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Mehrweg-Experiment Schausteller drohen mit Klage gegen Bremer Mehrwegvariante

Ab 2025 sollen nach dem Willen des Umweltressorts ausnahmslos alle Schausteller Mehrweggeschirr anbieten müssen. Damit will Bremen das entsprechende Bundesgesetz verschärfen. Wie die Schausteller reagieren.
05.03.2024, 05:53 Uhr
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Schausteller drohen mit Klage gegen Bremer Mehrwegvariante
Von Frank Hethey

Der Bremer Schaustellerverband droht mit einer Klage gegen die Stadt Bremen. Der Stein des Anstoßes: die strikte Mehrwegpflicht als kommunale Variante des deutschen Verpackungsgesetzes. Das Bundesgesetz sieht Erleichterungen für kleine Gastronomiebetriebe mit höchstens fünf Beschäftigten und bis zu 80 Quadratmetern Verkaufsfläche vor. Diese Vorgabe hat Bremen verschärft. Laut Umweltressort soll es ab 2025 unabhängig von der Betriebsgröße eine Mehrwegpflicht für die Volksfeste Osterwiese und Freimarkt geben. Auch kleine Geschäfte dürften dann Lebensmittel nicht mehr in Einwegverpackungen anbieten. Das wollen die Schausteller nicht hinnehmen. 

"Kein anderes Bundesland setzt das Verpackungsgesetz in dieser Form um, nur Bremen macht wieder mal einen Alleingang", sagt Rudolf Robrahn, Vorsitzender des Schaustellerverbands. Das sei "reiner, blinder Aktionismus", der ohne Einbindung und Einverständnis der Schausteller beschlossen worden sei. "Deshalb bereiten wir uns darauf vor, gerichtlich gegen die Bremer Variante vorzugehen." Laut Robrahn sind die juristischen Vorbereitungen schon weit gediehen, die Klage könnte in Kürze auf den Weg gebracht werden. "Wenn es nicht anders geht, müssen wir den Klageweg wählen." 

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Das Bundesgesetz sieht seit Januar 2023 vor, dass neben Einweg- auch Mehrweglösungen angeboten werden müssen, abgefedert wird es durch Ausnahmeregelungen für kleine Betriebe. Anders das neue Bremer Mehrweggebot für Veranstaltungen, die "marktrechtlicher Festsetzungen" bedürfen. "Das kommunale Mehrweggebot gilt für die betroffenen Veranstaltungen unabhängig von der Betriebsgröße für alle Anbieter von Getränken und Speisen", sagt Ramona Schlee, Sprecherin des Umweltressorts. Damit dürfen künftig nur noch Mehrwegbehälter angeboten werden.

Eigentlich sollte diese Regelung bereits im laufenden Jahr gelten. Weil die Schaustellerverbände aber Probleme bei der Umstellung beklagt hatten, verzichtete die Behörde für 2024 auf das Mehrweggebot. Soll heißen: Die Verwendung von unbeschichteter Pappe für die Ausgabe von Speisen ist bei den diesjährigen Veranstaltungen "noch ausnahmsweise" zugelassen. Doch Schlee stellt klar: "Ab dem Jahr 2025 entfällt diese Ausnahme."

Für diesen Fall warnt Susanne Keuneke, Vorsitzende des Vereins der Schausteller und Marktkaufleute, vor einer Kostenexplosion. "Dann kostet die Portion Pommes nicht mehr drei Euro, sondern 4,50 Euro." So werde Pommes zum "Luxusgut", familienfreundlich seien die Volksfeste bei Umsetzung der Vorgaben nicht mehr. "Vielleicht haben wir ein Stück für die Rettung der Welt getan", so Keuneke. "Aber wir haben auch ein Stück Kultur kaputt gemacht." Bedroht ist laut Robrahn der Verkauf von Traditionsartikeln. Als Beispiele nennt er Liebesäpfel, Schmalzkuchen oder kandidierte Früchte. 

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Für die bevorstehende Osterwiese ist jetzt erst mal ein Experiment geplant. Keuneke zufolge wollen sich vier Geschäfte versuchsweise auf reine Mehrwegangebote einlassen. In näherer und weiterer Umgebung sollen auffällige Tonnen für das Mehrweggeschirr aufgestellt werden. Das Institut für Energie und Kreislaufwirtschaft an der Hochschule Bremen wird das Projekt begleiten und auswerten. Dabei geht es unter anderem darum, die Rücklaufquote zu ermitteln – also festzustellen, ob das Mehrweggeschirr auch wirklich in den vorgesehenen Tonnen landet. Oder, wie Keuneke es formuliert: "Macht auch noch der junge Mann mit, der nach dem fünften Bier aus dem Bayernzelt kommt?"

Mit Spannung blickt Martin Schulze vom "Bündnis für Mehrweg" auf das Mehrweg-Experiment. Der Leiter der Geschäftsstelle Umwelt Unternehmen betont, dass es sich um ein kostenloses System handelt – das Mehrweggeschirr wird ohne Pfand ausgegeben. Für ein solches System gebe es noch keine verlässlichen Daten. "Die Frage ist: Wie groß ist der Schwund?" Deshalb sei es "total super", dieses Experiment auf der Osterwiese durchzuführen.

Den Versuch zu machen, findet Robrahn nach eigener Angabe "in Ordnung". Allerdings verhehlt er nicht seine Skepsis. Seine Befürchtung: Der Besucherstrom könnte sich stauen, das sei nicht ungefährlich. Keuneke sieht das genauso. "Mehrweg heißt: Wir binden die Kunden ans Geschäft." Im Blick hat sie auch die Menschen, die mit ihrem Essen weitergehen. "Wir können sie nicht ewig über den Markt laufen lassen, bis sie eine geeignete Rücknahmestelle finden."

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Zu bedenken gibt Robrahn auch, dass für das Mehrweggeschirr stromintensive Spülstationen eingerichtet werden müssten – "wenn man es nicht nach Hannover karren will". Dafür gebe es aber keinen Platz, schon gar nicht zu Freimarktzeiten. Für die reine Mehrweglösung kann er sich auch deshalb nicht erwärmen, weil es bereits biologisch abbaubare Einwegverpackungen gebe. Wo es möglich sei, habe man schon längst Mehrweglösungen gefunden. "Zum Beispiel im Bayernzelt. Ansonsten ist das nur Kokolores."

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