Frau Marahrens-Hashagen, fangen wir bei Ihnen an. Sie sind die erste Schafferin nach bald 480 Jahren. Wurde Zeit, oder?
Janina Marahrens-Hashagen: Ja, stimmt, aber es brauchte eben auch seine Zeit. Wir Schaffer sind Kaufleute, und das ist der Kaufmann genauso wie die Kauffrau.
Christoph B. Klosterkemper: Anders als vor 480 Jahren – wären zu der Zeit bereits ganz normal Frauen in der Wirtschaft gewesen, hätte es sicher auch damals schon weibliche Schaffer gegeben.
Okay. Aber wie ist das jetzt eigentlich? Kann überhaupt noch von einem Brudermahl gesprochen werden?
Jens Lütjen: Selbstverständlich!
Marahrens-Hashagen: Muss man dafür einen Namen haben? Entscheidend ist doch, dass bei der Schaffermahlzeit in diesem Jahr 14 Frauen unter den 100 kaufmännischen Gästen sein werden. Das ist schon mal nicht schlecht.
Lütjen: Wichtiges Thema, keine Frage. Aber wissen Sie, was mich an dieser Veranstaltung so fasziniert und weswegen wir es als Ehre empfinden, als Schaffer auftreten zu dürfen?
Sagen Sie es.
Lütjen: Die Schaffermahlzeit spiegelt Weltoffenheit und Liberalität wider. Bremen und seine Menschen waren in ihrer Vergangenheit stets neugierig und tolerant. Wir tauschen uns aus, suchen das Gespräch, auch über Bremen hinaus.
Klosterkemper: Es lebt das Wort im Miteinander.
Lütjen: Genau. An den langen Tischen in der Oberen Rathaushalle werden wieder Damen und Herren aus Kultur, Wissenschaft, Politik und Wirtschaft sitzen. Das ist im besten Sinne interdisziplinär, was dort stattfindet, mit Gästen von überall her. Wir bleiben nicht in unserer eigenen Box hocken, um es salopp auszudrücken, sondern laden interessante Persönlichkeiten ein und wenden uns nach außen. Wer kommt, wird nach diesem hoffentlich wieder wunderbaren Nachmittag und Abend ein Botschafter sein oder eine Botschafterin, wenn Sie wollen. Bremen braucht Botschafter.
300 Leute an den Tischen, alle festlich gekleidet und ziemlich wichtig, in dem, was sie beruflich tun. Das darf man getrost elitär nennen, oder?
Marahrens-Hashagen: Finde ich nicht. Oder sind Wissenschaftler und Kulturschaffende elitär?
Klosterkemper: Wenn Sie auf die Kleidung abheben, auf den Frack bei den Männern zum Beispiel – das ist primär ein Ausdruck von Respekt vor der Tradition der Veranstaltung und kein elitäres Abgrenzen. Viel wichtiger ist der Sinn der Schaffermahlzeit für die Wohltätigkeit und für den Wirtschaftsstandort Bremen.
Lütjen: Wie Frau Marahrens-Hashagen gerade gesagt hat, kommt bei der Schaffermahlzeit ein so bunter Strauß zusammen, dass sich daraus keine besondere Struktur ableiten lässt. Es wäre aus meiner Sicht nicht angemessen, von wichtigen Gästen zu sprechen. Sie sind vielmehr bereichernd, das trifft es eher.
Klosterkemper: Bei der Schaffermahlzeit sind übrigens jedes Mal 60 Jugendliche dabei, die nach dem Essen den Ball im Rathaus mit einem Tanz eröffnen. Sie bekommen auch Gelegenheit, eine halbe Stunde mit unserem Ehrengast zu diskutieren, in diesem Jahr mit Bundesverkehrsminister Volker Wissing. Die Schaffermahlzeit, will ich damit sagen, ist lebendig und zukunftsgewandt, sie gibt den Jugendlichen gute Impulse mit – die Bedeutung von bremischer Tradition, von Wohltätigkeit, aber auch von wirtschaftlichen und politischen Interessen.
Kein Zopf, der langsam mal abgeschnitten werden sollte? Mir würde da nämlich etwas einfallen ...
Marahrens-Hashagen: Die Schaffermahlzeit ist seit Jahrhunderten streng getaktet, und das soll so bleiben.
Klosterkemper: Wir würdigen damit unsere Wurzeln. Das ist die Bedeutung von Seefahrt und Handel in Bremen. Auch von Wohltätigkeit. Der äußere Rahmen passt sehr gut dazu.
Lütjen: Für mich ist das auch eine Frage des Respekts vor der Geschichte. Aber sagen Sie, was würde Ihnen einfallen?
Das Seefahrtmalz ist, gelinde gesagt, gewöhnungsbedürftig. Dazu noch die Art, wie es angereicht wird – in einem Pokal, aus dem bereits reichlich getrunken wurde. Corona lässt grüßen!
Lütjen: Da kann ich Sie beruhigen. Die silbernen Humpen mit dem Malz wird es zwar weiterhin geben – als Symbol der besonderen Verbundenheit. Trinken werden wir aus bekannten Gründen aber aus dem eigenen Glas.
Klosterkemper: Wo wir bei den Tafelfreuden sind – dabei sollen keine Prinzipien geritten werden, und natürlich wird sich zum Beispiel auch für Vegetarier etwas finden. Eigentlich ist das Essen an sich aber gar nicht so ausschlaggebend, es geht dabei mehr um Brauchtum und Kultur. Die Schaffermahlzeit war ja ursprünglich das Abschiedsmahl für die Seefahrer, bevor sie sich wieder auf die Gefahren der Weltmeere einlassen mussten.
Kommen wir zu Ihnen persönlich. Ist das Schafferamt der Adelsschlag für jeden Bremer Kaufmann und neuerdings auch jede Bremer Kauffrau?
Lütjen: Bitte nicht! Es ist schlicht eine große Freude, aber auch Verantwortung, dabei helfen zu dürfen, diese ehrwürdige Veranstaltung zu organisieren und auszurichten.
Marahrens-Hashagen: Ich laufe deswegen jedenfalls keinen Zentimeter größer durch Bremen.
Vor 300 hochrangigen Leuten in diesem festlichen Rahmen gleich mehrere Reden zu halten, ist sicher nicht ohne. Schon aufgeregt?
Marahrens-Hashagen: Ich kenne niemanden, der bei so einer Aufgabe nicht ein wenig nervös wäre. Wir sind Unternehmer, solche Ansprachen zu halten, ist nicht unser tägliches Brot.
Klosterkemper: Ich sag mal so – wer kein Lampenfieber hat, kann nicht gut sein. Und dann ist da neben der Aufregung natürlich auch die Freude und der Stolz: Wer bekommt schon die Chance, vor so einem Publikum die eigenen Gedanken auszubreiten.
Lütjen: Ich hoffe sehr, dass wir da gemeinsam gut durchsegeln werden – mit allen Gästen, Teilnehmern und natürlich den Vorstehern von Haus Seefahrt.
Das Gespräch führte Jürgen Hinrichs.
Zu den Personen
Janina Marahrens-Hashagen (66)

