Die Ständige Wissenschaftliche Kommission (SWK) der Kultusministerkonferenz hat am Freitag ein Bündel von Vorschlägen zur schnellen Bekämpfung des Lehrermangels vorgelegt. Gedacht sind diese Vorschläge als zeitlich befristete Notmaßnahmen. Der WESER-KURIER hat bei der Bildungsbehörde und der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) nachgefragt, wie sie zu den Kernpunkten stehen.
Die SWK will die Teilzeitarbeit begrenzen. Dabei geht es insbesondere um jene Lehrkräfte, die weniger als 50 Prozent einer vollen Stelle arbeiten. Das soll nur noch erlaubt werden, wenn dafür wirklich triftige Gründe vorliegen: etwa die Betreuung kleiner Kinder.
Zwar will die Bildungsbehörde den Teilzeitanteil senken. Dabei gilt aber das Prinzip der Freiwilligkeit. "Wir appellieren an die Lehrerinnen und Lehrer, weniger Teilzeit zu machen und im Rahmen ihrer Möglichkeiten mehr Stunden zu unterrichten. Und das mit Erfolg", sagt Bildungssenatorin Sascha Aulepp (SPD). Eine striktere Auslegung der Teilzeitregeln kommt für die Bildungsgewerkschaft GEW nicht infrage. "Triftige Gründe haben alle Teilzeitbeschäftigten, die wenigsten verzichten freiwillig auf Lohn und Gehalt", sagt Landesvorstandssprecherin Elke Suhr. In der Stadtgemeinde Bremen arbeiten 43 Prozent der Lehrkräfte nicht über die volle Stundenzahl. 203 Lehrkräfte unterrichten weniger als die Hälfte, das ist ein Anteil von 3,6 Prozent.
Zusätzliche Entlastung verspricht sich die SWK von einer höheren Unterrichtsverpflichtung. Sachsen-Anhalt will seine Lehrkräfte als erstes Land eine Stunde mehr pro Woche unterrichten lassen. In Bremen liegt das sogenannte Deputat zwischen 25 und 28 Stunden.
Einer höheren Pflichtstundenzahl erteilt Bremen eine klare Absage. "Eine Anhebung der Unterrichtsverpflichtung in Bremen ist nicht geplant", sagt Aulepp. Das genaue Gegenteil einer Erhöhung hat sich die GEW auf die Fahnen geschrieben. "Wir fordern eine Stundenreduzierung", so Suhr. Das Personal arbeite ohnehin schon am Limit, da könne man das Deputat nicht erhöhen. Zumal das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht schon 2015 eine Erhöhung auf 24,5 Stunden an Gymnasien für unzulässig erklärt habe. Fazit: "Die SWK hat keine Ahnung von Arbeitsschutz." Zuletzt hat Bremen das Deputat für alle Lehrkräfte 1997 um zwei Stunden erhöht.
Die SWK regt an, verbeamtete Lehrkräfte an unterversorgte Schulen abzuordnen. Das Dienstrecht ermögliche eine zeitlich befristete Abordnung. Mit Personalvertretern sollen "Anreizstrukturen" entwickelt und "Zumutbarkeitskriterien" festgelegt werden.
Bislang hat sich die Bildungsbehörde eher zurückhaltend zum Thema Abordnungen geäußert. Nun sagt Senatorin Aulepp: "Wir brauchen auch Abordnungen und Versetzungen. Wenn es da kein Einvernehmen gibt, dann haben wir eine gute Dienstvereinbarung mit dem Personalrat Schulen, nach der verfahren wird." Die Abordnung von Lehrkräften an unterversorgte Schulen hat in Bremen schon der Zentralelternbeirat (ZEB) gefordert. Auch CDU und Linke betrachten Abordnungen als mögliches Mittel zur Behebung akuter Personalprobleme. Skeptisch äußert sich dagegen die GEW. "Abordnungen sind vielleicht möglich, werden aber nicht richtig gut funktionieren", sagt Suhr. Als Konsequenz bestehe die Gefahr, dass Lehrkräfte in andere Bundesländer abwandern.
