Wer eine Bohrmaschine braucht oder eine Runde "XXL-Jenga" spielen will, der kommt wahrscheinlich nicht auf die Idee, eine Bücherei zu besuchen. Dabei erfreut sich in der Bremer Innenstadt und in Lesum seit ein paar Monaten ein neues Angebot wachsender Beliebtheit: die Bibliothek der Dinge. Los ging es im Mai vergangenen Jahres in der Zentralbibliothek. Mehr als 80 Dinge stehen seitdem zum Ausleihen bereit – wenn sie nicht gerade jemand anderes nutzt.
"Die Nintendo Switch ist fast immer verliehen und hat eine lange Warteliste", berichtet Bibliothekarin Jacqueline Schulenberg. Zum Start sei es noch nicht möglich gewesen, sich Gegenstände vorab zu reservieren. "Wir haben aber schnell gemerkt, dass sich das sehr viele Kunden wünschen", erläutert Schulenberg. Wer die Spielkonsole haben wolle, müsse aktuell etwa ein halbes Jahr warten.

Das Sortiment enthält viele praktische Geräte, wie diese Buttonmaschine.
Auch ein Digitalisierungsgerät für Dias ist sehr oft verliehen. "Und unsere zwei Tonie-Boxen sind sehr beliebt", sagt Schulenberg. Dabei handelt es sich um besondere Lautsprecher, auf die Kinder Figuren stellen, um ein Hörspiel zu starten. Im Sommer wurde zudem eine Strandmuschel regelmäßig genutzt. "Da mussten wir schon ein zweites Modell kaufen, weil das erste so viel in Gebrauch war", berichtet Schulenberg.
Verleihen statt Verkaufen – Dieses Grundprinzip gehört zu der DNA von Bibliotheken. Ein Buch lesen zu können, soll nicht davon abhängen, es auch zu kaufen. "Wir Bibliotheken fühlen uns schon immer der Chancengleichheit und der sozialen Teilhabe verpflichtet", betont Tina Echterdiek, Leiterin der Zentralbibliothek. Dies sei auch eine wichtige Motivation gewesen, das neue Angebot zu schaffen. Nun werde die Nintendo Switch auch von Familien genutzt, die sich einen Kauf nicht leisten könnten.

Tina Echterdiek, Leiterin der Zentralbibliothek, bietet auch Kunstwerke zum Ausleihen an.
Ebenso wichtig ist für die Leiterin der Zentralbibliothek ein zweiter Aspekt: die Nachhaltigkeit. Denn wer leiht statt kauft, senkt den CO2-Ausstoß, der mit der Produktion und dem Transport neuer Produkte verbunden ist. "Es ist gut, vor einer Kaufentscheidung das Produkt testen zu können", meint Echterdiek. "So merkt man, ob man es wirklich dauerhaft braucht."
Vor dem Start der Bibliothek der Dinge hatte sich Echterdiek mit ihrem Team in anderen Städten schlaugemacht. Frankfurt sei für das neue Angebot zum Beispiel ein Vorreiter gewesen. "Ein heißer Tipp war die Ukulele", verrät Bibliothekarin Schulenberg. "Die scheint überall sehr beliebt zu sein."
Die Mitarbeiter sammelten fleißig Ideen und auch die Kunden beteiligten sich mit vielen Vorschlägen. "Aus etwa 800 Ideen haben wir uns dann für rund 80 Dinge entschieden", schildert Schulenberg. Dabei sei es auch um die Möglichkeiten der Bibliothek gegangen. "Den Wunsch nach einem Caravan konnten wir zum Beispiel nicht erfüllen", sagt sie. Die Auswahl solle nun stetig ausgebaut werden. Pro Jahr könnten 1500 Euro für Neuanschaffung ausgegeben werden.
Um die Bibliothek der Dinge zu nutzen, genügt die Bib-Card, für die Erwachsene im Alter von 28 bis 64 Jahren 26 Euro pro Jahr zahlen, beziehungsweise 22 Euro im Abo. Die Leihdauer beträgt drei Wochen. "Pro Monat sind es aktuell zwischen 70 und 90 Leihvorgänge", erläutert Schulenberg.
Versehen ist das neue Angebot auch mit einem Verweis auf den Leihklub – einem Verein, der seit Ende Juni offiziell in Bremen registriert ist. Der Klub hat sein Lager mit nützlichen Dingen nahe der Stephani-Kirche aufgebaut. Das Ziel: 100 Menschen sollen sich dort 100 Dinge teilen, die sie nur unregelmäßig benötigen. "Wir achten darauf, dass es im Sortiment wenig Überschneidungen gibt, um dem Klub keine Konkurrenz zu machen", betont Bibliotheksleiterin Echterdiek.
Mieten statt kaufen können die Inhaber einer Bib-Card in der Bibliothek schon seit längerer Zeit zahlreiche Kunstwerke. "Es handelt sich um eine zusammenhängende Sammlung aus den 1960er- und 70er-Jahren mit etwa 5000 Bildern und Skulpturen", erläutert Echterdiek. Nicht nur Privatpersonen holten sich diese Werke in die eigenen vier Wände. Auch Firmen, Arztpraxen oder Anwaltskanzleien nutzten das Angebot. Statt der sonst üblichen drei Wochen wird die Kunst für drei Monate verliehen, mit zwei Verlängerungen sind es bis zu neun Monate. "Es gibt ein paar echte Liebhaber, die ein Bild zurückbringen und es nach wenigen Tagen gleich wieder mitnehmen, wenn es niemand anderes ausleiht", sagt die Leiterin der Zentralbibliothek.