1. Schafferin Frau Janina Marahrens-Hashagen
hält die Begrüßungsrede zum Auftakt der Schaffermahlzeit. Die Diplom-Kauffrau ist geschäftsführende Gesellschafterin der H-Marahrens-Firmengruppe. Das Unternehmen hat sich auf Beschilderung und Werbetechnik spezialisiert. Neben den drei Standorten in Bremen gibt es vier weitere in Shanghai, Singapur, Turku und Miami. Marahrens-Hanshagen war von 2019 bis 2022 Präses der Handelskammer Bremen. Sie ist die erste Schafferin in der Geschichte der Schaffermahlzeit und unter anderem für die Einladungen und die Sitzordnung verantwortlich. Neben der Begrüßung hält sie die Reden auf Handel, Schifffahrt und Industrie und auf die auswärtigen Gäste.
Jens Lütjen (56)

2. Schaffer Jens Lütjen
kommt bei der Schaffermahlzeit die Aufgabe zu, sich um die Weine und den Tabak zu kümmern. Außerdem ist er für die Öffentlichkeitsarbeit und die Sicherheit zuständig. Der Makler und alleinige geschäftsführende Gesellschafter der Firma Robert C. Spies KG mit mehr als 120 Mitarbeitenden an den Standorten Bremen, Bremen-Nord, Hamburg, Oldenburg, Frankfurt am Main und Kopenhagen wird bei der Schaffermahlzeit zwei Reden halten: die eine auf den Bundespräsidenten und das Vaterland, die andere auf Haus Seefahrt, die Vorsteher und Oberalten. Was er sich von seinen Reden erhofft: "Die Gespräche an den Tischen sollten währenddessen nicht wieder aufgenommen werden."
Christoph B. Klosterkemper (41)

3. Schaffer Dr. Christoph B. Klosterkemper -
hält die Rede auf Bremen und den Senat, außerdem stellt er die Kapitänsschaffer vor. Der Versicherungsmakler leitet die Firma Atermann König & Pavenstedt (AKP); sie besteht seit 1837 und ist mit den beiden Standorten Bremen und Stuttgart in Familienbesitz. Klosterkemper hat unter anderem in Paris, London und Berlin Wirtschaftswissenschaften studiert und in Versicherungswesen promoviert. Mit AKP bedient er Kunden aus Industrie und Gewerbe in den Bereichen Produktion, Handel, Logistik und Dienstleistung. Darüber hinaus ist Klosterkemper Aufsichtsratschef des Diako-Krankenhauses und engagiert sich bei der Inneren Mission, den Johannitern und der Diakonie des St. Petri Doms.