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Falk Wagner im Interview Was der neue Bremer SPD-Chef vorhat

Falk Wagner ist der zweitjüngste Landesvorsitzende in der Geschichte der Bremer SPD. Wie sich der Generationswechsel bemerkbar machen soll, sagt Wagner im Interview mit dem WESER-KURIER.
11.11.2024, 05:29 Uhr
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Was der neue Bremer SPD-Chef vorhat
Von Jürgen Theiner

Frage: Herr Wagner, Sie übernehmen Ihr Amt in bewegten Zeiten. Die SPD-geführte Bundesregierung ist gerade zerbrochen, und es könnte gut sein, dass das Kanzleramt für Ihre Partei auf lange Zeit verloren ist.

Falk Wagner: Ich halte das nicht für ausgemacht. Die Debattenlage hat sich in den vergangenen Tagen grundlegend geändert. Der Bundeskanzler hat gezeigt, dass er die für das Land notwendigen Entscheidungen über den taktischen Vorteil stellt. CDU-Chef Merz macht genau das Gegenteil. Im jetzt kommenden Wahlkampf werden mehr und mehr Menschen zu dem Schluss kommen: Merz ist als Kanzler nicht geeignet.

Mit 35 Jahren sind Sie nach Henning Scherf der zweitjüngste Landesvorsitzende, den die Bremer SPD je hatte. Woran wird man den Generationswechsel, der sich am Wochenende auf dem Landesparteitag vollzogen hat, konkret bemerken?

Ganz sicher an der Themensetzung. Beispiel: Wohnheime für Auszubildende. Das ist mir sehr wichtig. Wir kümmern uns seit Jahrzehnten um Wohngelegenheiten für Studierende, das ist gut. Aber für junge Leute, die sich für eine Berufsausbildung entscheiden, gibt es bisher nichts Vergleichbares. Das muss sich ändern. Die SPD wird unter meiner Führung sicher auch digitaler und auf Social Media sichtbarer werden. An den Werten, für die wir stehen, ändert sich aber nichts.

Aber an der Ansprache der Menschen müsste sich schon etwas ändern, oder?

Wer mich kennt, der weiß vielleicht, dass ich da etwas lockerer unterwegs bin. Mein Vorgänger Reinhold Wetjen hat sich zudem stark auf das Wirken nach innen gerichtet. Ich werde auch nach außen Klartext reden und ganz gewiss kein Beamtendeutsch.

Rund zwei Drittel der Bremer Sozialdemokraten sind über 60 Jahre alt. Wie wollen Sie junge Leute für ein Engagement in so einer Partei gewinnen? Die machen doch auf dem Absatz kehrt, wenn sie zum ersten Mal eine Ortsvereinsversammlung betreten.

Ich glaube nicht, dass junge Leute sofort umdrehen, wenn sie ältere Leute sehen. Aber natürlich gehen junge Menschen gern dorthin, wo auch Gleichaltrige sind. Genau dafür haben wir die Jusos, einen sehr attraktiven Verband, bei dem sich viele linke junge Leute sehr gut aufgehoben fühlen.

Mit Verlaub: Die Jusos sind eine Akademikerversammlung. Da treffen fast nur Politologiestudenten aufeinander.

Von den beiden Juso-Vorsitzenden in der Stadt Bremen arbeitet die eine als Software Consultant und die andere macht eine Ausbildung. Das Klischee teile ich also nicht. Aber natürlich: Wer einen Beruf anstrebt, der mit dem Gemeinwesen zu tun hat, stößt oft zur Sozialdemokratie. Daran kann ich nichts Schlechtes finden. Allerdings interessieren sich tatsächlich nur wenige junge Leute, die eine Berufsausbildung absolvieren, für ein Engagement in den Parteien. Das betrifft nicht nur die SPD. Für uns heißt das: Wir müssen Auszubildende thematisch klarer adressieren als in der Vergangenheit.

Und wie geht das?

Da kann man etwas von den Älteren lernen. Also von denen, die 1972 jung waren und Henning Scherf zum Landesvorsitzenden gewählt haben. Die versprachen sich von der SPD, dass sie ihren sozialen Aufstieg befördert, nicht zuletzt durch eine bessere Bildung.

Diese Erwartung scheint bei jungen Leuten schon seit einiger Zeit nicht mehr zu bestehen. Sonst sähe die Parteibasis anders aus.

Wir haben tatsächlich nicht mehr den Zuspruch einer ganzen Generation. Das geht allerdings nicht nur uns so, sondern auch anderen Parteien, den Kirchen und sozialen Organisationen. Aber Sie haben recht: Das Aufstiegsversprechen, das die SPD für die Generation von 1972 erreicht hat, muss aufs Neue eingelöst werden. Wir müssen da wieder klare Botschaften aussenden. Stichwörter sind BAföG-Ausweitung oder eben Wohnheime auch für Azubis.

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Sprechen wir noch über die rot-grün-rote Koalition. Es gab zuletzt Streit um das Abstimmungsverhalten im Bundesrat, über die Baupolitik und über die Frage, ob Quereinsteiger ohne einschlägige Qualifikation in Kitas tätig sein sollen. Diese Häufung fällt schon auf. Wie viel Zukunft hat diese Koalition noch?

Ich finde, dass Rot-Grün-Rot in Bremen weitgehend geräuschlos arbeitet – gerade wenn man den Druck berücksichtigt, unter dem alle drei Bündnispartner bundesweit gerade stehen. Und wenn man sich die finanziellen Rahmenbedingungen vor Augen führt, die uns allen schmerzliche Abstriche bei der Umsetzung von Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag abverlangen. Gemessen daran, kann man angetan sein von der Art und Weise, wie diese Koalition ihre Kompromisse nach außen vertritt.

Es besteht also kein Anlass, über andere Farbkombinationen nachzudenken, etwa Rot-Schwarz?

Aus meiner Sicht nicht.

Das Gespräch führte Jürgen Theiner.

Zur Person

Falk Wagner

ist neuer Landesvorsitzender der SPD. Der 35-Jährige stand zuvor sechs Jahre lang an der Spitze der SPD in der Stadt Bremen. Er ist Referent beim Senator für Finanzen und gehört seit 2019 der Bremischen Bürgerschaft an.

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