Bei der Bürgerschaftswahl am 14. Mai ist es in vier Bremer Wahllokalen zu Pannen gekommen, die eine örtlich begrenzte Wahlwiederholung notwendig machen könnten. Rund 280 Stimmzettel wurden nicht ausgezählt, sondern versehentlich vernichtet. Da auf dem Stimmzettel bis zu fünf Personen- oder Listenstimmen abgegeben werden konnten, geht es um insgesamt maximal 1400 Stimmen, die nicht berücksichtigt wurden.
Die Fehler wurden am Freitag bei einer Sitzung des Wahlbereichsausschusses für die Stadtgemeinde Bremen öffentlich. Gegenüber dem WESER-KURIER stellte Evelyn Irrsack aus dem Stab des Landeswahlleiters den Sachverhalt so dar: In vier Wahllokalen wurde nach deren Schließung um 18 Uhr jeweils ein Packen mit 70 Stimmzetteln nicht in die dafür vorgesehenen Faltkartons gesteckt und zum Abtransport ins Auszählzentrum bereitgestellt, sondern versehentlich in sogenannte Datenschutzcontainer gelegt. Dabei handelt es sich letztlich um Abfallbehälter für sensibles Material wie einbehaltene Wahlbenachrichtigungen. Dass die insgesamt 280 Stimmzettel falsch abgelegt wurden, fiel erst einige Tage später auf. Zu diesem Zeitpunkt waren die Datenschutzcontainer allerdings bereits von einer Entsorgungsfirma abgeholt und ihr Inhalt vernichtet worden. „Wir waren an den Standorten, konnten allerdings nichts mehr auffinden“, berichtete Irrsack.
Parallelität der Fehler "ein Rätsel"
Vorgekommen sind die Pannen nach ihren Angaben in der Bahnhofsvorstadt, der Neustadt, in Seehausen und Schwachhausen. Die Parallelität dieser Fehler ist Evelyn Irrsack und der gesamten Wahlbehörde ein Rätsel. „Wir können das nicht nachvollziehen und sind ein bisschen ratlos“, so Irrsack. Der Vorgang bleibt aber nicht folgenlos. Das Kriterium für die Bewertung von Wahlpannen ist die sogenannte Mandatsrelevanz. Soll heißen: Wirkt sich ein solcher Vorgang auf die Zuteilung von Parlamentssitzen aus? Der Wahlbereichsausschuss Bremen-Stadt konnte dies am Freitag jedenfalls nicht ausschließen. Er empfahl deshalb Landeswahlleiter Andreas Cors, formellen Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl in den betroffenen Stimmbezirken einzulegen. Wie mit der Panne umzugehen ist, wird in der kommenden Woche zunächst der Landeswahlausschuss und letztlich das Wahlprüfungsgericht zu entscheiden haben. Es setzt sich aus der Präsidentin und Vizepräsidentin des Bremer Verwaltungsgerichts sowie fünf Bürgerschaftsabgeordneten zusammen. Möglich wäre unter anderem eine Neuansetzung der Wahl in den betroffenen vier Stimmbezirken.
Am Stärkeverhältnis der Fraktionen in der neu gewählten Bürgerschaft würde eine solche Wiederholung wahrscheinlich nichts ändern, glaubt man in der Wahlbehörde. Wohl aber könnten sich innerhalb der Fraktionen noch Veränderungen ergeben, die für die jeweils betroffenen Mandatsträger gravierend wären. Denn die letzten noch über Personenstimmen ins Parlament eingezogenen Abgeordneten und die ersten nicht mehr berücksichtigten Bewerber trennen in einigen Fällen nur wenige Dutzend Stimmen. Wenn 1400 Stimmen bei einer Wiederholungswahl hinzukommen, könnten sich Erfolg und Misserfolg anders darstellen, als es das vorläufige amtliche Endergebnis bisher auswies.
Wiederholungswahl wohl erst in der zweiten Jahreshälfte
Wann eine Wiederholungswahl in den betroffenen Stimmbezirken stattfinden könnte, lässt sich gegenwärtig noch nicht absehen. Da die neue Bürgerschaft zunächst ein neues Wahlprüfungsgericht bestellen muss und ein gewisser organisatorischer Vorlauf erforderlich ist, wäre mit einem solchen Votum wohl erst für die zweite Jahreshälfte zu rechnen.
An eine Panne von vergleichbarem Kaliber kann man sich in der Wahlbehörde nicht erinnern. Das gilt zumindest für Bürgerschaftswahlen. Bei der Bundestagswahl 2021 gab es ein Missgeschick in Seehausen. Dort lagen in einem Wahllokal, das eigentlich zum Wahlkreis Bremen II/Bremerhaven gehört, Stimmzettel für den Wahlkreis Bremen I aus. Auf ihnen waren deshalb die falschen Direktkandidaten aufgeführt.
Der Fehler fiel erst im Laufe des Wahlsonntags auf und wurde dann dem Landeswahlleiter gemeldet. Die Behörde erklärte daraufhin mehrere Hundert bereits abgegebene Stimmen für ungültig.