Das Bündnis "Bildungswende jetzt" hat sich vor einem Jahr gegründet, nun gibt es erneut Proteste gegen Missstände in Schulen und Kitas. Sie haben die Bremer Aktion mit organisiert. Was ist hier geplant?
Janne Schmidmann: Bildung braucht Demokratie, das ist in diesem Jahr unser Motto. Wir starten am Freitag um 10 Uhr einen Demonstrationszug am Bremer Hauptbahnhof und laufen in Richtung Hollersee. Mitmachen können alle Bildungsbetroffenen, also Schülerinnen und Schüler, Kita-Kinder, Eltern, Lehrkräfte, inklusive Fachkräfte und Erzieherinnen. Ich hoffe auf superviele, – letztes Jahr war unsere Demo groß.
Wie kam es dazu, dass Sie bei „Bildungswende jetzt“ aktiv wurden?
Für mich war ein großer Punkt die Inklusion, weil sowohl meine Geschwister als auch ich in dem Bereich immer wieder Probleme hatten. Und das hat mich extrem gestört. Mein Bruder geht auf eine Förderschule – bevor er in die erste Klasse gekommen ist, war es schwierig, einen passenden Platz für ihn zu finden, weil es keine inklusive Schule bei uns im Stadtteil gibt. Als meine Schwester in die 5. Klasse kam, gab es viele Probleme, weil sie im Rollstuhl saß. Ich habe eine Knochenerkrankung und habe zeitweise auch im Rollstuhl gesessen. An meiner Schule gab es auch Probleme mit Barrierefreiheit – aber meine Klassenlehrerin setzt sich sehr für die Bedürfnisse von allen ein.
Wo hakte es denn mit dem Rollstuhl – woran fehlt es in den Schulen?
Es fehlt konkret an barrierefreien Räumen. In der Schule, in die meine Schwester geht, gibt es zum Beispiel keinen Aufzug, sie musste die Treppen immer mit einem Treppensteiger hoch. Das ging dann klar, war aber total unpraktisch. Und insgesamt fehlt es an den Schulen einfach an allem, an Personal und an Geld. Ich glaube, ganz viele Lehrer wollen Inklusion umsetzen, aber oft sind sie auch machtlos im System. Es braucht multiprofessionelle Teams, es braucht Räume, es braucht kleinere Klassen.
Was müsste denn in Bremen passieren, damit Sie sagen: Da ist jetzt ein erster Schritt in die richtige Richtung gemacht worden?
Ein guter erster Schritt wäre es zum Beispiel, wenn man den Schulen das Geld für Stellen, die nicht besetzt werden können, für andere Verbesserungen zur Verfügung stellen würde. Es gibt ja viel zu wenig Lehrkräfte und pädagogisches Personal. Mit dem Geld könnte man zum Beispiel einen Raum schalldicht machen oder mehrsprachige Schilder im Treppenhaus anbringen.
Wie sähe eine bessere Schule für Sie als Schülerin aus?
Für mich persönlich müsste eine Schule so aussehen, dass es keine Berührungsängste mehr gibt und alle sich gegenseitig so akzeptieren, wie sie sind. Für mich bestünde die perfekte Schule aus einem inklusiven Miteinander, barrierefreien Räumen und selbstständigem Lernen.
Bremen rühmt sich oft damit, dass kein Bundesland die Inklusion so weit vorangetrieben hat wie Bremen. Nirgends gehen so viele beeinträchtigte Kinder auf eine reguläre Schule wie hier. Was sagen Sie dazu?
Bremen ist vielleicht eines der weitesten Bundesländer im Bereich Inklusion, aber trotzdem noch lange nicht inklusiv. Wenn Kinder mit einer geistigen Beeinträchtigung hier auf eine "normale" Schule gehen, wird immer noch von W&E-Kindern gesprochen. Sie werden oft in einer Kleingruppe getrennt vom Rest der Klasse unterrichtet und kommen nur zu bestimmten Fächern dazu, zum Beispiel nur zum Kunst- oder Sportunterricht. In Wirklichkeit gibt es dann zwei Klassen. Mehr ist vielleicht auch nicht machbar, weil es dafür nicht genug Personal gibt. Aber so gibt es weiter Berührungsängste, Freundschaften entstehen so schon mal nicht. Das ist keine Inklusion.