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Bremer Weserbrücken Özlem Ünsal: "Wir arbeiten jetzt Versäumnisse auf"

Die Vollsperrung der Bremer Bürgermeister-Smidt-Brücke ab November ist nur ein Anfang: Im Interview bekennt sich Senatorin Özlem Ünsal (SPD) dazu, die "Versäumnisse der Vergangenheit" aufzuarbeiten.
01.09.2024, 07:00:00 Uhr
Lesedauer: 3 Min
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Özlem Ünsal:
Von Jürgen Theiner

Frage: Frau Ünsal, graut Ihnen vor dem 4. November? Wenn an diesem Tag die mehrmonatige Vollsperrung der Bürgermeister-Smidt-Brücke beginnt, wird es wohl chaotisch, bevor sich die Verkehrsflüsse in der Innenstadt neu einspielen.

Özlem Ünsal: Es graut mir nicht davor. Ich weiß, dass wir da eine große Aufgabe vor uns haben, aber es gibt ja keine Alternative. Deshalb sage ich nicht von ungefähr: Wat mutt, dat mutt. Wir sind handlungsfähig und werden das Projekt mit der nötigen Konzentration angehen.

Wenn es chaotisch werden sollte, werden die Leute aber nicht über Ihre Vorgänger fluchen, die die Weserbrücken verkommen ließen, sondern über den aktuellen Senat.

Nach meiner Wahrnehmung verstehen die Menschen ganz gut, dass wir jetzt Versäumnisse der Vergangenheit aufarbeiten. Wir haben einen ganz klaren Strategiewechsel vorgenommen. Als sozialdemokratische Verkehrssenatorin stelle ich die Ertüchtigung der vorhandenen Infrastruktur in den Mittelpunkt, und da sind die Weserbrücken nun einmal ganz zentrale Bausteine.

Sie haben Begleitkonzepte für die Phase der Vollsperrung angekündigt. Was muss man darunter verstehen?

Erstens eine klare Kommunikation der Maßnahmen. Zweitens werden wir belastbare Ausweichrouten mit entsprechenden Ampelschaltungen überprüfen müssen. Da kommt auf das vorhandene Wegenetz einiges zu. Drittens brauchen wir Marketingkampagnen mit weiteren Innenstadtakteuren, die den Menschen vermitteln: Die Innenstadt ist weiterhin erreichbar, gerade in der Vorweihnachtszeit, die ja für den Einzelhandel wichtig ist. All das ist alles andere als trivial.

Die vier- bis fünfmonatige Sperrung der Bürgermeister-Smidt-Brücke ist nur eine erste Etappe, richtig?

Ja. Ab November werden zunächst die Zuganker der Brücke erneuert. Ende 2025 und im gesamten Jahr 2026 ist dann eine weitere Ertüchtigung vorgesehen, 2028 dann die eigentliche Instandsetzung.

Wie sieht es mit den beiden anderen Brücken aus, für die Bremen zuständig ist – also für die Wilhelm-Kaisen-Brücke und die Karl-Carstens-Brücke?

Bei der Wilhelm-Kaisen-Brücke steht in der zweiten Jahreshälfte ´25 eine Ertüchtigung an, zwischen 2027 und 2029 dann eine grundlegende Instandsetzung. Für die Karl-Carstens-Brücke gilt: Der Teil über die Weser wird Mitte bis Ende 2025 sowie 2027/28 ertüchtigt. Der Abschnitt über den Werdersee kommt ausschließlich 2027/28 an die Reihe. Auf längere Sicht brauchen wir für alle genannten Brücken Ersatzbauwerke. Das ist ein Thema für die Dreißigerjahre.

Hört sich nach gewaltigen Investitionen an. Wie viel kostet denn eine komplett neue Brücke?

Das lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht verlässlich sagen. Die letzten Jahre haben deutlich gezeigt, wie dynamisch und unvorhersehbar sich Baukosten entwickeln können. Stand jetzt würde eine neue Bürgermeister-Smidt-Brücke zwischen 45 und 55 Millionen Euro kosten.

Auch die Sanierung der vorhandenen Brücken ist eine teure Angelegenheit. Anders als bei der Stephanibrücke, die dem Bund gehört, steht Bremen finanziell hier ganz allein in der Pflicht. Ist das für die klamme Stadt überhaupt machbar?

Wir wissen natürlich, dass unsere Haushaltssituation in den kommenden Jahren sehr angespannt ist. Deshalb setze ich mich auf Bundesebene dafür ein, dass von dort Unterstützung kommt. Die Weserbrücken mögen zum Teil kommunale Brücken sein. Aber Bremen und Bremerhaven sind international bedeutende Hafen- und Logistikstandorte. Deshalb kann niemand ernsthaft behaupten: Die Finanzierung solcher Instandsetzungs- und Neubauvorhaben ist eine reine Bremer Angelegenheit. Gemeinsam mit dem Bürgermeister fordere ich einen Infrastrukturfonds auf Bundesebene, aus dem dann Mittel für solche Projekte fließen.

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Sie sagen: Der Erhalt der vorhandenen Infrastruktur hat Vorrang. Wenn aber selbst dafür kaum genügend finanzielle Mittel vorhanden sind: Was heißt das dann für die geplanten Fahrradbrücken und andere Bausteine der Verkehrswende?

Das heißt, eine ehrliche Debatte darüber zu führen, wie jetzt die Notwendigkeiten der Daseinsvorsorge aussehen. Ich meine: Wir müssen Prioritäten setzen und die Hauptschlagadern unseres Logistik- und Wirtschaftsstandortes intakt halten. Dem muss sich alles andere aufgrund der finanziellen Lage unterordnen.

In diesem Jahrzehnt wird also keine Fahrradbrücke mehr eingeweiht?

Das würde ich nicht sagen. Wir schauen, was realisierbar ist. Aber jetzt ein Datum zu nennen, wäre unseriös.

    Das Gespräch führte Jürgen Theiner.

Zur Person

Özlem Ünsal (SPD) ist seit Juli 2023 Senatorin für Bau, Mobilität und Stadtentwicklung. Die politische Karriere der 50-jährigen begann in Schleswig-Holstein, wo sie 2013 in den Kieler Stadtrat gewählt wurde und vier Jahre später ein Landtagsmandat errang. 2022 verpasste sie den Wiedereinzug ins Landesparlament.

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