Frage: Als Haushaltspolitiker haben Sie bis vor Kurzem den Finanzsenator kontrolliert, jetzt sind Sie selbst Senator. Wie fühlt sich dieser Seitenwechsel an?
Björn Fecker: Es ist eine neue Erfahrung für mich. Ich habe jetzt eine ganz andere Rolle. Glücklicherweise übernehme ich ein gut aufgestelltes Haus mit vielen engagierten Menschen um mich herum.
Ihr neuer Job ist es, den anderen Senatsressorts Geld zuzuteilen. Im Doppelhaushalt 2024/25, den Ihr Haus gerade entwirft, wird das schwierig. Zu hören ist: Es gibt zwar leichte Steigerungen für die einzelnen Bereiche, doch diese Zuwächse werden durch die Inflation mehr als aufgezehrt. Bremen kann in den nächsten beiden Jahren also real weniger Geld ausgeben. Richtig?
Wir werden jedenfalls einen engen Haushalt haben und bei den verschiedenen Ansprüchen Prioritäten setzen müssen. Aber das ist ja die Aufgabe von Politik. Es geht um die Kunst, das, was wir wollen, im Haushalt umzusetzen.
Wie lauten denn die Prioritäten?
Wir haben uns in der Koalition darauf verständigt, die Kita-Versorgung zu gewährleisten. Wir haben einen klaren Auftrag zur Bekämpfung des Klimawandels und der sozialen Spaltung sowie zur Stärkung der Wirtschaft. Dies ist für unsere Koalition eine wichtige Klammer.
Was bedeuten die schrumpfenden Spielräume für die Umsetzung des rot-grün-roten Koalitionsvertrags? Dort sind ja auch andere wichtige Ziele definiert wie etwa der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs und Hunderte zusätzlicher Polizisten.
In den ersten beiden Jahren werden wir nicht jedes Projekt aus dem Koalitionsvertrag umsetzen können. Vor allem müssen wir angefangene Projekte zum Erfolg bringen. Bei den anstehenden Haushaltsberatungen kommt es jetzt für uns darauf an festzulegen, welche Projekte real in den nächsten beiden Jahren stattfinden sollen.
Was halten Sie für aufschiebbar?
Ich mache jetzt nicht den Christian Lindner und schlage den anderen Ressorts vor, was sie tun oder lassen sollen. Aber meine Bitte an die Senatskolleginnen und -kollegen ist schon, dass wir im Rahmen der Haushaltsberatungen schauen, was wir kurzfristig überhaupt umsetzen können – was also die realen finanziellen Bedarfe sind. Damit meine ich beispielsweise: Wie viel Personal, das ein Ressort einstellen will, ist am Arbeitsmarkt überhaupt verfügbar? Welche Baumaßnahme lässt sich tatsächlich in den nächsten zwei Jahren realisieren? Daran bemisst sich, wie viel Geld man wirklich braucht. Soll heißen: Es geht um realistische Anschläge.
Was ist mit Großprojekten wie dem geplanten Energy Port in Bremerhaven, der beim Ausbau der erneuerbaren Energien helfen soll? Das Vorhaben hat hohe Priorität, aber eigentlich ist gar kein Geld dafür da. Die Rücklagen für das eingestellte Vorgängerprojekt Offshore-Terminal Bremerhaven sind komplett für andere Zwecke verfrühstückt worden.
Der Energy-Port ist für die Energiewende ein sehr wichtiges Projekt. Aber eben nicht nur für Bremen, sondern für die gesamte Republik. Insofern liegt es jetzt auch an uns als Senat, in den kommenden Monaten gegenüber der Bundesregierung klarzumachen, dass wir bei dem Vorhaben finanzielle Unterstützung brauchen.
Also Prinzip Hoffnung?
Nein, es geht darum herauszustellen, dass wir in Bremerhaven Infrastruktur nicht nur für das Land Bremen errichten, sondern für Deutschland insgesamt. Es gibt da ein gemeinsames politisches Ziel mit der Bundesregierung.
So argumentiert Bremen bei den Hafenlasten schon seit vielen Jahren gegenüber dem Bund. Allerdings mit sehr mäßigem Erfolg.
Die Situation hat sich aber verändert. Durch den Ukraine-Krieg und die Energiekrise ist allen bewusst geworden, welch enorme Bedeutung der Ausbau der Windkraft auf See hat. Insofern hilft da der Verweis auf die Vergangenheit nicht weiter.
