussagen zu den Politikfeldern.
25.06.2023, 17:40 Uhr
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Von Silke Hellwig Jürgen Theiner Joerg Helge Wagner
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Der gesellschaftliche und wirtschaftliche Wandel im Zeichen der Klimaneutralität, der Energiewende und der Digitalisierung steht im Vordergrund des 269-seitigen Koalitionsvertrages, den das künftige rot-grün-rote Regierungsbündnis für Bremen entworfen hat. Dabei werden auch große Versprechen gemacht: Etwa, dass man künftig in allen Stadtteilen sicher leben und bezahlbar wohnen können soll. Zudem müssten Klimaschutzmaßnahmen sozial gerecht und für alle leistbar ausgestaltet werden. Der Vertragsentwurf soll am kommenden Wochenende auf Landesparteitagen von SPD, Grünen und Linken diskutiert und beschlossen werden. Er wird dann die Grundlage für das Regierungshandeln bis 2027 sein. Das Dokument liegt dem WESER-KURIER bereits vor. Hier die Aussagen zu wichtigen Politikfeldern:

Industrie

Bei der digitalen und ökologischen Umgestaltung der Wirtschaft gibt die Koalition zunächst ein Bekenntnis zu den bestehenden großen Betrieben ab. So will man die Umstellung der Stahlproduktion auf Wasserstoff fördern, aber auch die Rolle Bremens im Bereich der Luft- und Raumfahrt stärken sowie den Automobilstandort mit regionalen Ansätzen, etwa in der E-Mobilität, unterstützen.

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Gewerbe

Bei der Entwicklung neuer Gewerbeflächen soll ein Sofortprogramm auf den Weg gebracht werden. Für den in Bremen wichtigen Bereich der Lebensmittelwirtschaft soll das Projekt "Hanse Kitchen" zu einem Food Hub von bundesweiter Bedeutung weiterentwickelt werden und die Gründerszene der Branche fördern. Sämtliche Wirtschaftszweige sollen künftig von einem "Aus- und Weiterbildungscampus für Transformation und Innovation" profitieren, der aber erst noch geschaffen werden muss.

Häfen

Viel vorgenommen hat man sich zur Sicherung der Hafenwirtschaft. Offenbar haben sich SPD und Linke gegen die Grünen mit einem Bekenntnis zur Anpassung der Fahrrinne in der Außenweser durchgesetzt. Die Vertiefung der Unterweser von Brake bis Bremen wird hingegen aus ökologischen Gründen abgelehnt und nicht weiter verfolgt.

Dafür sollen etliche Sanierungs- und Erneuerungsmaßnahmen in den kommenden vier Jahren umgesetzt werden: Ausdrücklich nennen die Koalitionäre die Stromkaje, die Drehbrücke im Überseehafen sowie die Nordmole in Bremerhaven. Zudem sollen die Columbuskaje und der Columbusbahnhof fertiggestellt werden, um den Kreuzfahrtstandort zu stärken.

In der Stadt Bremen soll der Neustädter Hafen ein Terminal zur Zwischenlagerung und zum Export von Kohlendioxid (CO2) erhalten. Besondere Bedeutung kommt dem Projekt "Energy-Port" zu, der unter anderem gebraucht werde, um Offshore-Windparks zu errichten und zu betreiben. Dazu sollen die rund 100 Hektar des ehemaligen Flugplatzes Luneort in Bremerhaven genutzt werden. Dabei will man auch den Bund stärker finanziell in die Pflicht nehmen, damit die Seestadt gegen die europäische Konkurrenz bestehen kann.

Klimaschutz

Allein für den Klimaschutz nimmt die künftige Koalition 2,5 Milliarden Euro in die Hand. Sie sollen in die energetische Sanierung der öffentlichen Gebäude, die Verkehrswende, umweltfreundliche Heizungen sowie den klimaverträglichen Umbau der Wirtschaft fließen. Sämtliche öffentlichen Gebäude sollen 2035 klimaneutral beheizt werden. Ziel ist es, Bremen bis 2038 klimaneutral zu machen.

Dafür soll unter anderem spätestens 2025 ein Landeswärmegesetz verabschiedet werden. Der staatliche Einfluss in diesem Bereich soll steigen – nicht zuletzt, damit die energetische Sanierung von Wohngebäuden nicht zulasten der Mieter geht. Die Förderung solcher Maßnahmen ist deshalb künftig daran gebunden, dass die Warmmiete nicht steigt und eine eventuell bestehende Sozialbindung fortgeführt wird. Den Ausbau von Fern- und Nahwärmeversorgung in den Quartieren will man schon vorher ermöglichen.

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Gleichstellung

Geschlechtergerechtigkeit will die Koalition vor allem auf dem Arbeitsmarkt herstellen. Im Wesentlichen gilt dies für Alleinerziehende, die im Rahmen eines Modellprojekts Zuschüsse für haushaltsnahe Dienstleistungen in Gutscheinform erhalten sollen. Zudem will man auf Bundesebene ein Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft erreichen. In der Bremischen Bürgerschaft soll ein Paritätsgesetz dafür sorgen, dass mehr Frauen (und womöglich weitere Geschlechter) im Parlament vertreten sind. In Deutschland wurden allerdings bisher alle Versuche, ein derartiges Gesetz zu beschließen, für verfassungswidrig erklärt.

