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Amt Freitag nur für Terminkunden offen Mäurer macht Standesamt zur Chefsache

Bremens Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) will die Krise im Standesamt beenden: Für die kommenden sechs Monate wird es der Innenbehörde direkt unterstellt.
22.07.2016, 00:00 Uhr
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Mäurer macht Standesamt zur Chefsache
Von Sabine Doll

Bremens Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) will die Krise im Standesamt beenden: Für die kommenden sechs Monate wird es der Innenbehörde direkt unterstellt.

Grund seien die „massiven Probleme“ wie lange Wartezeiten und personelle Engpässe. Das Amt an der Hollerallee wird aber auch an diesem Freitag für Kunden ohne Termin geschlossen bleiben. Am Donnerstag hatte sich die Lage verschärft, weil nicht genug Personal da war. Mitten in der Urlaubszeit seien krankheitsbedingte Ausfälle hinzugekommen, weshalb die Mitarbeiter nur Vorgänge mit Termin bearbeiten und dafür sorgen könnten, dass Eheschließungen und Bestattungen möglich seien.

Bislang gehörte das Standesamt organisatorisch zum Stadtamt, das von Marita Wessel-Niepel geleitet wird. Die Entscheidung sei keine Kritik an der Arbeit der Stadtamtsleiterin, sagte Mäurer. „Frau Wessel-Niepel hat im Stadtamt so viele Baustellen, dass die Innenbehörde jetzt die volle Verantwortung übernimmt. Niemand wurde abgesetzt oder degradiert.“ Es habe sich aber gezeigt, dass die bisherigen Maßnahmen nicht gegriffen hätten. „Ohne einen Neubeginn und einen grundlegenden Wandel bekommen wir das nicht hin, deshalb brauchen wir jetzt eine Hauruck-Aktion“, kündigte Mäurer an.

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Die soll so aussehen, dass Mitarbeiter aus der Behörde zeitweise als Aushilfen in das Standesamt wechseln. „Wir werden unsere Mitarbeiter davon überzeugen, dass sie hier aushelfen müssen“, so der Innensenator. Sie könnten allerdings keine Beurkundungen übernehmen, da hierfür eine spezielle Qualifikation notwendig sei. Sieben neue Mitarbeiter, die zu einem Sofortprogramm des Senats gehören, müssten erst noch eingestellt und dafür 600 Bewerbungen gesichtet werden. Wie es nach den sechs Monaten weitergeht, ließ Mäurer offen: „Wir werden dann entscheiden, ob das eine dauerhafte Lösung wird.“ Am Montag solle der Publikumsverkehr wieder „in geordneten Bahnen laufen“.

Polizeieinsätze im Standesamt

Erst Anfang dieser Woche war es zu Polizeieinsätzen im Standesamt gekommen, weil sich Kunden lautstark über die Wartezeiten beschwert hatten. Nach Angaben der Vorsitzenden des Personalrats, Dörte Schulz, fühlten sich die Mitarbeiter in ihrer Sicherheit bedroht. „Aus Angst haben sich einige in Büros eingeschlossen. Sie wurden zum Teil angepöbelt und geschubst.“

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Es habe nur einen Mitarbeiter eines Sicherheitsdienstes im Standesamt gegeben, das sei zu wenig, um die Wartenden zu beruhigen. Die Vorsitzende des Personalrats macht die Sparpolitik des Senats für die Zustände verantwortlich, die Folgen seien absehbar gewesen. Es sei verständlich, dass Eltern, die die Geburt ihres Kindes beurkunden lassen wollen, verärgert seien. „Da hängen finanzielle Dinge wie Kinder- und Elterngeld dran. Dass eine Behörde schließen muss, ist ein Unding.“

Auch unter Verwaltungsfachleuten stoßen die Zustände in dem Bremer Standesamt auf Erstaunen. „Verfassungsrechtlich sehe ich da keine Bedenken“, sagte Friedhelm Hufen, Professor für Staats- und Verwaltungsrecht an der Universität Mainz dem WESER-KURIER zur notgedrungenen Schließung des Amts. „Aber kommunalpolitisch gesehen, ist das natürlich ein Armutszeugnis.“

Kritik am Innensenator

Die Bremer Opposition sparte am Donnerstag nicht mit Kritik an dem Innensenator und dem Senat. CDU, FDP und Linke forderten mehr Personal und einen flexibleren Austausch von Mitarbeitern zwischen den Behörden. „Aktuell kann man nicht mehr von einer funktionierenden Verwaltung sprechen, von Bürgerfreundlichkeit schon gar nicht“, sagte der innenpolitische Sprecher der CDU, Wilhelm Hinners.

Kurzfristig könnten auch Mitarbeiter im Ruhestand aushelfen, schlug die FDP vor. Die Linke forderte den Stopp des Personalabbaus in Behörden mit Publikumskontakt. Fehlende Stellen müssten unverzüglich finanziell abgesichert und besetzt werden. „Alles andere wäre völlig unverantwortlich“, so die Fraktionsvorsitzende, Kristina Vogt.

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In Bremen beträgt die Bearbeitungszeit für eine Geburtsurkunde derzeit zehn Wochen, es gibt einen Rückstau von 500 Vorgängen. Im niedersächsischen Umland sieht dies völlig anders aus. Dort spricht man von wenigen Minuten, allenfalls von ein paar Tagen. Auch, dass ein Standesamt wegen Personalnot geschlossen wird, ist dort völlig unbekannt.

Der WESER-KURIER hat in den Gemeinden nachgefragt: „Solche furchtbaren Zustände, wie man sie aus Bremen hört, haben wir hier noch nie gehabt – und die wird es auch nie geben“, sagte zum Beispiel Harald Stehnken, Bürgermeister von Schwanewede.

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