Die Grünen erlebten am Sonntag ein Wahldesaster. Der Rücktritt ihrer Spitzenfrau Maike Schaefer kam deshalb nicht überraschend. Die 51-jährige Biologin wird in den nächsten Wochen ihre Ämter als Senatorin und Bürgermeisterin aufgeben. Doch auch wenn dieser Schritt erwartet worden war, überstürzten sich am Montag die Mutmaßungen über möglichen Folgen, die daraus erwachsen. Sofort wurde über eine Nachfolge und über weitere Personal-Rochaden bei den Grünen spekuliert. Schaefer kündigte unterdessen gegenüber dem WESER-KURIER an, ihr Mandat für die Bremische Bürgerschaft annehmen zu wollen. Sie wird also weiter Politik machen.
Die Grünen sind laut jüngster Hochrechnung des Statistischen Landesamts von 17,4 Prozentpunkten vor vier Jahren auf zwölf Prozent abgesackt. Co-Vorsitzender Florian Pfeffer nannte das Wahlergebnis seiner Partei „dramatisch“. Gleichzeitig verteidigte er die Spitzenkandidatin. Schaefer habe als Senatorin für Bau, Verkehr, Stadtentwicklung und Klima vieles bewirkt, zum Beispiel beim Kohleausstieg und dem 49-Euro Ticket. Die Kritik an ihrer Arbeit sei herb gewesen, „manchmal auch unter der Gürtellinie“.
Maike Schaefer räumte handwerkliche Fehler ein. „Ich ziehe aus dem schlechten Wahlergebnis die Konsequenzen“, sagte sie. Der Absturz bei den Umfragewerten wenige Wochen vor der Wahl habe aber auch mit dem schlechten Trend der Grünen im Bund zu tun: „Von dort gab es während des Wahlkampfs keine Rückendeckung.“
Schaefer hatte den Rückzug aus ihren Ämtern bei einer Sitzung des Landesvorstands der Grünen angekündigt. Am Wahlabend war noch nicht klar, ob sie sich zu diesem Schritt entschließt. Die Partei war nicht vorbereitet und improvisierte flugs eine Pressekonferenz. Schaefer trat dort teilweise emotional auf. Als sie den Beschäftigten ihres Ressorts dankte, standen ihr die Tränen in den Augen. „Dieser Schritt tut mir weh und fällt mir schwer“, sagte Schaefer über ihren Rückzug. Sie habe mit ihrer politischen Arbeit Mut bewiesen, „und ich habe jetzt den Mut, heute die Konsequenzen zu ziehen“. Es sei nicht gelungen, das grüne Programm und die grünen Erfolge zu vermitteln. Hinzugekommen sei das Kopf-an-Kopf-Rennen der Spitzenkandidaten von SPD und CDU, das die Situation der kleineren Parteien schwerer gemacht habe.
Die Zahl der Grünen in der Bürgerschaft wird deutlich sinken. Schaefer wird sich in die Riege einreihen. So wie in der Vergangenheit bereits der ehemalige Bürgermeister Carsten Sieling (SPD), die frühere Sozialsenatorin Ingelore Rosenkötter (SPD) und Ex-Bildungssenatorin Eva Quante-Brandt (SPD). Doch wer wird ihren Platz im Senat einnehmen, sollte es zu einer Neuauflage der Koalition von SPD, Grünen und Linken kommen? Wie werden sich die Grünen insgesamt aufstellen?
Die Personaldecke der Partei ist dünn. Ein Name, der angesichts derart knapper Ressourcen ins Spiel kommt, ist Kirsten Kappert-Gonther, die für die Bremer Grünen im Bundestag sitzt. Sie hat sich in Berlin als Gesundheitspolitikerin einen Namen gemacht. Will sie dieses Engagement aufgeben, um in Bremen auf Schaefer zu folgen? Und bleibt das große Senatsressort überhaupt erhalten? Eine Variante ist dem Vernehmen nach, mindestens den Bereich Bau daraus zu lösen und der SPD zu überlassen. Als Senator käme Falk Wagner infrage, 33 Jahre alt und Sprecher der Baudeputation der Bürgerschaft.
Dem Grünen-Fraktionsvorsitzenden Björn Fecker werden nachgesagt, das Finanzressort zu übernehmen. Er müsste dafür allerdings wohl auf sein Engagement im DFB und als Präsident des Bremer Fußball-Verbands verzichten. Für den Fraktionsvorsitz kommt Henrike Müller infrage, die heute Vize ist. Sie traut sich das zu, heißt es aus der Partei. Was aus dem Sozialressort und Senatorin Anja Stahmann wird, ist unklar. Eine ihrer drei Behörden werden die Grünen nach diesem Wahlausgang wohl verlieren.
Die alte und Teile der neuen Fraktion saßen am Montag stundenlang zusammen, um die Lage zu beraten. „Es war kein Nachmittag der langen Messer“, sagte nach der Sitzung Robert Bücking, der sich als Abgeordneter nicht mehr hatte aufstellen lassen. Auch habe es keine Abrechnung mit Maike Schaefer gegeben: „Das Wahlergebnis müssen wir gemeinsam verantworten.“ Es sei, so Bücking, von den Grünen zu viel angekündigt und zu wenig realisiert worden.