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Bremer Bürgermeister Bovenschulte hält Abwahlantrag gegen Aulepp für "Sommertheater"

Im Bremer Haushalt fehlt Geld, und gegen die Bildungssenatorin liegt ein Abwahlantrag vor. Gibt es also eine Krise? Nein, eher "Sommertheater", sagt Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD).
02.08.2024, 05:00 Uhr
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Bovenschulte hält Abwahlantrag gegen Aulepp für
Von Jürgen Theiner

Herr Bovenschulte, erst vor wenigen Wochen hat die Bürgerschaft den Haushalt für 2024 beschlossen. Jetzt zerbröselt das Zahlenwerk schon, die ersten Senatsressorts erlassen Haushaltssperren, weil die Ausgaben über Plan liegen. Gutes Regierungshandwerk sieht anders aus, oder?

Andreas Bovenschulte: Das sehe ich nicht so. Jedem ist ja klar, dass der Bremer Haushalt auf Kante genäht ist. In Zeiten, wo die Wirtschaft schwächelt, die Ausgaben steigen und die Einnahmen stagnieren, ist das keine neue Nachricht. Was jetzt passiert, ist ganz normales Regierungshandeln. Zum Halbjahr findet immer ein Controlling statt, und dann schaut man sich an, wie sich die Ausgaben und Einnahmen tatsächlich entwickelt haben. Auf dieser Grundlage entscheiden dann die Senatsressorts, ob Sparmaßnahmen erfolgen müssen.

... was offenbar gerade der Fall ist.

Eine Haushaltssperre, bei der jede freiwillige Ausgabe von der Ressortspitze freigegeben werden muss, ist eine der möglichen Maßnahmen. Das Sozialressort hat in den vergangenen vier Jahren in jedem Sommer eine verhängt, um den Anstieg der Sozialausgaben zu begrenzen. Wir reden hier also von einem ganz normalen Instrument des Haushaltscontrollings.

Ganz so normal ist das nicht. Auch die Bildungs- und die Wissenschaftsbehörde ziehen gerade die Notbremse, weil ihnen die Ausgaben davongaloppieren. Dort gab es so etwas in den vergangenen Jahren nicht.

Noch einmal: Es ist verantwortliches Regierungshandeln, ständig im Blick zu behalten, dass man mit dem Geld hinkommt, das einem zur Verfügung steht. Insofern wird hier gerade etwas aufgeblasen zu einer außergewöhnlichen Angelegenheit, die es gar nicht ist.

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Sie sagen, der Bremer Haushalt sei auf Kante genäht. Um im Bild zu bleiben: Kann es sein, dass der Anzug insgesamt schlicht zu eng ist, sodass die Nähte reißen, wenn man sich auch nur ein winziges bisschen bewegt? Wenn es in den einzelnen Ressortbudgets null Puffer gibt, bekommt man schnell Probleme.

Wenn Entwicklungen eintreten, die man nicht vorhergesehen hat, muss man gegensteuern. Das ist der Sinn von Bewirtschaftungsmaßnahmen wie einer Haushaltssperre. Und ja: Wir müssen am Ende des Jahres mit dem Geld hinkommen, dass uns zur Verfügung steht.

Dann lassen Sie uns konkret werden: Wie soll beispielsweise die Bildungsbehörde auf der Kostenseite gegensteuern angesichts weiter steigender Zahlen von Schülern und Kita-Kindern? Das geht doch gar nicht.

Doch, das geht. Erst mal ist klar: Grundlegende Aufgaben werden auch weiter erfüllt. Jedes Kind wird beschult, und es wird nicht die Einrichtung eines einzigen Kita-Platzes am Geld scheitern. Aber man muss zum Beispiel eine frei werdende Stelle in der Verwaltung nicht sofort wiederbesetzen. Und man kann sich auch Gedanken über Einnahmeerhöhungen machen.

Stichwort Kita-Gebühren?

Wenn man feststellt, dass man bestimmte Gebühren seit sieben Jahren nicht erhöht hat, obwohl die Lebenshaltungskosten im gleichen Zeitraum um 40 Prozent gestiegen sind, dann darf man, glaube ich, über eine Anpassung nachdenken. Das Bildungsressort muss jetzt schauen, was da möglich ist. Angenehm ist das natürlich nicht.

Dann gehen also auch Sie davon aus, dass es zu einer Erhöhung der Kita-Gebühren kommen muss.

Das Ressort erarbeitet gerade Vorschläge. Niemand zahlt gern höhere Gebühren. Aber ich glaube, es wird Verständnis dafür geben, dass man über Maßnahmen nachdenkt, damit die Schere zwischen Kosten und Einnahmen nicht immer weiter auseinandergeht.

