Es bedeutet Hoffnung, wenn Jugendliche gesellschaftliche, ja sogar globale Verantwortung übernehmen. Und ja, es gibt Mitläufer. Das haben junge Menschen zu allen Zeiten gemacht. Sie haben immer die Ordnungen, Institutionen und Traditionen, die vermeintliche Träg- und Sattheit der älteren Generation angeprangert, auch im Konvoi von Mitläufern.
Davon geht die Welt nicht unter. Jugendliche gehen damit in einen gesunden Widerspruch, der zum Nachdenken zwingt und das Bewusstsein für die eigene Selbstwirksamkeit stärkt. Bei den Umweltprotesten ist nur die Dimension neu. Es geht um etwas Gutes: um unsere Welt und die Qualität unserer Zukunft. Danke, euch Jugendlichen, dass wir darüber reden. Nun wächst das Bewusstsein für die Dringlichkeit der Thematik.
Alles wäre gut, wenn es nicht mit Schulschwänzen verbunden wäre. In Deutschland gilt Schulpflicht. Das Umgehen dieser Pflicht ist für die Sichtbarmachung von Relevanz nötig, sagen die einen. Pulse of Europe und andere Bewegungen zeigen das Gegenteil, sagen die anderen.
Das Spannende beim Greta-Phänomen ist nicht das Schuleschwänzen an sich, sondern, dass sich Eltern, Lehrer und Politiker applaudierend hinter das Schulschwänzen stellen. Dadurch entsteht nicht nur ein positiver Lerneffekt in Punkto Weltveränderung, sondern gleichzeitig wirkt ein zweiter, negativer Effekt. Die Botschaft ist: Du kannst Gesetze ignorieren.
Donnernder Applaus für Gesetzesbruch
Wenn es wirklich wichtig ist, ist das ok. Wir lernen also, dass Rechtstaatlichkeit nur bedingt gilt. Wir definieren nicht, bei welchem Wichtigkeitsgrad die Einschränkung greift und wer diese Wichtigkeit jeweils beurteilt. Aber, wenn das Anliegen „wirklich wichtig“ ist, findet der Gesetzesbruch donnernden Applaus.
Rechtstaatlichkeit ist aber ein Wert, der uns von vielen Regierungssystemen dieser Welt positiv unterscheidet. Rechtstaatlichkeit gibt zwar nicht den Inhalt der Spielregeln vor, aber sie steht dafür, dass es überhaupt Regeln gibt.
Das Fundament unseres Zusammenlebens liegt in der Einhaltung und Achtung gemeinsam festgelegter Spielregeln. Lehrer, die das Umweltanliegen der Schüler teilen, können dies vermitteln, indem sie mit Hausaufgaben den Regelbruch sanktionieren oder andere Alternativleistungen aushandeln.
Aber die alleinige offene Unterstützung von Streiks führt Rechtstaatlichkeit ad absurdum. Durch die Erfahrung der Jugendlichen, dass Spielregeln relativ, zeitlich begrenzt und nicht immer für jeden gültig seien, entsteht demokratischer Flurschaden, der lange nachhallt. Ich bin der Meinung: Auch der wirklich gute Zweck heiligt nicht die Mittel.
Unsere Gastautorin sitzt seit 2015 in der Bremischen Bürgerschaft, zunächst für die CDU, im März 2018 wechselte sie zur FDP. Die studierte Wirtschaftspsychologin arbeitet als Unternehmensberaterin.