Bei dringenden Notrufen will die Bremer Polizei in acht Minuten mit einem Streifenwagen vor Ort sein. Dass dies nicht immer möglich ist, weiß sie. Hat aber für sich selbst einen "Zielerreichungsgrad" von 80 Prozent festgelegt. Den erreicht sie tatsächlich, allerdings nur im Schnitt für die gesamte Stadt berechnet. In einzelnen Stadtteilen wie etwa Huchting oder Woltmershausen liegt die Quote eher bei 70 Prozent, wenn überhaupt. Schon davon war man vor Ort nicht eben begeistert. Vollends für Verärgerung sorgt nun, dass für einige Revierbereiche seitens der Polizei inzwischen auch ganz offiziell nicht mehr die Rede von 80 Prozent ist.
"Mit dieser Ungleichbehandlung können wir uns nicht zufriedengeben, da muss die Polizei sich konzeptionell was überlegen", fordert der Leiter des Ortsamtes Huchting, Christian Schlesselmann. "Bei uns gibt es dieselben Sicherheitsbedürfnisse wie im Rest der Stadt. Wir wollen keine Sicherheit zweiter Klasse."
In seiner Kritik differenziert der Ortsamtsleiter: Huchting habe beim "Zielerreichungsgrad" in der Regel nicht gut ausgesehen, das wisse man. Und man habe auch Verständnis, dass es dafür immer wieder reale Gründe gebe, besondere Einsatzlagen und Situationen oder zuletzt auch Corona. "Kann alles mal passieren, ist nachvollziehbar." Doch dass nun die Ausnahme zur Regel erklärt werde, indem man für bestimmte Bereiche von vornherein die Zielmarke senke, "bringt uns echt auf die Palme".
Was auf die Erklärung von Derk Dreyer, Abteilungsleiter Mitte/Süd der Polizei, abzielt. Der hatte im vergangenen Monat in der Beiratssitzung Huchting erklärt, dass in den einzelnen Revierbereichen eine Quote von 75 Prozent als Controlling-Kennziffer angestrebt werde. Der Zielerreichungsgrad von 80 Grad gelte für das Stadtgebiet und Regionen wie den Bremer Süden.
Für Schlesselmann bedeutet dies eine weitere Benachteiligung: Mit der Polizeireform habe man ohnehin Polizei aus einzelnen Stadtteilen abgezogen. "Wir haben immer weniger Polizei vor Ort." Dies könne nicht so weitergehen. "Wir erwarten eine gewisse Gleichbehandlung."
Polizeisprecher Nils Matthiesen spricht im Zusammenhang mit den Notrufen der sogenannten Kategorie 1 von zwei Zielen. Zum einen habe man weiterhin den Anspruch, bei diesen Einsätzen "in Bremen" in 80 Prozent aller Fälle in acht Minuten am Einsatzort zu sein. Zum anderen laute das zusätzliche Ziel, "in einzelnen Stadtteilen im Jahresdurchschnitt 75 Prozent zu erfüllen".
Auch davon sind Stadtteile wie Huchting oder Woltmershausen allerdings noch entfernt. 2019 lag der "Zielerreichungsgrad" bei den dringenden Notrufen in Huchting bei 67 Prozent und in Woltmershausen bei 68,5. Im vergangenen Jahr lagen diese Quoten bei 70,4 und 70 Prozent. In Gesamtbremen lag die Quote 2021 bei 81,8 – über der angepeilten Zielmarke, aber mehr als zwei Prozent weniger als 2020.
Für das Erreichen beziehungsweise Nicht-Erreichen der angestrebten Ziele gebe es verschiedene Einflussfaktoren, erläutert Polizeisprecher Matthiesen. "Da spielen zum Beispiel eine sehr hohe Einsatzbelastung insgesamt und die Anzahl der erforderlichen Streifenwagen pro Einsatz eine Rolle, aber auch die Dauer der Einsätze und unsere Personalausstattung."
Insgesamt verzeichnet die Polizei bei den Einsätzen aus der Kategorie 1 einen Anstieg. 22.062 davon gab es 2021, im Jahr zuvor waren es 20.927. Der Anstieg ergebe sich aus einer Kombination verschiedener Indikatoren, sagt Matthiesen. So seien etwa oftmals gleich mehrere Streifenwagen zur sicheren Einsatzbewältigung notwendig. Und auch die Einsatzzeiten bei bestimmten Anlässen würden steigen, wie zum Beispiel bei Tumultlagen, Familienstreitigkeiten, Körperverletzungen, Suiziden oder dem verdächtigen Verhalten von Personen.
"Im Sinne einer klaren Prioritätensetzung gelingt es aber weiterhin, die Zielerreichungsgrad-Quote im Bereich der Einsätze mit höchster Dringlichkeitsstufe verlässlich über dem festgelegten Ziel von 80 Prozent zu halten", so Matthiesen. Man wisse um die Probleme, diese Quote in allen Ortschaften zu erreichen und schaue deshalb auch sehr genau, woran das liege. "Und wo wir einen Fehler erkennen, versuchen wir natürlich, nachzujustieren." Zur Wahrheit gehöre aber auch, dass es sich bei dem "Zielerreichungsgrad" um einen "selbst auferlegten und superambitionierten Anspruch handelt", der in Deutschland seinesgleichen suche, betont der Polizeisprecher.