Es könnte alles so harmonisch sein in Bremens rot-grün-roter Koalition. Sie hat sich auf einen Haushalt für 2025 verständigt und wird ihn am Donnerstag durch die Bürgerschaft bringen. Danach geht es in die Weihnachtsferien. Doch von vorfestlicher Stimmung kann keine Rede sein. Die Gemütslage ist so miserabel wie wohl noch nie seit dem Start des Dreierbündnisses im Sommer 2019.
Binnen weniger Wochen sind mehrere Konflikte dermaßen eskaliert, dass zwischen einigen Akteuren kaum noch vermittelt werden kann. Das gilt zuallererst für Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) und die Linken. Deren Verhältnis war immer schon angespannt. Doch seit Mäurers Behörde die Polizei losschickte, um einen jungen Somalier aus dem Kirchenasyl zu holen, ist der "rote Sheriff" bei den Linken unten durch. Zwar gab es an Mäurers Schritt auch von Grünen und Jusos Kritik. Doch die schrille Rhetorik einiger Linken erinnert an den Schlachtenlärm aus der Endzeit der Berliner Ampelkoalition.
Die Attacken auf den Innensenator sind objektiv überzogen. Mäurer vollzieht geltendes Recht, wenn er Asylbewerber, die sich zuerst in einem anderen EU-Land aufgehalten haben, wieder dorthin überstellen lässt. Seine Kritiker brandmarken ihn dafür als Menschenrechtsverletzer – gerade so, als wolle Mäurer den jungen Somalier mit einem Fallschirm über seinem Heimatland abwerfen lassen.
Die Maßlosigkeit der Vorwürfe ist gepaart mit erschreckendem Hochmut gegenüber europäischen Nachbarländern. Stumpf wird behauptet, in EU-Staaten wie Finnland, Schweden und Spanien würden Asylverfahren nicht rechtskonform betrieben. So viel Dünkel, so viel "An deutschem Wesen soll die Welt genesen" war aus linken Kreisen wohl selten zu hören.
Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) sah sich am Dienstag dazu veranlasst, sich schützend vor seinen Innensenator zu stellen und die Angriffe als das zu bezeichnen, was sie sind: weder in der Sache gerechtfertigt noch im Ton akzeptabel. Ob es dem Rathauschef gelingt, mit dieser Ansage den Brandherd in der Koalition zu löschen, ist allerdings ungewiss. Zumal er ja selbst an anderer Stelle mitgezündelt hat.
Eine von Bovenschulte ins Leben gerufene "Senatskommission Wohnungsbau", die im Oktober ihre Arbeit aufnahm, soll Baustandards und planungsrechtliche Vorschriften entschlacken, um so mehr Dynamik in der Bauwirtschaft zu entfachen. Die inhaltlich teils dürftigen Vorschläge, die Grundlage der ersten Beratungen waren, mussten von den Grünen als Affront empfunden werden, laufen sie doch auf einen weitgehenden Abbau klimapolitischer Vorgaben hinaus. Der Bürgermeister mag diese Rückabwicklung bisheriger Bremer Baupolitik für sachlich geboten halten. Dass sich die Grünen diesen Angriff auf ihren Markenkern nicht einfach gefallen lassen konnten und entsprechend ungehalten reagierten, hat er aber zumindest billigend in Kauf genommen.
Währenddessen wird der Handlungsbedarf im SPD-geführten Bildungsressort immer deutlicher. Zuletzt hatten die Linken heftige Kritik an den Plänen von Senatorin Sascha Aulepp geübt, Betreuungskräfte ohne einschlägige Qualifikation in Bremer Kitas einzusetzen. Und erst vor wenigen Tagen machte Aulepp in der Diskussion um einen Runden Tisch zum Thema Bildung wieder einmal keine gute Figur. Statt sich selbst an die Spitze der Bewegung zu stellen und die relevanten Akteure für ein Alle-Mann-Manöver in der Bildungspolitik einzuspannen, ließ sich die Senatorin tagelang von der Schulleitungsvereinigung und anderen Verbänden vor sich hertreiben, bis sie in den Runden Tisch einwilligte. Für Aulepp war es nicht die erste verpasste Chance.
Klar ist: Im Regierungsbündnis hat sich viel Unmut aufgestaut, der sich aus verschiedenen Quellen speist. Die Zündschnur ist bei vielen Koalitionären kürzer geworden. Entweder gelingt es Rot-Grün-Rot, sich neu zu erfinden und das Konfliktmanagement zu verbessern, oder die Koalition zerlegt sich. Der aktuelle Stresslevel lässt sich bis zur Wahl 2027 jedenfalls kaum durchhalten.