Am Ende sangen alle "We shall overcome", den Klassiker der Friedensbewegung, unter Regenbogenfahnen. Die Kundgebung zum Ukraine-Konflikt mit dem Motto "Das Gebot der Stunde heißt Deeskalation!" besuchten am frühen Mittwochabend bei Nieselregen einige Hundert Menschen. Aufgerufen hatte ein breites Bündnis von Sozialdemokraten, Friedensforum, Gewerkschaften, Linkspartei und der Bremischen Evangelischen Kirche.
Die stellte auch mit ihrem Friedensbeauftragten Jasper von Legat den ersten Redner. Er sprach von Furcht und Angst und davon, dass der russische Aufmarsch an den Grenzen der Ukraine die größte Herausforderung für das osteuropäische Land seit dessen Unabhängigkeit 1991 sei. Die Annexion der Krim durch Russland nannte von Legat "völkerrechtswidrig", kritisierte aber auch die "Verlegung von Nato-Truppen Richtung Ost-Ukraine" und geißelte eine zunehmende "Kriegsrhetorik".
"Massiv aufgerüstet"
"Was wissen wir eigentlich?", fragte von Legat rhetorisch. Er wusste von "Diskriminierung der russischen Bevölkerung in der Ukraine" zu berichten und von wirtschaftlichen Interessen, die mit Erdgas- und Waffenlieferungen verknüpft seien. Zudem, dass sowohl die Nato als auch die Ukraine massiv aufgerüstet hätten. "Wir stehen vor dieser Situation und blicken nicht durch", bedauerte von Legat gleichwohl. Klar sei jedenfalls, dass ein Krieg nur Verlierer hervorbringen würde.
Der Kirchenvertreter plädierte deshalb dafür, von der "Logik der Abschreckung" wegzukommen und stattdessen einer "Friedenslogik" zu folgen. Die besteht für ihn darin, "alle Kanäle" zu nutzen und keinerlei Waffen an die Ukraine zu liefern. Dafür gab es reichlich Applaus. Langfristig schwebt von Legat eine europäische Sicherheitsarchitektur vor, die mithilfe der UN entstehen könnte. Zunächst gehe es aber um "Gesten der Entfeindung", wie sie die neue EKD-Ratsvorsitzende Annette Kurschus bereits anmahnte.
Wesentlich kämpferischer sprach danach Reiner Braun, der Geschäftsführer des Internationalen Friedensbüros in Berlin. Als erstes geißelte er den Auftritt von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) "in Kampfuniform" während ihres Besuchs in der umkämpften Ost-Ukraine. Braun hätte es angemessener gefunden, wenn sie "mit Sonnenblumen nach Kiew" geflogen wäre.
Beim Gedanken an einen Krieg in der Ukraine besorgt ihn vor allem, dass in der Region 15 Kernkraftwerke stehen und rund 80 große Chemiebetriebe. Braun erinnerte an die Maxime von Willy Brandt, nach der man mit Gegnern immer und immer wieder reden müsse. Und empörte sich über die Berichterstattung und Kommentierung in mehrheitlich "unverantwortlichen" Medien: "Die treiben den Krieg voran!"
Zum Schluss gab es noch ein paar lautstarke "Wahrheiten" für das Bremer Publikum. So sei "die Nato nach Osten marschiert, weil das besoffene Jelzin-Russland so schwach war". Und das Friedensabkommen Minsk II sei nicht an der russischen Unterstützung für die Separatisten in der Ost-Ukraine gescheitert, sondern daran, dass die Regierung in Kiew nicht mit eben diesen Separatisten verhandeln wolle.
Russland einbeziehen
Eine europäische Sicherheitsordnung müsse Russland zwingend mit einschließen, und dazu müsse man als Vorleistung erst einmal die Sanktionen aufheben. Die seien ohnehin vor allem auf Druck der USA verhängt worden, aus rein wirtschaftlichem Interesse: "Hört auf, den Amis mit ihrem Scheiß-Frackinggas hinterherzulaufen!"
Am Ende wurde noch der um 1,3 Prozent steigende deutsche Verteidigungshaushalt kritisiert – "mehr Waffen, mehr Krieg" – und zur Teilnahme an den Ostermärschen aufgerufen. Denn: "Frieden in der Ukraine gibt es nur mit uns."