Juristischer Sieg für den Fraktionsvorsitzenden von Bündnis Deutschland (BD): Der Staatsgerichtshof Bremen hat im Rechtsstreit mit Bürgerschaftspräsidentin Antje Grotheer (SPD) zugunsten von Jan Timke entschieden. Grotheer habe dem Parlamentarier im Juli 2023 zu Unrecht das Wort entzogen, erklärte der Staatsgerichtshof am Mittwoch. Damit würden die verfassungsmäßigen Rechte Timkes als Abgeordneter verletzt, heißt es in der Urteilsbegründung. Grotheer habe gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen. Sie habe die Bedeutung und Tragweite des Rederechts des Antragstellers verkannt. Die Entscheidung fiel mit fünf gegen zwei Stimmen.
Timke spricht von "Sieg für parlamentarische Demokratie"
In einer ersten Reaktion sprach Timke von einem Sieg für die parlamentarische Demokratie. "Mit dem Urteil werden die Oppositionsrechte ganz massiv gestärkt", sagte er. Es sei wichtig, dass oppositionelle Politiker nicht durch das Rederecht beschränkt werden könnten. Timke sieht in dem Urteil einen Meilenstein der Parlamentsgeschichte. "Wir haben jetzt mehr Rechtssicherheit." Für die Präsidentin sei die Entscheidung eine "juristische Ohrfeige". In der nächsten Bürgerschaftssitzung erwartet Timke eine öffentliche Entschuldigung von Grotheer. "Das wäre jetzt die richtige Geste."
Die Präsidentin der Bürgerschaft erklärte, der Staatsgerichtshof habe mit seiner Entscheidung den Spielraum der Abgeordneten in ihren Reden sehr weit gezogen. "Das hat Auswirkungen darauf, wie wir als Präsidium künftig als Sitzungsleitung agieren müssen", sagte Grotheer. Sie werde mit den Vizepräsidentinnen sehr zeitnah über die Entscheidung und die Folgen beraten. Zudem will Grotheer das Thema auf die Tagesordnung bei der nächsten Sitzung des Verfassungs- und Geschäftsordnungsausschusses setzen. Eine offizielle Entschuldigung lehnte Grotheer ab.
Grotheer hatte Timke nach zweimaliger Aufforderung, zur Sache zu sprechen, am 5. Juli 2023 das Wort entzogen. Der BD-Fraktionschef hatte in einem Beitrag zur Besetzung des neuen Senats die Verfassungstreue der Linken in Zweifel gezogen – wegen aus seiner Sicht linksextremistischer Strömungen innerhalb der Partei. Nach dem dritten Sachruf entzog Grotheer dem BD-Fraktionschef das Wort. Als Grotheer sich weigerte, ihre Ordnungsmaßnahmen zurückzunehmen, rief Timke den Staatsgerichtshof an.
In seinem Antrag machte Timke geltend, Grotheer habe mit zweierlei Maß gemessen, weil sie bei den Reden der Fraktionsvorsitzenden der Grünen und Linken nicht eingeschritten sei, obwohl beide unter anderem über den Ukrainekrieg und die Corona-Krise gesprochen hätten. Das sah das Gericht genauso. "Die nur gegenüber dem Antragsteller erfolgten Sachrufe sowie die anschließende Wortentziehung wahren daher nicht den Grundsatz der Gleichbehandlung aller Abgeordneten." Als hohes Gut wertet das Gericht das Rederecht, seine Einschränkung und den Wortentzug durch Grotheer wertet es als "unverhältnismäßig" und "unangemessen". Nicht folgen mochte das Gericht dem Vorwurf Timkes, Grotheer habe die Kritik an einer Regierungspartei unterdrücken wollen. Das Urteil des Staatsgerichtshofs ist nicht mehr anfechtbar. Bremen muss die Auslagen Timkes erstatten.