Um Frauen vor Gewalt zu schützen, sollen Frauenhäuser und Kinderschutzeinrichtungen künftig finanziell so ausgestattet werden, dass sie an sämtlichen Tagen rund um die Uhr Plätze anbieten können. Dies gilt insbesondere für junge inter- und transsexuelle Personen, die in Ihrem Umfeld und ihren Familien Gewalt erfahren.

Bildung

Die Koalition will „massiv Personal einstellen“, vor allem für Grundschulen in sozial benachteiligten Quartieren, um Klassen mit mehr als einem Lehrer auszustatten. Die Ausgaben pro Schüler sollen an die der anderen Stadtstaaten angeglichen werden. Das Sprachförderkonzept soll umgesetzt, für alle Schulen Sozialarbeiter engagiert werden.

Wissenschaft

Die „unterdurchschnittliche Finanzierung“ der Hochschulen soll dem Bundesdurchschnitt „schrittweise angenähert“ werden. Der Wissenschaftsplan soll bis 2030 fortgeschrieben werden. Ein Schwerpunkt wird die Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern.

Bau, Wohnen, Stadtentwicklung

Als konkrete Projekte werden unter anderem benannt: eine Fuß- und Radbrücke in die Überseestadt sowie eine Brücke in den Wallanlagen, das Entwickeln von Stadtteilzentren in Hemelingen, Huchting und Kattenturm, der Umbau des Rembertikreisels und der Bau eines Radparkhauses unter dem Domshof. Baugenehmigungsverfahren sollen vereinfacht und gestrafft werden, um mehr Wohnungen zu schaffen. Die Innenstadt soll mit mehr Personal sauberer und sicherer werden.

Verkehr

Die Innenstadt soll anziehender werden und „für alle Verkehrsteilnehmer“ gut erreichbar sein. Das ÖPNV-Netz soll verdichtet werden, unter anderem durch den Einsatz von Shuttle-Bussen. Bis 2027 sollen die Haltestellen der Hauptlinien alle 7,5 Minuten bedient werden. Radwege, Brücken und Straßen sollen saniert werden. Der ruhende Verkehr soll neu geordnet werden, zunächst vor allem dort, wo die Gehwegbreite 1,50 Meter unterschreitet.

Gesundheit

Auf den städtischen Klinikverbund Gesundheit Nord kommen Veränderungen zu. Das Herzzentrum soll vom Klinikum Links der Weser (LdW) ans Klinikum Mitte verlagert werden, trotzdem soll es am Standort LdW weiter eine nicht näher beschriebene klinische Grundversorgung geben. Außerdem will die Koalition in den Stadtteilen sogenannte Medizinische Versorgungszentren (MVZ) aufbauen, um die ambulante Behandlung zu verbessern. Bei den MVZ handelt es sich um Kombinationen von Praxen unter einem Dach mit angestellten Ärzten.

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Soziales

Geplant ist unter anderem ein Programm für quartiersbezogene Beschäftigung. Es würde vor allem Alleinerziehende, Langzeitarbeitslose und Ältere im Übergang zur Rente über lokale Projekte in Arbeit bringen. Die sogenannte "Freikarte", die Unter-18-Jährigen einen Betrag von derzeit 60 Euro pro Jahr für Freizeitaktivitäten zur Verfügung steht, soll es auch künftig geben.

Inneres

Bis 2027 soll es in der Stadt Bremen 3100 Polizisten geben, in Bremerhaven 580. Bei der Verwendung der Distanzwaffe Taser gibt es einen Kompromiss. In der Stadt Bremen soll neben dem Sondereinsatzkommando auch die Unterstützungs- und Eingreifgruppe (UEG) der Bereitschaftspolizei mit dem Taser ausgestattet werden. Für normale Streifenbeamte wird der Taser aber weiterhin nicht zur Standardausrüstung gehören. Der städtische Ordnungsdienst in Bremen soll auf 120 Planstellen ausgebaut werden.

Sport

Vorgesehen ist, den Vereinen eine erhöhte Übungsleiterpauschale zu zahlen, außerdem Mittel für die Ausbildung von Übungsleitern und die Einstellung von sechs hauptamtlichen Übungsleitern.

Digitales/Verwaltung

Die Koalitionäre wollen ein neues Service-Portal im Internet für alle wesentlichen Dienstleistungen von Stadt und Land Bremen. Wer Termine in den Bürgerserviceämtern bucht, soll darauf – je nach Anliegen – künftig nicht mehr als 14 bis 31 Tage warten müssen.

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Finanzen

Alle Vorhaben, die Eingang in den Koalitionsvertrag gefunden haben, stehen unter einem Finanzierungsvorbehalt. Soll heißen: Realisiert wird nur das, wofür auch Geld vorhanden ist. SPD, Grüne und Linke wollen sowohl mit der Bundesregierung als auch mit der Opposition in der Bürgerschaft über Änderungen an der Schuldenbremse in der Landesverfassung reden, um Finanzierungsmöglichkeiten insbesondere für die notwendigen Baumaßnahmen im Schulsektor zu schaffen.

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