Bremen/Berlin. Der Widerstand gegen das Steuerabkommen mit der Schweiz wächst, doch Kanzlerin Angela Merkel ermahnt die Bundesländer, endlich zuzustimmen. Auch das Finanzministerium lehnt Änderungen ab. Doch wie sieht es mit der Steuergerechtigkeit in Deutschland selbst aus? In Bremen, so warnt der Landesvorsitzende der Steuergewerkschaft, Winfried Noske, fehlt den Finanzämtern Personal. Niedersachsens Finanzminister Möllring sieht seine Finanzverwaltung "gut aufgestellt".
In Bremen ermitteln derzeit 27 Steuerfahnder. 2011 wurden 264 Buß- und Strafgeldverfahren wegen Steuerhinterziehung eingeleitet. Außer den Fahndern sorgen auch Betriebsprüfer für das Eintreiben der Staatsgelder. "Wir machen unsere Arbeit so gut wie möglich, aber wir sind insgesamt zu wenige", sagt Winfried Noske, Personalratssprecher beim Finanzamt Bremen-Ost und Landesvorsitzender der Deutschen Steuer-Gewerkschaft. Bremen habe nur 80 Prozent des Personals, das als notwendig gelte. Es fehlten etwa 40 Kräfte. "Steuerprüfung ist der einzige Bereich, der das Geld reinholt, und auch da wird gespart", sagt Noske.
Das hat Auswirkungen. In Bremen werden Firmen deutlich seltener geprüft als von der Finanzministerkonferenz empfohlen. Das macht sich vor allem bei kleineren und mittleren Betrieben bemerkbar. Alle acht bis zehn Jahre sollte ein mittelgroßes Unternehmen geprüft werden. Zuletzt fanden solche Prüfungen in Bremen laut dem Jahresbericht der Bremer Steuerverwaltung aber nur alle 15 Jahren statt. "Es fällt schon einiges hintenüber", sagt Noske. "Es wird oberflächlicher geprüft, weil es sonst gar nicht zu schaffen wäre."
Dennoch: "Die Personalausstattung der Finanzämter ist grundsätzlich ausreichend", sagt Dagmar Bleiker, Sprecherin der Bremer Finanzsenatorin. Sie betont, dass nicht nur die Zahl der Mitarbeiter, sondern auch ein vernünftiges Risikomanagement wichtig sei. Das heißt: Wer eine unauffällige Steuererklärung mit kleineren Summen abgibt, die sich nur wenig vom Vorjahr unterscheidet, dessen Unterlagen werden in der Regel weniger geprüft.
Niedersachsens Finanzminister Hartmut Möllring (CDU) weist ebenfalls Vorwürfe zurück, durch eine schlechte personelle Ausstattung der Finanzämter gingen dem Staat hohe Einnahmen verloren. "Die Betriebsprüfung und Steuerfahndung der niedersächsischen Finanzverwaltung sind gut aufgestellt und arbeiten erfolgreich", sagte Möllring dieser Zeitung. Laut Ministerium gibt es im Land 1690 Vollzeitstellen für Betriebsprüfer, 208 Sonderprüfer für die Umsatzsteuer und 273 Steuerfahnder.
Für die Links-Fraktion im Landtag ist dies viel zu wenig; 700 Stellen würden fehlen. Ihre Rechnung: Mehr Fahnder und Betriebsprüfer holten ein Vielfaches ihrer Personalkosten wieder rein. Mit mindestens 400 Millionen Euro zusätzlich für den Landesetat rechnet Linken-Haushaltsexperte Manfred Sohn. Dem stünden etwa zehn Millionen Euro an höheren Personalkosten gegenüber. Sohns Vorwurf: "Finanzminister Möllring macht sich zum Schutzpatron der Steuerbetrüger."
Das Finanzressort hält dagegen: Den Prüfungsdiensten habe man immer einen hohen Stellenwert eingeräumt. So spüre eine Task-Force Betrugsfälle auf. Mit zeitnahen Betriebsprüfungen steigere man die Effizienz und liefere unter Umständen auch schnell eine Grundlage für die Steuerfahndung. Der Turnus der Prüfungen richte sich nach der Größe der Unternehmen: Große Betriebe würden im Schnitt alle 4,4 Jahre aufgesucht, mittlere alle 12,2 Jahre und Kleinbetriebe alle 19,5 Jahre.
Auch der Vorsitzende der Deutschen Steuergewerkschaft (DSTG), Thomas Eigenthaler, fordert mehr Personal in den Finanzämtern. "Zehn Prozent mehr" hält er für angemessen. Derzeit würden bundesweit etwa 110000 Beschäftigte in den Finanzämtern arbeiten. Der DSTG-Vorsitzende betonte im Gespräch mit unserer Zeitung, dass jeder von ihnen "ein mehrfaches von dem einbringe, was er koste". So würden "ganz normale Beschäftigte in den Finanzämtern im Durchschnitt 150000 bis 300000 Euro pro Jahr an Steuermehreinnahmen bringen". Das sei drei- bis viermal soviel wie ihre jeweiligen Personalkosten.
Die Zahl der Steuerfahnder bezifferte Eigenthaler auf etwa 2500. "Sie bringen im Durchschnitt 700000 bis 800000 Euro an Steuermehreinnahmen. Es können aber auch mal mehrere Millionen sein", so der DSTG-Vorsitzende.