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Kein Geld für Zusatzpersonal Hilfsprogramm für Bremer Grundschulen gekippt

Bremen kippt ein Kernprojekt im Bildungsbereich: Mehr Zweitkräfte für Grundschulen wird es nicht geben. Wie wirkt sich diese Entscheidung auf die Bildungschancen der Kinder aus?
20.03.2024, 05:00 Uhr
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Hilfsprogramm für Bremer Grundschulen gekippt
Von Sara Sundermann

Ein Kernprojekt der Bremer Regierung für den Bildungsbereich wird beerdigt: Rot-Grün-Rot hatte sich vorgenommen, massiv Zusatzpersonal für die Grundschulen einzustellen. Doch nun kommt es anders. Leitgedanke des Plans war, dass Grundschulen in sozialen Brennpunkten durch Zweitkräfte entlastet werden. Neben der Lehrkraft sollte zusätzlich eine Erzieherin in einer Klasse im Einsatz sein, um besser auf die Kinder einzugehen, so die Idee der sogenannten Doppelbesetzungen.

Bekannt ist seit langem, dass sich in den Schulen in benachteiligten Gebieten die Probleme ballen. Bildungstests zeigen regelmäßig, dass in diesen Stadtteilen bei einer Mehrheit der Kinder große Lücken beim Lesen, Schreiben und Rechnen klaffen.

Ursprünglich war von den Bildungspolitikerinnen der Koalition offenbar geplant, 150 neue Stellen für Doppelbesetzungen im Laufe der Legislatur zu schaffen. Im Koalitionsvertrag sind die Zweitkräfte für Grundschulen im Kapitel zur Bildung als erstes Projekt benannt. Die Koalition werde "den begonnenen Einstieg in die Doppelbesetzung fortführen und massiv zusätzliches Personal ein­stellen", heißt es dort. Doch aus dem Stellenaufbau wird nun nichts, im Haushaltsentwurf sind dafür keine Mittel hinterlegt. Bisher hat Bremen 35 Stellen für Zweitkräfte ins Leben gerufen. Diese sollen erhalten bleiben, aber weitere Stellen kommen nicht hinzu.

"Wofür haben wir dieses Papier?"

Daran gibt es scharfe Kritik aus den Reihen der Koalition. Linken-Bildungspolitikerin Miriam Strunge sagt: Der Ausbau der Doppelbesetzungen sei "das zentrale Thema im Koalitionsvertrag" für den Bildungsbereich. In den Koalitionsverhandlungen sei unter den bildungspolitischen Sprecherinnen von Rot-Grün-Rot "sofort für alle klar gewesen: Das ist das Wichtigste, denn wir müssen was tun für die Schulen in den benachteiligten Stadtteilen", sagt Strunge.

Man müsse damit rechnen, dass unter veränderten finanziellen Bedingungen bei manchen Projekten Abstriche gemacht werden müssten, räumt Strunge ein. Doch dass der Ausbau nun komplett wegfalle, sei "dramatisch" und mache sie "sprachlos", sagt die Bildungspolitikerin. "Ich weiß nicht, wofür ich diesen Koalitionsvertrag mit ausgehandelt habe, es wird ja gar nichts umgesetzt – wofür haben wir dieses Papier?"

"Es ist extrem bitter, dass wir nicht einmal einen leichten Aufwuchs bei den Doppelbesetzungen hinbekommen", sagt auch Franziska Tell (Grüne). Entlastung für die Grundschulen sei "ein entscheidender Baustein" gewesen. Sie will aber die Hoffnung noch nicht aufgeben, dass es zu einem späteren Zeitpunkt doch noch mehr Stellen für Zweitkräfte geben könnte.

In jeder Stunde passiert etwas

"Wir brauchen die Doppelbesetzungen zwingend, denn die gesellschaftlichen Herausforderungen werden immer größer, und denen müssen wir irgendwie begegnen", sagt Angela Heidrich, Schulleiterin der Grundschule am Halmerweg in Gröpelingen. Eine Person könne es im Alltag nicht mehr leisten, der Unterschiedlichkeit der Kinder gerecht zu werden. "Mit zwei Menschen können wir besser auf die Lernsituation der Kinder eingehen und sie fördern, sowohl in der ganzen Klasse als auch in der Kleingruppe."

Es gebe keine Stunde, in der nicht irgendetwas passiert, schildert die Schulleiterin: "Ein Kind hat sich verletzt, es gab einen Todesfall in der Familie, die Eltern eines Kindes haben sich getrennt." Und ständig müsse man Konflikte zwischen den Kindern lösen. "Wenn zwei Personen in der Klasse sind, kann eine Person den Konflikt klären und die zweite weiter unterrichten", sagt Heidrich.

Schule handelt selbstständig

In der Schule am Halmerweg gibt es zwei Erzieherinnen mit jeweils einer halben Stelle aus dem Doppelbesetzungsprogramm. Die Schule versucht, sich mit Sonderpädagogen und pädagogischen Mitarbeitern stundenweise weitere Doppelbesetzungen zu bauen. Doch die Zweitkräfte müssten im Alltag ständig aus den Klassen abgezogen werden, um Vertretung in anderen Klassen zu übernehmen, wenn Lehrkräfte ausfallen, schildert Heidrich: "Ich wünsche mir kontinuierliche Doppelbesetzungen, das wäre der haltende Rahmen für die Kinder, das ist für unsere Kinder hier im Stadtteil so wichtig.“

"Es ist gut, dass schon in vielen Klassenräumen, vor allem in den herausfordernden Stadtteilen, eine zweite Kraft in den Klassen ist", sagt Bildungssenatorin Sascha Aulepp (SPD). Man wolle die Finanzierung für die bisherigen 35 Vollzeitstellen weiter sicherstellen. Das sei angesichts von Bremens Haushaltslage "bereits ein Kraftakt", sagt Aulepp. Der Koalitionsvertrag sei verhandelt worden, als man noch einen anderen Blick auf die finanzpolitische Entwicklung hatte, heißt es aus dem Bildungsressort.

Aktuell gibt es laut Bildungsbehörde in 27 von insgesamt 84 Grundschulen in der Stadt Doppelbesetzungen. Das heißt aber keineswegs, dass dort durchgehend zwei Kräfte im Klassenraum sind – eher, dass einige Klassen in manchen Stunden eine zweite Kraft haben.

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