Die SWK will Hand an die Sabbatjahre legen. Das Prinzip der Sabbaticals: Man arbeitet für reduziertes Gehalt über einen bestimmten Zeitraum voll weiter, um dann in einem Freistellungsjahr das gleiche Gehalt ohne Arbeit zu beziehen. Die SWK schlägt vor, die Sabbatmodelle befristet einzuschränken.
Von einer befristeten Einschränkung des Sabbatmodells hält die Bildungsbehörde nichts. "Wir werden das Sabbatical weiter aufrechterhalten", sagt Wiedwald. In Bremen strebten 2022 insgesamt 142 Lehrkräfte eine Sabbatphase an oder kamen schon in ihren Genuss, ein Anteil von 2,4 Prozent. Momentan befinden sich 39 Lehrkräfte in der Freistellungsphase, das sind 0,7 Prozent.
Fast die Hälfte aller Lehrkräfte geht in Deutschland vor dem 67. Lebensjahr in den Ruhestand. Daran will die SWK nicht rütteln. Älteren Lehrkräften soll es aber leichter gemacht werden, über die Altersgrenze hinaus zu arbeiten – wenn sie es wünschen.
In Bremen nutzten mit Ablauf des vorigen Schuljahres 54 Lehrkräfte die Gelegenheit, vorzeitig in den Ruhestand zu gehen. Regulär wechselten 37 Lehrkräfte in den Ruhestand. Schon seit Jahren wirbt Bremen um pensionierte Lehrkräfte. "Die Resonanz ist aber nicht wirklich groß", sagt Ressortsprecherin Wiedwald. Weitaus mehr Pensionäre meldeten sich etwa zum Vorlesen über die Freiwilligenagenturen.
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Die SWK will Lehrkräfte von Organisations- und Verwaltungsaufgaben befreien. Für Entlastung soll die dauerhafte Anstellung von Verwaltungs- und nicht-pädagogischem Personal sorgen.
In diesem Bereich "machen wir schon einiges", sagt Wiedwald. Für den IT-Support an den Schulen seien 42 Stellen geschaffen worden. Die GEW macht sich schon länger dafür stark, Lehrkräfte durch die Einstellung fachfremden Personals zu entlasten. "Das geht aber nicht über die Schulbudgets", warnt Suhr. Dafür seien massive Investitionen nötig.
In einer "maßvollen Erhöhung der Klassenfrequenzen" sieht die SWK erhebliches Potenzial. Als letztes Mittel dürften eine befristete Erhöhung der maximalen Klassenstärke in der Sekundarstufe I nicht ausgeschlossen werden. In Grundschulen und Schulen in herausfordernden Lagen soll darauf allerdings verzichtet werden.
Größere Klassen schließt die Bildungsbehörde kategorisch aus. "Daran werden wir nicht rütteln", sagt Senatorin Aulepp. "Wir brauchen mehr Personal auf allen Ebenen und ganz gewiss keine größeren Klassen."
Studierende und andere, formal nicht vollständig qualifizierte Personen sollen Lehrkräfte entlasten und unterstützen.
Auf "überragendes Interesse" stößt laut Bildungsressort das Quereinstiegsprogramm. Mehr als 100 Bewerbungen seien eingegangen, die ersten 30 Kolleginnen und Kollegen stünden kurz vor der Einstellung. Zudem öffne man sich weiter für Menschen mit ausländischen Abschlüssen. "Wir haben viel neu angefangen, um Wege in die Schule als Arbeitsort zu öffnen", sagt Aulepp. Neuerdings können auch Personen mit nur einem studierten Fach an der Schule unterrichten, die ersten sollen im März beginnen. In der Stadtteilschule – dem Vertretungspool für fehlende oder erkrankte Lehrkräfte – sind derzeit 369 Studierende mit Bachelorabschluss beschäftigt. "Eigentlich ist das schon zu viel", kritisiert Suhr. Teils verzögere sich dadurch der Masterabschluss.