Unternimmt die Innenbehörde genug gegen Auseinandersetzungen sogenannter Großfamilien im öffentlichen Raum? Die Fraktion Bündnis Deutschland (BD) hat diese Frage am Mittwoch zum Gegenstand einer Bürgerschaftsdebatte gemacht. Aktueller Anlass war eine Schlägerei in Huchting vor anderthalb Wochen. Über den Vorfall war bisher wenig bekannt. Einer ersten Polizeimitteilung zufolge waren zwei Familien aneinandergeraten. Bei der Prügelei auf offener Straße im Ortsteil Sodenmatt sollen mehrere Personen verletzt worden sein, auch durch den mutmaßlichen Einsatz von Eisenstangen, Baseballschlägern und Elektroschockern.
In der Parlamentsdebatte korrigierte und präzisierte Innenstaatsrat Olaf Bull den Sachverhalt. Demnach spielte sich der Konflikt innerhalb einer syrischen Großfamilie ab. Auslöser war laut Bull der Umstand, dass drei Personen nicht zu einer Feier eingeladen worden waren, was von den Betroffenen als Affront empfunden wurde. Der Konflikt sei schließlich eskaliert. Bis auf eine der gewalttätigen Personen sei bisher keiner der Teilnehmer polizeibekannt.
Aus Sicht von Bündnis Deutschland fügt sich die Schlägerei in eine Reihe ähnlich gelagerter Vorfälle ein. Fraktionschef Jan Timke nannte mehrere Beispiele aus dem zu Ende gehenden Jahr, unter anderem eine Massenprügelei in Vegesack mit 20 Beteiligten und ein gewaltsames Aufeinandertreffen rivalisierender Gruppen im Bereich eines Neustädter Fitnessstudios. Den öffentlich ausgetragenen Konflikten sei gemeinsam, dass es sich bei den Gewalttätern um Angehörige migrantischer Familienverbände handele, die von falschen Ehrvorstellungen geleitet seien und das Faustrecht praktizierten. "Das muss aufhören", forderte Timke. Er machte zudem darauf aufmerksam, dass "Tumultlagen" wie zuletzt in Huchting in großem Umfang Polizeikräfte binden, die aus dem gesamten Stadtgebiet zusammengezogen werden müssen. Timkes Forderungen an die Innenbehörde: härteres Vorgehen gegen gewalttätige Clans, rasche Aburteilung der Täter, gegen die dann "aufenthaltsbeendende Maßnahmen" getroffen werden müssten.
Ermahnung von Antje Grotheer
Auch CDU-Fraktionsvize Wiebke Winter sah in ihrem Redebetrag Familien am Werk, "die unseren Rechtsstaat mit Füßen treten". Das dürfe nicht länger zugelassen werden. Bisher habe der Senat allerdings keine geeigneten Mittel für den Umgang mit gewalttätigen und kriminellen Clans gefunden. Das Beste sei hohe Polizeipräsenz und eine "Politik der 1000 Nadelstiche" gegen einschlägige Strukturen, wie sie in Nordrhein-Westfalen praktiziert würden.
Für die Koalitionsfraktionen antwortete SPD-Innenpolitiker Kevin Lenkeit auf die BD-Forderungen. Jan Timke habe der Bürgerschaft "eine Märchenstunde" aufgetischt, meinte Lenkeit. Das Problem sei längst nicht so groß wie behauptet. Lenkeit warf Bündnis Deutschland mehrfach Rechtspopulismus vor und arbeitete sich im Wesentlichen an Timke ab – so lange, bis ihn Bürgerschaftspräsidentin Antje Grotheer (SPD) ermahnte, zum eigentlichen Thema problematischer Großfamilien zu sprechen. Aus Sicht von FDP-Innenpolitiker Marcel Schröder vermengte Timke verschiedene Themen auf unseriöse Weise miteinander. Eine körperliche Auseinandersetzung innerhalb einer Familie werde mit Clankriminalität in einen Topf geworden. Mit solchen Verallgemeinerungen sei niemandem gedient.
Innenstaatsrat Bull bemühte sich darum, den Huchtinger Vorfall von der Größenordnung her einzuordnen. Solche Auseinandersetzungen seien in Bremen nicht an der Tagesordnung. In den vergangenen zwei Jahren habe es insgesamt fünf größere "Tumultlagen" gegeben. Auch Clankriminalität sei bisher kein überbordendes Problem. 2021 und 2022 habe es in der Hansestadt jeweils 633 und 736 Straftaten gegeben, die als "Prüffälle Clankriminalität" eingestuft worden seien. Das seien weniger als ein Prozent aller registrierten Straftaten, so Bull.