Grün rauchen, Gelb wählen – mit diesem Slogan ging die FDP vor der Bundestagswahl 2017 auf Stimmenfang. Derart markige Sprüche hatten die Liberalen in diesem Jahr nicht im Angebot, aber ihre Position haben sie wiederholt deutlich gemacht: Cannabis soll legalisiert werden. Die Grünen sind gleicher Meinung, und auch SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach hat sich kürzlich für eine kontrollierte Freigabe ausgesprochen. Die wesentlichen Argumente liegen bereits seit Jahren auf dem Tisch. Einzig: Eine echte politische Auseinandersetzung hat es bislang nicht gegeben. Vor allem die Union hat sich einer solchen Debatte durch eine trotzige Blockadehaltung entzogen. Sie hat dem Thema die Bedeutung abgesprochen – nicht wortwörtlich, aber symbolisch immer wieder.
Keine harmlose Droge
"Warum ist Alkohol erlaubt und Cannabis verboten?" Antwort: "Weil Cannabis eine illegale Droge ist. Punkt." Das klingt nach verhärteten Fronten zwischen Mutter und Sohn am Küchentisch, entstammt aber einem Interview, das der Journalist Tilo Jung mit Marlene Mortler geführt hat. Zugegeben: Das Gespräch liegt sieben Jahre zurück. Die CSU-Politikerin, damals frisch als Drogenbeauftragte der Bundesregierung bestimmt, agierte auch in den Folgejahren wenig souverän. 2019 übernahm Daniela Ludwig, ebenfalls CSU, Mortlers Posten – und auch die meisten ihrer Positionen.
Manche davon sind nicht von der Hand zu weisen. Cannabis sei keine harmlose Droge, betonen die Verantwortlichen immer wieder. Und tatsächlich: "Cannabis ist keine harmlose Droge", schreiben Experten für Psychiatrie und Psychotherapie in der 2018 veröffentlichten Capris-Studie, die den internationalen Forschungsstand zusammengefasst und bewertet hat. Cannabiskonsum erhöhe zum Beispiel das Risiko für psychische Störungen, könne die Hirnleistung beeinträchtigen und führe in jedem zehnten Fall zu einer Abhängigkeit, heißt es da. Derartige Risiken bestreitet unter Experten fast niemand. Falsch sind die Schlussfolgerungen, die Kritiker seit Jahren daraus ableiten.
Fakt ist, dass viele Menschen Cannabis konsumieren. Sie werden das auch weiterhin tun – unabhängig von der Gesetzeslage. Eine Legalisierung wäre keine staatliche Kapitulation, sondern eine pragmatische Entscheidung. Eine kontrollierte Abgabe würde dabei helfen, kriminellen Organisationen einen Teil ihres Geschäftsmodells zu vermiesen. Sie würde Konsumenten vor gefährlichen Beimischungen schützen, die längst keine Seltenheit mehr sind. Und ja: Möglicherweise würde eine Legalisierung ein verharmlosendes Signal an einige Menschen senden. Aber wer bislang den Joint abgelehnt hat, den wird es nicht plötzlich zum exzessiven Konsum verleiten, nur weil der Staat seinen Segen gibt. Drogenprobleme entstehen selten aus dem Nichts, sondern sind häufig Begleitumstände sozialer Probleme. Die existieren ganz unabhängig davon, ob Cannabis verboten ist oder nicht.
Obwohl gerne angeführt, taugt auch der Jugendschutz nicht als Argument gegen eine Legalisierung. Kein politischer Akteur fordert eine Freigabe von Cannabis für Jugendliche. Eine Legalisierung würde Jugendlichen den illegalen Zugang zwar nicht unbedingt erschweren, aber sicherlich auch nicht erleichtern. Und auch wenn häufig ein anderer Eindruck vermittelt wird: Die Forderung nach einer Legalisierung ist keine jugendliche Laune. Je nach Umfrage sind 30 bis 50 Prozent der Deutschen für eine Freigabe. Eine neue Erhebung des Meinungsforschungsinstituts Forsa zeigt, dass die Zustimmung bei den 30- bis 44-Jährigen sogar etwas höher liegt als bei den 14- bis 29-Jährigen.
Es ist außerdem ein Irrglaube, dass man sich entweder für eine Legalisierung oder für Prävention entscheiden müsste. Beides funktioniert parallel sogar besser, da mehr Ressourcen zur Verfügung stünden. Dabei geht es um Geld, aber auch um Personal. Nach langem Stillstand wird es Zeit, die Drogenpolitik neu auszurichten. Eine Legalisierung ist dabei kein Allheilmittel, diesen Illusionen braucht sich niemand hinzugeben. Die logische Konsequenz jahrelanger Erfahrungen wäre sie aber allemal.