Die Sparzwänge in einigen Senatsressorts sind vielleicht nur das Vorgeplänkel zu deutlich größerem Ungemach. Wenn Sie Pech haben, müssen Sie den im Juni von der Bürgerschaft beschlossenen Haushalt ganz oder teilweise einstampfen, denn die FDP – und in Kürze wohl auch die CDU – klagen vor dem Staatsgerichtshof gegen das Zahlenwerk.

Die Klage der FDP wird keinen Erfolg haben. Davon bin ich überzeugt.

Hätten Sie denn einen Plan B? Ich darf daran erinnern: Im September 2023 prophezeiten Sie in der Bürgerschaft, dass der damals beschlossene Nachtragshaushalt rechtlich Bestand haben würde. Sie täuschten sich.

Ich bin trotzdem davon überzeugt, dass die Klage der FDP keinen Erfolg haben wird. Sollte das wider Erwarten anders sein, werden wir uns dann damit auseinandersetzen. Ich finde es aber bemerkenswert, dass es in Bremen eine Partei gibt, deren erklärtes Ziel es ist, die Umstellung der Hütte auf grünen Stahl zu sabotieren und die damit 3500 Arbeitsplätze alleine bei Arcelor aufs Spiel setzt.

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Sie sprechen das Sondervermögen von gut 300 Millionen Euro für die umweltgerechte Modernisierung des Stahlwerks an, das aus dem Haushalt gespeist wird.

Richtig. Die Klage der FDP richtet sich explizit gegen diese Investitionen.

Ist es nicht etwas unfair, der FDP zu unterstellen, sie wolle die Stahlwerke zerstören? Die FDP hat den Eindruck, dass dieser Teil des Bremer Haushalts nicht verfassungskonform ist, und lässt das nun rechtlich überprüfen. Das muss in einem Rechtsstaat möglich sein.

Die FDP hat doch in der Bürgerschaft ganz offen gesagt, dass sie dieses Geld, das in die Modernisierung der Stahlproduktion fließen soll, für eine Fehlinvestition hält. Und dass sie es anders ausgeben würde – oder auch gar nicht. Damit ist das Ziel doch klar: Die FDP will die Umstellung des Stahlwerks verhindern und gefährdet damit viele Tausend Arbeitsplätze. Natürlich steht es in einem Rechtsstaat jedem frei zu klagen. Eines aber muss man wissen: Die Konzernbosse schauen sich ganz genau an, ob Bremen hinter dem Stahlwerk steht oder nicht. Und die kleinste Unsicherheit kann dabei Einfluss auf die Investitionsentscheidung haben. Das kann man gut finden oder nicht, aber so ist die Realität.

Es gab zuletzt auch eine positive Nachricht für den Senat. Bremen erhält künftig jedes Jahr 170 Millionen Euro mehr Geld aus Berlin. Das hat mit der gestiegenen Einwohnerzahl zu tun. Was ermöglicht dieses Geld? Ist zumindest die Zeit der schuldenfinanzierten Notlagenhaushalte bald vorbei?

Wir müssen jetzt erst einmal die genaue Berechnung abwarten. Dann werden Bund und Länder über die Modalitäten der Zahlungen sprechen, und erst dann wissen wir, wie viel Geld wir wann bekommen. Richtig ist aber: Wir wollen so schnell wie möglich aus der Notlagenfinanzierung aussteigen.

Die aktuellen Finanzprobleme hatten zuletzt eine weitere Folge. Die CDU hat auf die Haushaltssperre in der Bildungsbehörde mit einem Misstrauensantrag gegen Senatorin Sascha Aulepp reagiert. Sie selbst haben im Senat vor diesem Hintergrund zur Geschlossenheit der Koalition aufgerufen. Das scheint ja nötig zu sein.

Was wir jetzt im Moment erleben, ist doch ein klassisches Sommertheater der CDU. Ich mache mir da fast ein bisschen Sorgen um die inhaltliche Qualität unserer Opposition. Erst fordern uns die Fachsprecher der CDU über Monate dazu auf, an allen möglichen Stellen im Haushalt mehr Geld auszugeben. Anschließend verlangen die Finanzpolitiker der CDU, dass wir im Haushalt mehrere Hundert Millionen Euro einsparen. Und jetzt wird der Senat dafür kritisiert, dass die Bildungssenatorin vorsorglich eine Haushaltssperre erlässt, damit das Geld bis zum Ende des Jahres reicht. Das hat mit seriöser Politik nicht ansatzweise etwas zu tun. Deshalb ist klar – und das haben ja auch die Koalitionsfraktionen erklärt: Dieser Abwahlantrag wird scheitern.

Das Gespräch führte Jürgen Theiner.

Zur Person

Andreas Bovenschulte

ist seit 2019 Bürgermeister und Präsident des Senats. Bei der Bürgerschaftswahl 2023 machte er die SPD wieder zur stärksten Partei. Der 58-Jährige ist promovierter Jurist. Von 2010 bis 2013 stand er an der Spitze der Landespartei.

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