Wenn Bremen finanziell weiter unter Druck gerät – können Sie sich vorstellen, auf die Opposition in der Bürgerschaft zuzugehen und mit ihr über eine Lockerung der Schuldenbremse in der Landesverfassung zu sprechen?
Die Schuldenbremse – also das Verbot der Neuverschuldung – wird ja gerade auch im Bund breit diskutiert. Eine generelle Abschaffung halte ich für falsch. Wir brauchen aber eine gewisse Flexibilität, um große Investitionen zu stemmen. Die Vorstellung, Geld für riesige Infrastrukturprojekte über Jahre anzusparen oder aus dem laufenden Haushalt zu finanzieren, ist nicht realistisch.
Einerseits steht der normale Haushalt gerade wieder unter hohem Druck. Zugleich verfügen Sie aber über einen kreditfinanzierten Sondertopf für Klimaprojekte. Er ist mit 2,5 Milliarden Euro gefüllt. Sie müssen also zugleich bremsen und Gas geben.
Die 2,5 Milliarden Euro verschaffen uns große Spielräume auf wichtigen Feldern: Transformation der Wirtschaft, Verkehrswende, Modernisierung der öffentlichen Gebäude. Zu behaupten, wir hätten gar keine Handlungsspielräume, ist also falsch. Eine der großen Herausforderungen wird sein, dieses Geld tatsächlich rasch klimawirksam auszugeben.
... trotz der Engpässe bei Planungskapazitäten, Projektsteuerung und verfügbaren Fachkräften.
Wir müssen schneller werden, dieses Ziel ist vollkommen klar. Dabei geht es zum Beispiel um die Dauer von Genehmigungsverfahren. Wir brauchen beschleunigte Prozesse und auch genügend qualifizierte Mitarbeiter, die solche Verfahren vorantreiben. Wir brauchen Strukturen, die uns in die Lage versetzen, das Ziel der Klimaneutralität schneller zu erreichen.
Was ist eigentlich, wenn sich der Klimafonds doch noch in Luft auflöst? Die CDU-Bürgerschaftsfraktion klagt dagegen vor dem Staatsgerichtshof.
Aus dem Klimaprogramm soll beispielsweise die Umrüstung der Stahlwerke gefördert werden. Wir versuchen selbstverständlich, hierfür auch weitere Mittel von Bund und EU einzuwerben. Aber Bremen muss auch eigenes Geld einbringen. Und das ist aus dem regulären Haushalt schlichtweg nicht zu stemmen. Was die CDU gerade macht, ist also fatal für die Bekämpfung des Klimawandels und gefährlich für den Wirtschaftsstandort Bremen.
Die geplanten 2,5 Milliarden Euro zusätzlicher Schulden für den Klimaschutz haben den Stabilitätsrat von Bund und Ländern veranlasst, von Bremen ein Konsolidierungskonzept zu verlangen. Es soll im Herbst vorgelegt werden. Was können Sie dem Stabilitätsrat versprechen?
Wir müssen unsere finanziellen Kennzahlen verbessern. Das ist unstrittig. Wir werden im Dezember eine Sanierungsvereinbarung mit dem Bund und den anderen Ländern schließen müssen. Es gilt deshalb, unsere Haushaltsaufstellung für 2024/25 zügig voranzubringen, denn sie ist die Basis für die Verhandlungen mit Bund und Ländern.
Das klingt sehr technisch. Was heißt das konkret?
Im Grundsatz müssen wir sicherstellen, dass wir mehr Geld einnehmen, als wir ausgeben, um Kredite abzubezahlen. Das ist natürlich eine große Herausforderung. Ich bin kein Freund davon, zu diesem Zeitpunkt einzelne konkrete Dinge zu benennen. So etwas hat in der Vergangenheit schon nicht richtig geklappt. Zentrale Aufgabe ist es aus meiner Sicht, über eine vernünftige Haushaltssteuerung sicherzustellen, dass wir unsere Schulden bezahlen und gleichzeitig politische Schwerpunkte setzen können.
Sind Steuererhöhungen ein Thema?
Dass wir die Wirtschaft mit einer Anhebung der Gewerbesteuer belasten, das sehe ich nicht.