Die 2768 Unterschriften konnten sich sehen lassen. Selten erreicht eine Onlinepetition, die auf der Website der Bremischen Bürgerschaft veröffentlicht wird, eine so hohe Zahl an Mitzeichnern. Doch die Initiative „Kitastrophe“ traf offenbar einen Nerv, als sie sich im Frühjahr 2023 an die Öffentlichkeit wandte. „Mit dem Bobbycar voll gegen die Wand“ lautete die Überschrift der Petition, mit der die Elterngruppe für bessere Bedingungen bei der frühkindlichen Bildung mobilmachte. Tausende Kitaplätze fehlten trotz des bundesgesetzlichen Rechtsanspruchs auf Betreuung. Das sei „ein bildungspolitisches Armutszeugnis“. Konkret gefordert wurden unter anderem ein vereinfachter Zugang zur Erzieherausbildung, ein besserer Betreuungsschlüssel in den Kitagruppen und eine unkomplizierte Rückerstattung bereits gezahlter Gebühren bei Betreuungsausfall.
Nicht, dass die Mitglieder der Initiative von einer raschen Erfüllung ihrer Wünsche ausgingen. So naiv waren sie nicht. Ein gutes Jahr nach Ende der Zeichnungsfrist sind sie jedoch ernüchtert über den Umgang der Politik mit der Petition. „Wir reden immer nur darüber, dass wir ein Problem haben“, sagt Claudia Bollmann, eine der Initiatorinnen von „Kitastrophe“. In der Sache bewege sich jedoch wenig.
Bollmann zeichnet den Weg nach, den die Petition auf ihrem Weg zwischen den zuständigen Bürgerschaftsausschüssen und der Bildungsbehörde nahm. Aus dem Bildungsressort von Senatorin Sascha Aulepp (SPD) gab es Ende April 2023 eine erste Stellungnahme. Darin beschrieb Staatsrat Torsten Klieme auf sieben Seiten, was bereits alles unternommen werde. Der Senat habe „eine Vielzahl von Maßnahmen eingeleitet und umgesetzt, die dem Ansinnen der Petenten entsprechen“, fasste Klieme seine Sicht der Dinge zusammen. Im November wurde die Initiative in den Petitionsausschuss eingeladen, um dort ihren Standpunkt darlegen zu können.
Deputation: Bildungssenatorin hat viele Maßnahmen auf den Weg gebracht
Ergebnis: Überweisung in die Bildungsdeputation. Dort durften die „Kitastrophe“-Aktivistinnen im Februar nochmals ihre Argumente vortragen. Im Juni schließlich erreichte die Gruppe eine inhaltliche Stellungnahme der Bildungsdeputierten. Der Tenor ist ähnlich wie der des Klieme-Briefs. „Die Deputation hat mehrheitlich die Überzeugung gewonnen, dass die Senatorin für Kinder und Bildung bereits vielfältige Maßnahmen auf den Weg gebracht bzw. forciert hat, die auf eine Verbesserung der Situation abzielen“, heißt es darin.
Mag alles sein, sagen die Initiatorinnen. Man merke nur nicht viel von diesen Verbesserungen. Auch im kommenden Betreuungsjahr werde es wieder eine vierstellige Zahl unversorgter Kinder geben, deren Eltern dadurch zum Teil gehindert seien, einer Erwerbsarbeit nachzugehen. Claudia Bollmann und ihre Mitstreiterin Juliane Klug zeigen sich im Gespräch mit dem WESER-KURIER enttäuscht. Von ihrer Petition und dem darin zum Ausdruck gekommenen Bürgerwillen hätten sie sich mehr Wirkung erhofft.
Dem Vorsitzenden des Petitionsausschusses, Claas Rohmeyer, begegnet diese Reaktion nicht zum ersten Mal. „Gerade wenn das Ziel einer Petition eher allgemeinpolitisch ist und sich nicht auf einen ganz konkreten Fall von Verwaltungshandeln bezieht, ist es für uns schwer, etwas im Sinne der Petenten zu bewirken“, räumt der Christdemokrat ein. Miriam Strunge, die Vorsitzende der Bildungsdeputation, hat indes nicht das Gefühl, dass „Kitastrophe“ ein Flop war. Ganz und gar nicht. „Aus meiner Sicht sind die Initiatorinnen sehr erfolgreich“, sagt die Linken-Politikerin. Sie hätten sich auch medial Gehör verschafft und „den Druck auf die politischen Akteure erhöht“. „Kitastrophe“ sei zudem kurz davor, ein Teilziel zu erreichen: die Bevorzugung von Kindern von Erzieherinnen bei der Zuteilung von Kitaplätzen. Ein entsprechender Beschluss wird voraussichtlich im September von der Bürgerschaft gefasst. „Es mag abgedroschen klingen“, weiß Strunge, „aber die Mühlen der Politik mahlen langsam.“