Bereits im vergangenen Herbst gab es eine Häufung mehrerer Gewalttaten in Bremer Bussen und Bahnen. Für Bestürzung sorgte dabei insbesondere ein Angriff auf eine Transfrau, die in einer Neustädter Straßenbahn von einer Gruppe Jugendlicher angegriffen wurde. Nun gab es zuletzt innerhalb weniger Tage erneut zwei Vorfälle im Bremer Nahverkehr, bei denen 16- bis 18-jährige Tatverdächtige im Fokus stehen. Die Opposition fordert, die Debatte über Sicherheit in Bus und Bahn wiederaufzunehmen.
Am Dienstag vergangener Woche wurde eine Transfrau in einem Bus in Findorff bedroht. Drei Jugendliche beleidigten sie und drohten, sie „abzustechen“. In der Nacht zu Montag schlugen und traten zwei weitere Jugendliche in Hastedt so stark auf einen Straßenbahnfahrer ein, dass der schwer verletzt ins Krankenhaus gebracht werden musste.
„Übergriffe auf Fahrpersonal sind leider alltäglich“, sagt Michael Rüdiger, stellvertretender Vorsitzender des Betriebsrats der Bremer Straßenbahn AG (BSAG). Fast täglich gebe es verbale oder körperliche Attacken auf Fahrerinnen und Fahrer. „Wir sehen eine Zunahme der Übergriffe in den letzten drei Jahren“, so Rüdiger, der seit über 25 Jahren Straßenbahnfahrer ist. „Die Hemmschwelle ist niedriger geworden.“ Dies sei eine große psychische Belastung für die Beschäftigten. „Wir werden vom Unternehmen aber nicht allein gelassen“, so Rüdiger. „Es wird zum Beispiel daran gearbeitet, ob es in Bussen analog zu den Straßenbahnen eine abschließbare Fahrkabine geben kann.“
„Gewaltandrohungen sind an der Tagesordnung, Handgreiflichkeiten eher die Ausnahme“, sagt Ingo Ostermann, Sprecher des Fahrgastbeirats beim Verkehrsverbund Bremen-Niedersachsen (VBN). Die Übergriffe seien Teil eines gesellschaftlichen Problems: „Solche Vorfälle können in Bussen und Bahnen passieren, aber auch anderswo.“ Allerdings könne man in einem Fahrzeug nicht ausweichen. Viele Menschen, die wenig mit Bus und Bahn unterwegs seien, würden dadurch abgeschreckt. „Und es geht oft gegen Minderheiten“, sagt Ostermann.
„Man kann feststellen, dass wir zuletzt mehrere dieser Fälle hatten“, sagt BSAG-Sprecher Andreas Holling. Auch die Hasskriminalität wie im Fall der Attacke auf die Transfrau sei auffallend. „Jeder Übergriff, auch ein verbaler, kann traumatisierend sein.“ Die Täter seien nicht ausschließlich Jugendliche, so der Sprecher, „aber Jugendliche sind ganz vorne mit dabei“. Er betont auch: „Die Fälle, in denen es so aus dem Ruder läuft, sind zum Glück selten.“
Polizei und BSAG können kurzfristig keine Zahlen zur Entwicklung von Gewalttaten in Bussen und Bahnen nennen. Die BSAG führt aber eine Statistik zu Konfliktfällen. Das Unternehmen registrierte 2022 rund 350 Vorfälle der Kategorie „Schwierigkeiten mit Fahrgästen“ und knapp 250 Streitigkeiten unter Fahrgästen. Demgegenüber stünden etwa 70.000.000 Fahrgäste im Jahr 2022.
Generell seien Straßenbahnfahrer gehalten, für ihre Sicherheit den Fahrstand nicht zu verlassen, so der Sprecher. Aber natürlich müssten auch Fahrer mal Pause machen – und sie mischten sich bei Konflikten teilweise auch ein. Im Notfall könnten Fahrer per Tastendruck Kontakt zur BSAG-Leitstelle aufnehmen, die dann die Polizei rufe, so Holling. Ziel der Polizei ist es laut einem Polizeisprecher, bei schweren Delikten in acht Minuten vor Ort zu sein.
Opposition fordert Debatte
Die Vorfälle wurden auch von der Opposition aufgegriffen. Die FDP forderte nach der Bedrohung der Transfrau in Findorff, die Debatte über Sicherheit in Bus und Bahn wieder aufzunehmen. „Wir müssen uns Hass und Gewalt noch entschiedener entgegenstellen“, sagt der FDP-Verkehrspolitiker Thore Schäck. Neue Sicherheitskonzepte seien nötig. So fordert Schäck mehr Sicherheitspersonal in Bus und Bahn sowie für die Nachtlinien sogenannte Sicherheitsplätze nahe der Fahrkabine.
Auch die CDU nimmt das Thema auf: „Der Angriff auf die Transfrau und den Straßenbahnfahrer haben uns geschockt“, sagt Michael Jonitz, stellvertretender Vorsitzender der CDU Bremen-Stadt. Es handele sich nicht um Einzelfälle. Die CDU fordert Notrufsäulen, mehr Beleuchtung und eine Videoüberwachung an Haltestellen.
In allen Bremer Bussen und Bahnen sind laut BSAG Kameras installiert. Allerdings werde das Geschehen nicht live überwacht, sondern aufgezeichnet, so Holling. Eine generelle Videoüberwachung an Haltestellen gebe es nicht, am Hauptbahnhof aber drei Kontaktsäulen, über die per Knopfdruck eine Videoschaltung zur Polizei hergestellt wird.