Für den öffentlichen Nahverkehr in Bremen hätte das eine glückliche Fügung werden können: Erst macht das Neun-Euro-Ticket den Umstieg auf Bus und Bahn attraktiv, dann überzeugt die BSAG die neuen Fahrgäste mit einem verbesserten Angebot. Der bundesweite Billigtarif läuft am 31. August aus, ab Anfang September sollten die Linien 1, 4, 6, 24, 25, 26 und 27 in einer engeren Taktung fahren. So will es ein Senatsbeschluss aus dem Dezember, der Bremen-Nord und Schwanewede auch die neue Nachtlinie N8 verspricht. Doch daraus wird nichts.
Gegenüber dem WESER-KURIER hatte BSAG-Vorstand Hajo Müller Anfang Juli eingeräumt, dass die engere Taktung der Hauptlinien erst im Januar kommt. Als Grund nannte er personelle Engpässe aufgrund einer hohen Quote an krankheitsbedingten Ausfällen. Mit dem bestehenden Personal sei es schon eine große Herausforderung, den aktuellen Fahrplan zu bedienen.
Aus der Bürgerschaft äußern sich dazu Verkehrspolitiker von SPD und CDU überrascht und besorgt. Trotz vieler Kontroversen um die Verkehrswende besteht Konsens darin, dass es einen besseren ÖPNV braucht, um die klimaschädlichen Emissionen des Verkehrssektors zu senken.

Anja Schiemann (SPD).
"Die Verschiebung hat mich sehr überrascht. Die Angebotsoffensive ist beschlossene Sache, die Umsetzung sollte dringend noch in diesem Jahr angegangen werden", sagt Anja Schiemann (SPD). Wenn die BSAG diesen Dienstleistungsauftrag nicht erfüllen könne, müsse Mobilitätssenatorin Maike Schaefer (Grüne) die Verkehrsdeputation darüber informieren. Dies sei aber bis heute nicht geschehen. "Ich werde deshalb bis zur nächsten Sitzung einen Bericht der Verwaltung einfordern", betont Schiemann.
Bodeit: "Vertane Chance"
Für Hartmut Bodeit (CDU) ist die verschobene Angebotsverbesserung eine vertane Chance, neu gewonnene Fahrgäste langfristig zu überzeugen. "Ich habe Bedenken, ob die engere Taktung dann im Januar tatsächlich kommt", warnt der Christdemokrat. Bodeit verweist auch auf eine Kleine Anfrage seiner Fraktion zu der Personalnot bei der BSAG. Diese hatte der Senat im März dieses Jahres beantwortet.
"Die 'personellen Reserven' der BSAG sind zum aktuellen Zeitpunkt
nicht ausreichend, um das bestellte Angebot zu bedienen", hieß es darin von der Landesregierung. Deshalb erfolge eine Erhöhung des Personalbestands. Für die im September vorgesehene erste Angebotsverbesserung brauche es 25 zusätzliche Vollzeitstellen.
Der Senat erklärte auch, wie sich die Zahl der Bus- und Bahnfahrer in den vergangenen Jahren entwickelt hat. Von 2014 bis 2021 stieg sie von 968 auf 1046. Gleichzeitig sank aber auch die sogenannte Gesundheitsquote, also der Anteil der tatsächlich einsatzbereiten Fahrer. Im Jahr 2014 waren noch durchschnittlich 89,6 Prozent gesund, 2021 hingegen nur noch 84,5 Prozent. Auch vor Corona lag dieser Wert 2019 mit 85,8 Prozent niedriger als in den Jahren zuvor.
Laut BSAG-Sprecher Andreas Holling waren in diesem Jahr in jüngster Zeit 82 bis 84 Prozent der Fahrer gesund. "Es bringt nichts, mit einem besseren Angebot zu werben, wenn dann die Linien ausfallen", argumentiert er. Schon in den vergangenen Wochen sei es krankheitsbedingt nicht immer möglich gewesen, den Fahrplan einzuhalten. "Im Juni konnten wir an manchem Tagen bis zu sechs Prozent der geplanten Leistung nicht erbringen. Es gab aber natürlich auch Tage, an denen alle Linien gefahren sind", erklärt Holling.
Ausfälle durch Corona
Teilweise ist der hohe Krankenstand noch immer mit Corona zu erklären. "Wir haben in der Pandemie vorsichtig agiert und in gewissen Phasen auch Kontaktpersonen frühzeitig aus dem Fahrdienst genommen", erläutert Holling. Trotzdem sei Corona nicht die einzige Ursache für die aktuellen Probleme. Schließlich seien schon davor über zehn Prozent der Fahrer krank gewesen.

Hartmut Bodeit (CDU).
Weil der Nahverkehr viele Vorgaben wie die zwischenzeitliche 3G-Regel oder die Maskenpflicht umzusetzen hat, ist auch die Arbeitsbelastung der Fahrer gestiegen. Könnte sich das im Krankenstand niederschlagen? "Dazu können wir als Arbeitgeber nichts sagen, wir kennen die Diagnosen nicht", erklärt Holling. Für CDU-Politiker Bodeit macht es sich die BSAG da zu leicht: "Mit anonymen und freiwilligen Befragungen haben große Unternehmen sehr wohl die Möglichkeit, dieser Frage nachzugehen."
Nach eigenen Angaben braucht die BSAG bis zum Jahresende rund zwei Dutzend zusätzliche Fahrer, um das bessere Angebot umsetzen zu können. Man werde aber deutlich mehr Beschäftigte einstellen und ausbilden, um auch die altersbedingten Abgänge zu kompensieren. "Wir haben zuletzt auch erstmals einen Recruiting-Day veranstaltet, zu dem wir 40 Bewerber eingeladen haben. Davon hielten 20 am Ende des Tages einen Arbeitsvertrag in ihren Händen", berichtet Holling.