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Ukraine-Flüchtlinge Bremer Behörden fehlt Überblick über Geflüchtete

Große Flüchtlingsbewegungen haben neben dem humanitären auch einen Sicherheitsaspekt. Wer mit den vielen Kriegsvertriebenen aus der Ukraine ins Land kommt, lässt sich kaum ermitteln.
14.03.2022, 05:00 Uhr
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Bremer Behörden fehlt Überblick über Geflüchtete
Von Joerg Helge Wagner

Nach Angaben des Bundesinnenministeriums (BMI) wurden bis Freitagmittag rund 110.000 Ukraine-Flüchtlinge in Deutschland gezählt. Wie viele davon in Bremen angekommen sind, kann das zuständige Sozialressort nicht sagen. „Eine Registrierung in dem Sinne gibt es nicht“, erklärt Behördensprecher Bernd Schneider. „Wir erfassen die Zahl der Menschen, die wir in unseren Einrichtungen unterbringen und einen gewissen Anteil der Menschen, die privat unterkommen, sofern diese sich vorher in der Erstaufnahmeeinrichtung melden.“

Wer mit biometrischem Pass eingereist ist, kann sich in Europa bis Ende Mai visafrei bewegen. Der Sozialbehörde kommt das entgegen. Sie bittet sogar Geflüchtete, die privat unterkommen, „in der derzeitigen Situation darum, von der Vorsprache abzusehen“. Eine Anmeldung ist spätestens erforderlich, wenn es um Unterstützung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz geht. Dann werden auch Abgleiche bei den deutschen Sicherheitsbehörden und den EU-Informationssystemen durchgeführt, heißt es aus dem Bremer Innenressort.

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Aber wie stellt man sicher, dass nicht auch Kriminelle, Extremisten oder russische Agenten als vermeintliche Flüchtlinge einreisen? „Aus zurückliegenden Migrationsbewegungen wissen wir, dass gerade große Flüchtlingswellen genutzt werden, um unerkannt nach Deutschland zu kommen oder geschleust zu werden“, räumt Ressortsprecherin Karen Stroink ein. „Hinweisen wird konsequent nachgegangen“, versichert sie.

Das bestätigt Lüder Fasche, Bremer Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei. Bundespolizei und Bereitschaftspolizei seien an Hauptverkehrsstraßen und Grenzbahnhöfen „massiv verstärkt unterwegs“, damit nicht andere als Kriegsflüchtlinge die besondere Situation ausnutzen. „Bei allen kontrollierten Personen wird eine Abfrage im Fahndungssystem durchgeführt“, erklärt Fasche. 

Das reicht der größten Oppositionsfraktion allerdings nicht. „Wir müssen die Personen-Daten sofort bei der Ankunft beziehungsweise Einreise erfassen und die Unterbringung der Geflohenen mit allen staatlichen und zivilen Akteuren stabsmäßig organisieren“, fordert Marco Lübke, innenpolitischer Sprecher der Bremer CDU. „Dazu muss ein Koordinierungsstab, beim Bürgermeister angesiedelt, effektiv arbeiten“, betont der langgediente Polizeibeamte. Die Regelung durch ein einzelnes Ressort werde keinen Erfolg bringen.

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Alle Geflüchteten aus der Ukraine genießen zunächst ein Jahr lang einen „vorübergehenden Schutz“. Er kann um bis zu zwei weitere Jahre verlängert werden. Dafür hatte die EU am 3. März erstmals eine Richtlinie aus dem Jahr 2001 für den Fall eines „massenhaften Zustroms“ von Vertriebenen in Kraft gesetzt. Der Schutz kann verweigert werden, wenn „triftige Gründe“ dafür sprechen, dass jemand eine Gefahr für die Sicherheit des Aufnahmemitgliedstaates darstellt oder wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt wurde.

Das lässt sich derzeit kaum bei ukrainischen Behörden abfragen. „Insofern müssen wir die Personendaten systematisch und lückenlos aufnehmen und mit eigenen behördlichen Mitteln abprüfen, so mühsam das auch sein wird“, meint Innenpolitiker Lübke. Sein Polizeikollege Fasche sieht es anders: „Wenn Kriminelle aus der Ukraine einreisen wollten, hätten sie das bislang auch schon tun können“, sagt er mit Hinweis auf die Visa-Regeln. „Gebot der Stunde“ sei schnelle und unbürokratische Hilfe für Flüchtende aus der Ukraine. Deshalb lehne die GdP auch flächendeckende Kontrollen an der Grenze zu Polen und Tschechien sowie innerhalb der EU ab.  Dafür gebe es „gegenwärtig auch aus Bremer Sicht keinen polizeilichen Bedarf“, betont Fasche.

Unterdessen werden die Aufnahmekapazitäten der Bundesländer täglich vom BMI abgefragt. „Wir melden im Schnitt 50 neue Plätze am Tag“, sagt Schneider. Es komme oft ein Vielfaches an Menschen an: mit eigenen Autos aus der Ukraine oder durch privat organisierte Transfers. „Wir brauchen in verschiedenen Größenordnungen menschenwürdige Unterkünfte, medizinische und psychologische Versorgung und vom ersten Tag an einen Aufwuchs an Kinderbetreuung und schulischen Angeboten im Bereich Deutsch als Fremdsprache“, sagt CDU-Mann Lübke.

Die GdP hat auf ihre Art geholfen: „Viele unserer Kollegen und Kolleginnen haben ihre ausrangierten Schutzwesten für ärztliches Personal in der Ukraine zur Verfügung gestellt“, berichtet Fasche. Damit habe man den Aufruf einer Bremerhavener Ärztin unterstützt.

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