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Bremer Bildungspolitik Opposition fordert Noten ab Klasse drei

Die CDU hat die Forderung nach Noten ab Klasse drei in ihr Wahlprogramm aufgenommen. Bei der Bildungssenatorin wie auch GEW und Elternbeirat stößt der Vorstoß auf Ablehnung.
27.01.2023, 05:00 Uhr
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Opposition fordert Noten ab Klasse drei
Von Frank Hethey

Im Wahlkampfjahr 2023 zeichnet sich eine Neuauflage des Dauerstreits um Schulnoten ab: In ihrem Regierungsprogramm fordert die CDU die Einführung von Ziffernnoten ab Klasse drei. Damit soll die bisherige Leistungsbewertung in der Grundschule ergänzt werden. Eine gleichlautende Forderung hatte zuvor bereits die FDP gestellt. Keinerlei Gegenliebe findet das Ansinnen der Opposition bei Bildungssenatorin Sascha Aulepp (SPD). Sie lehnt eine Reform der Leistungsrückmeldung im Primarbereich ebenso strikt ab wie die Bildungsgewerkschaft GEW und der Zentralelternbeirat (ZEB). 

Mit Noten ab Klasse drei wie in den meisten anderen Ländern will die FDP-Fraktion vor allem Menschen mit Migrationsgeschichte entgegenkommen. Die aktuellen Lernstandsberichte setzten ein hohes Maß an Sprach- und Lesekompetenz voraus, heißt es im Dringlichkeitsantrag. Sowohl bei Kindern als auch Erwachsenen sieht FDP-Bildungsexperte Hauke Hilz große Sprachschwierigkeiten. „Noten versteht jeder, auch Erwachsene“, sagt Hilz. Das Notenzeugnis will die FDP ab dem Schuljahr 2024/25 einführen. In allen weiterführenden Schulen soll es ohne Ausnahme beibehalten werden. Schriftliche Dokumentationen sollen zwar erhalten bleiben, aber nur noch auf Wunsch ausgegeben werden. Das Thema dürfte in der Landtagssitzung vom 22./23. Februar zur Sprache kommen.

Die CDU will dem FDP-Antrag zustimmen. "Wir sind nicht weit weg davon", sagt die bildungspolitische Sprecherin Yvonne Averwerser. Laut Regierungsprogramm sollen Ziffernnoten Klarheit schaffen. Der Wortlaut: "Daher wollen wir, dass in der Grundschule die bisherige Leistungsbewertung durch Ziffernnoten ab Klasse 3 ergänzt wird." Averwerser unterstreicht, dass Noten nicht alles seien. Erst im Zusammenspiel mit schriftlichen Rückmeldungen seien Schulnoten sinnvoll. "Noten allein haben nie gereicht, genauso wenig wie Lernstandsberichte."

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 Prinzipiell skeptisch gegenüber Schulnoten äußert sich die Bildungssenatorin. Schülerinnen und Schüler müssten beim Lernen unterstützt werden, so Aulepp. Es sei wichtig, ihnen Spaß am Lernen zu vermitteln und sie anzuspornen, sich zu verbessern. „Diesen Zweck erfüllen Schulnoten leider oft nicht, im Gegenteil. Unsere Kinder verdienen eine persönliche Bewertung. Die Leistungen der Kinder kann man nicht an einer Hand abzählen.“ Noten seien oft Quersummen aus unterschiedlichen Leistungsbereichen, sie sagten nichts über individuelle Stärken und Schwächen aus, ergänzt Ressortsprecherin Maike Wiedwald. Eine differenzierte Leistungsrückmeldung werde den Schülern viel gerechter. „Die kompetenzorientierte Leistungsrückmeldung in Bremen setzt das in allen Punkten um.“

Auf die demotivierende Wirkung schlechter Noten weist GEW-Vorstandssprecherin Elke Suhr hin. "Kinder lernen nicht besser, wenn sie sehen, dass sie scheitern", sagt Suhr. Schlechte Noten seien beschämend. Der FDP wirft sie vor, das Problem nicht wirklich verstanden zu haben. "Das Problem sind nicht die Noten. Das Problem ist, dass die Schülerinnen und Schüler nicht genügend Unterricht bekommen, weil nicht genügend Personal da ist."

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Als „totale Nicht-Diskussion“ geißelt Elternsprecher Martin Stoevesandt die aufgeflammte Notendebatte. Aus seiner Sicht erfüllt das aktuelle Raster- oder Kreuzchenzeugnis alle Anforderungen einer Notengebung. „Man sieht aus den Kreuzchen total präzise, wie das Kind in Noten einzuordnen ist.“ Für Migranten sei das Rasterzeugnis sogar das bessere Schulzeugnis. Kritisch sieht er allenfalls die Lernentwicklungsberichte: „Die versteht keiner, das ist Pädagogensprache.“ Als weitaus problematischer empfindet Stoevesandt die Schnittstelle zwischen den Klassen acht und neun in den Oberschulen. „Erst erhält man ein Schriftzeugnis und dann plötzlich Ziffernnoten ab Klasse neun.“

Bei ihrem Antrag stützt sich die FDP auf eine Meinungsumfrage, die das Markt- und Sozialforschungsinstitut Insa Consulere im vergangenen Sommer im Auftrag der Fraktion durchgeführt hat. Danach sprechen sich 74 Prozent der Befragten für Schulnoten ab Klasse drei aus, 18 Prozent waren dagegen. Die Zustimmung wächst mit dem Alter. Von den 40- bis 49-Jährigen plädieren 77 Prozent für Noten, von den 50- bis 59-Jährigen sogar 83 Prozent. Umgekehrt sind unter den 16- bis 29-Jährigen mit 26 Prozent die meisten Notengegner zu finden. Das Fazit von Hilz: „Die Menschen wollen Noten ab Klasse drei, dem sollten wir uns nicht verschließen.“

Die Debatte in Niedersachsen verläuft in umgekehrter Richtung. Dort hat das Kultusministerium gerade einen Notenverzicht ins Gespräch gebracht.

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