Der Bremer Senat hat am Dienstag den sogenannten Bremer Standard für die Entwicklung neuer Wohn- und Mischquartiere beschlossen. Ziel sei, auch in diesem Bereich dem Klimawandel entgegenzuwirken, heißt es in einer Mitteilung der Landesregierung. Erreicht werden solle das unter anderem durch ein Mobilitätsmanagement, um die Zahl der Autos zu reduzieren, den sparsamen Umgang mit Flächen, hohen energetischen Standards und Wärme aus erneuerbaren Quellen. Ferner wird in dem Katalog der Einsatz von Baustoffen und Bauweisen empfohlen, die die CO2-Last der Neubauten mindern, zum Beispiel, indem Holz verwendet wird. Und es soll möglichst viel Grün auf den Dächern und zwischen den Häusern geben.
Der Senat feiert den "Bremer Standard" als "Meilenstein für die Klimaanpassung". Anders die privaten Wohnungsunternehmen: Sie sprechen von einem weiteren Kostentreiber für den Wohnungsbau, der ohnehin schon in einer historisch schlechten Verfassung sei.
Bausenatorin Maike Schaefer (Grüne) bestätigt diesen Befund und nennt die Gründe: "Rohstoffknappheit, Lieferkettenprobleme, Inflation und steigende Bauzinsen führen zu Unsicherheiten im Neubaubereich." Doch anders als die Wohnungsunternehmen, die massiv dagegen sind, in dieser Situation weitere Auflagen fürs Bauen zu machen, sieht sich Schaefer damit auf genau dem richtigen Weg: "Die energetischen Standards und der Fokus auf eine erneuerbare Strom- und Wärmeversorgung stellt langfristig mehr Unabhängigkeit und Sicherheit in der Energieversorgung sowie dauerhaft niedrige Nebenkosten sicher." Außerdem verschaffe der "Bremer Standard" den Investoren die Möglichkeit, frühzeitig und sicher zu planen, mit dem Ergebnis, dass schneller gebaut werden könne.
Diesen Aspekt betont auch Philipp Bruck, klimapolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion: "Damit wissen alle, die in Bremen bauen, worauf sie sich einstellen können." Der "Bremer Standard" sei Teil der Koalitionsvereinbarung zwischen SPD, Grünen und Linken und liege nun ausformuliert vor. "Davon profitieren am Ende alle: die Menschen von lebenswerten, grünen Quartieren mit niedrigen Energiekosten, die Investoren, die verlässliche Rahmenbedingungen haben, und natürlich vor allem das Klima", so der Bürgerschaftsabgeordnete.
Nach Darstellung des Senats dienen die neuen Vorgaben der Verwaltung als, so wörtlich, "Orientierung" bei der Aufstellung von Bauleitplänen und dem Abschluss von Verträgen. Bruck ist das zu vage: "Für uns grüne Abgeordnete gilt der Bremer Standard, wir werden ihn für alle neuen Bauprojekte in der Deputation verbindlich machen", kündigt er an. Ausnahmen bildeten solche Passagen, die als Empfehlungen gekennzeichnet seien, beispielsweise beim Baumaterial – bevorzugt soll das Holz sein. Hier werde der Standard künftig weiter entwickelt, um auch in diesem Fall verbindliche und messbare Vorgaben zu machen.
Olaf Mosel, Geschäftsführer des Vegesacker Wohnungsunternehmens M Projekt, schickt vorweg, dass er die grundsätzlichen Absichten teilt, die hinter dem "Bremer Standard" stecken: "Wir sind für Klimaschutz, unsere Kunden auch." Vieles, was nun beim Bauen verlangt werde, sei aber schlicht unrealistisch. Die Menge von Photovoltaik zum Beispiel, die auf den Hausdächern verbaut werden müsse, oder das öffentlich zugängliche Grün – "pro Bewohner sechs Quadratmeter, wie soll das gehen, wenn es sich um bereits dicht besiedelte Gebiete handelt?", fragt Mosel. Dann die Grundrisse – "sie sollen flexibel und zukunftsorientiert sein. Wer entscheidet das? Am Ende kann ich überhaupt nicht mehr bauen, was ich bauen will."
Mosel gehört mit seiner Firma zur Arbeitsgemeinschaft der freien und privaten Wohnungsunternehmen im Land Bremen. Die mehr als 20 Mitglieder stellen nach eigenen Angaben rund 90 Prozent des privaten Wohnungsbaus in Bremen her. Die Unternehmen, sagt Mosel, müssten bereits seit einiger Zeit Bebauungspläne akzeptieren, von denen sie wüssten, dass sie im Detail nicht umsetzbar sind. Das sei nun mit dem "Bremer Standard" vom Senat sozusagen in Stein gemeißelt worden.