"Die Flut wird kommen", warnte Anfang dieses Jahres Michael Schirmer, scheidender Deichhauptmann des Bremischen Deichverbands am rechten Weserufer, im Interview mit dem WESER-KURIER. In seiner Amtszeit von 20 Jahren blieb Bremen von einem bedrohlichen Hochwasser verschont. Zwei Mal fehlten allerdings nur wenige Zentimeter, und die Pauliner Marsch rund um das Weserstadion hätte unter Wasser gestanden. Laut Schirmer ließ Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) die Pauliner Marsch am 6. Dezember 2013 – während des Sturmtiefs Xaver – und im Januar 2022 vorsorglich evakuieren. "Ein 'Freibord' von weniger als zehn Zentimetern war schon ein heftiges Signal", sagte der langjährige Deichhauptmann.
Die Beispiele zeigen, dass in Bremen die Weser keine hohen Deiche überfluten muss, um Teile des Stadtgebiets unter Wasser zu setzen. Elementarer Teil des Hochwasserschutzes ist es nämlich auch, strategische Flächen zu schaffen, die im Ernstfall überflutet werden können. Dies reduziert den Wasserdruck auf die Deichanlagen, wodurch sie den Wassermassen länger standhalten können. Wo die hochwassergefährdeten Gebiete liegen, ist in öffentlich einsehbaren Karten detailliert dargestellt.

Die dunkelblau markierten Bereiche sollen bei einer Sturmflut von der Weser überschwemmt werden, um den Rest der Stadt zu schützen.
Neben dem Peterswerder würde es im Bremer Stadtgebiet insbesondere die Landzunge zwischen Weser und Werdersee treffen (siehe Karte). Der Seitenarm ist heute als Naherholungsgebiet bekannt und beliebt, seine Entstehung in den 1950er- und sein Ausbau in den 1980er-Jahren waren aber auf den Hochwasserschutz zurückzuführen. Im Ernstfall würde das Kleingartengebiet zwischen Werdersee und Weser wie eine riesige Badewanne voll Wasser laufen. In den hochwassergefährdeten Gebieten gibt es aber auch besondere Zonen, wie etwa das Weserstadion, in denen es mit zusätzlichen Schutzvorkehrungen trocken bleiben soll.
Im Vergleich zum Jahr 1900 steigt der Meeresspiegel laut Berechnungen des Weltklimarats im bestmöglichen Fall bis 2100 um einen halben Meter. In einem Worst-Case-Szenario könnten es aber bis zu zwei Meter sein. In Bremen basiert der Hochwasserschutz aktuell auf der Annahme, dass es ein Meter sein wird. Bei den klimabedingt häufiger zu erwartenden Sturmfluten können extreme Pegelstände erreicht werden, die alle bisherigen Rekorde in den Schatten stellen.