„Wir haben gehört, wir haben gefühlt, und wir haben verstanden: Wir sind dran als Synode.“ Die Vizepräses der EKD-Synode, Elke König, stand am Montag sichtlich betroffen am Rednerpult im Bremer Congress-Centrum. Vor den Synodalen schlug sie die Errichtung einer Kommission zum weiteren Umgang mit dem sexuellen Missbrauch in der Kirche vor.
Vorausgegangen war dem ein emotionaler Nachmittag: Zum ersten Mal seit der Synode in Dresden 2019 haben Betroffene von sexuellem Missbrauch in der Evangelischen Kirche in Deutschland das Wort ergriffen. Deutlich kritisierten sie das schleppende Tempo der Missbrauchsaufarbeitung in der EKD. „Was mir heute immer noch fehlt, ist das klare Bekenntnis der Evangelischen Kirche zur Betroffenenbeteiligung“, sagte Detlef Zander. Der Mediziner Henning Stein, Vater eines missbrauchten Kindes, forderte eine Wahrheitskommission nach angelsächsischem Vorbild. Und die Betroffene Nancy Janz machte deutlich, dass der EKD eine gemeinsame Vision und Zielsetzung für den Umgang mit sexuellem Missbrauch und übergriffigem Verhalten fehle. „Die Konstituierung eines neuen Betroffenenbeirats kommt unter diesen Bedingungen für uns nicht infrage.“
„Keine Vertrauensbasis“
Denn Zander, Stein und Janz waren Mitglieder des Betroffenenbeirats der EKD, der im Sommer aufgelöst wurde. „Nach fünf Rücktritten und einer Spaltung des verbliebenen Beirates, die bis zu einem Antrag auf Auflösung des Gremiums reichte, da keine Vertrauensbasis für die weitere Zusammenarbeit bestehe, mussten wir am Ende die Verantwortung übernehmen und die Arbeit des Gremiums aussetzen“, erklärte der Braunschweiger Landesbischof Christoph Meyns. Er hatte vor den Synodalen den Bericht des Beauftragtenrates der EKD vorgelegt. Emotionslos und nüchtern sprach er in die Kamera. „Täterinnen und Tätern muss klar sein, dass in unserer Kirche für ihre Verbrechen und Übergriffe kein Platz ist, dass jede Straftat zur Anzeige gebracht wird. Zu oft wurde in der Vergangenheit weggesehen, geschwiegen und nicht gehandelt.“ Meyns zufolge haben die für die Auszahlung von Leistungen an Betroffene zuständigen Anerkennungskommissionen der Landeskirchen bislang 942 Fälle sexuellen Missbrauchs bearbeitet, die teilweise bis ins Jahr 1949 zurückreichen. Um ein genaueres Bild zu erhalten, liefen derzeit einige Studien.
Unter den Synodalen räumten am Montag auch zahlreiche Bischöfe ihr Versagen beim Aufbau des Betroffenenbeirats ein. Die Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs, die als Favoritin für die Wahl des Ratsvorsitzenden gilt, zeigte sich zerknirscht. „Es ist klar, dass es in der Vergangenheit nicht gereicht hat“, sagte Fehrs. „Und es ist klar, dass jetzt eine Kulturveränderung kommen muss.“