Gemessen an den Herausforderungen, kommt die Bremer Politik recht gemächlich aus ihrer XXL-Sommerpause. Seit der Wahl im Mai haben keine Gremiensitzungen mehr stattgefunden, und für den Rest des Monats sind noch keine neuen angesetzt. Erst in zwei Wochen wird die Bürgerschaft zu ihrer ersten regulären Sitzung seit der Senatswahl zusammenkommen.
Dabei sind sich die Akteure im Regierungslager eigentlich darüber im Klaren, dass auf wichtigen Feldern zügig gehandelt werden muss. Nach allgemeiner Einschätzung zeichnen sich drei zentrale Punkte für die politische Agenda im Herbst ab: Sicherheit, Zukunft der Krankenhauslandschaft, Haushalt.
Sicherheit
Nicht nur das subjektive Sicherheitsempfinden vieler Bremer hat in jüngerer Zeit gelitten, auch die objektiven Zahlen sprechen eine klare Sprache. So ist die Zahl der registrierten Straftaten im Bereich des Hauptbahnhofs im vergangenen Jahr auf 2600 gestiegen, was gegenüber dem Vor-Corona-Jahr 2019 einen Anstieg um mehr als die Hälfte bedeutet – obwohl die Polizei vor Ort stark präsent ist. Der behördliche Druck auf die Bahnhofsszene hält an, und gerade das scheint ein Grund dafür zu sein, dass sich Drogenkriminalität, Raub- und Gewaltdelikte und damit einhergehende Verwahrlosungstendenzen zunehmend in die innenstadtnahen Ortsteile verlagern – so wie etwa im Bereich des Lucie-Flechtmann-Platzes in der Neustadt, der von Anwohnern zunehmend als Angstraum wahrgenommen wird.
SPD, Grüne und Linke haben in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, im Bereich des Hauptbahnhofs und der nahen ÖPNV-Haltestellen ein Alkoholverbot zu verhängen und durchzusetzen. Doch kaum, dass der neue Senat seine Arbeit aufgenommen hat, zeigen sich innerhalb des Bündnisses wieder die grundsätzlichen Differenzen auf dem Gebiet der inneren Sicherheit. Nach Informationen des WESER-KURIER wollte die SPD-geführte Innenbehörde die Alkohol-Bannmeile ein wenig über den unmittelbaren Haltestellenbereich vor dem City-Gate-Gebäude ausdehnen. Doch das ist mit Linken und Grünen offenbar nicht zu machen.
Im Rathaus ist man sich indes bewusst, dass es in weiten Teilen der Bevölkerung eine klare Erwartungshaltung in Sachen Sicherheit und Sauberkeit gibt. Zu welchen Maßnahmen sich die Koalition aufraffen kann, wird sich in den nächsten Monaten zeigen.
Krankenhäuser
Die stationäre Gesundheitsversorgung ist im Umbruch, und das gilt deutschlandweit, seit Minister Karl Lauterbach (SPD) eine entsprechende Strukturreform angekündigt hat. Die Kompromisssuche mit den Ländern zieht sich hin. Parallel hatte Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard (Linke) bereits im vergangenen Jahr einen Prozess zur Neuordnung der Bremer Kliniklandschaft angeschoben. Er erfasst nicht nur den stadteigenen Verbund Gesundheit Nord (Geno), sondern ebenso die Häuser der gemeinnützigen und privaten Träger. Das Ziel lautet: Bündelung von Behandlungsangeboten an den diversen Standorten. Parallel muss Bernhard die Geno wirtschaftlich stabilisieren – was auch bedeutet, in erheblichem Umfang Betten abzubauen. Geplant ist deshalb der Verzicht auf den Standort Links der Weser (LdW) und die Verlagerung des dortigen Herzzentrums ans Klinikum Mitte.
Der Geno-Aufsichtsrat hat eine entsprechende Empfehlung bereits ausgesprochen, ein Senatsvotum steht noch aus. Die Gegner einer LdW-Schließung machen derweil mobil. Für die zweite Septemberhälfte ist eine Regionalkonferenz der Beiräte im Bremer Süden vorgesehen, an der auch Vertreter des Senats und der Geno-Geschäftsführung teilnehmen werden. Dabei dürfte es nicht zuletzt darum gehen, dem Stadtbezirk ein akzeptables Angebot für eine LdW-Anschlusslösung zu machen, etwa in Form eines größeren ambulanten Versorgungszentrums. Ob und wie es Gesundheitssenatorin Bernhard gelingt, die Strukturreform sowohl der Geno als auch der Bremer Krankenhauslandschaft weiter voranzutreiben, ist das zweite große Thema für den Herbst.
Finanzen
Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Geno leiten unmittelbar über zu den finanzpolitischen Herausforderungen, denen sich der neue Senat gegenübersieht. Allein für das laufende Jahr erwartet die Geno, dass ihre vier Häuser mehr als 57 Millionen Euro Miese machen. Als alleiniger Gesellschafter der Geno muss die Stadt Bremen für solche Schulden geradestehen. Ein solcher Aderlass am städtischen Haushalt ist genau das, was der neue Finanzsenator Björn Fecker (Grüne) nicht gebrauchen kann. Seine Behörde bereitet gerade die Haushalte 2024/25 für Stadt und Land vor. Anfang September soll im Senat der sogenannte Eckwertebeschluss gefasst werden. Dieser Beschluss ist eine wichtige Etappe bei der Haushaltsaufstellung. Er weist den einzelnen senatorischen Behörden Budgets zu, die sie dann in den folgenden Monaten weitgehend eigenständig ausgestalten können. Danach werden die Einzeletats der Behörden zu einem Haushaltsentwurf zusammengefasst, der schließlich in die parlamentarische Beratung geht.
Nach allem, was man hört, werden die Senatsressorts 2024/25 real mit weniger Geld auskommen müssen. Zwar wird Feckers Behörde die Ansätze aus dem alten Haushalt nominell wohl leicht erhöhen. Doch weil Inflation und Personalkostenentwicklung deutlich darüber liegen, können die Ressorts mit dem ihnen zugeteilten Geld absehbar weniger bewirken. Das dürfte im weiteren Verlauf der verwaltungsinternen Etat-Vorbereitungen für Ärger sorgen. Fecker steht unter zusätzlichem Druck, weil der Stabilitätsrat von Bund und Ländern von Bremen ein Konsolidierungsprogramm gefordert hat. Hintergrund sind die zusätzlichen Belastungen, die sich das kleinste Bundesland mit seinem 2,5 Milliarden Euro umfassenden Klimaschutzprogramm aufgebürdet hat. Feckers Sparvorschläge werden in Berlin im vierten Quartal erwartet.